Folterkammer, Geldwäsche, Raub – Drogenkartelle drängen nach Europa
Am Sonntag, 25. Februar, ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu einem mehrtägigen Besuch in Lateinamerika aufgebrochen. Auf ihrem Besuchsplan stehen Brasilien, Peru, Ecuador und Kolumbien. Hauptthema der Gespräche mit Spitzenpolitikern und Experten wird die Bekämpfung der Drogenkartelle sein – und welche Formen der Kooperation dabei sinnvoll sein könnten.
Die kriminellen Organisationen, die sich seit den 1980er-Jahren über den amerikanischen Kontinent ausgebreitet hatten, haben es in vielen Ländern mittlerweile geschafft, einen Staat im Staate aufzubauen. Sie infiltrieren Politik, Sicherheitskräfte und Institutionen. Zunehmend schaffen sie es auch, in Europa Fuß zu fassen. Deshalb will Faeser auf ihrer Reise durch Lateinamerika mögliche Wege erörtern, um gegenzusteuern.
Faeser warnt vor Übergreifen der Drogenkartelle nach Europa
Die Drogenkartelle haben in Teilen Lateinamerikas zum Teil Parallelstaaten entwickelt, in denen sie faktisch das Sagen haben. Neben einer Verzehnfachung der Kokainproduktion haben sie es auch geschafft, sich in Segmenten wie Menschenhandel, Schutzgelderpressung, Raub oder Geldwäsche zusätzliche Standbeine zu schaffen.
Mittlerweile drängen sie auch nach Europa. Wie die „Tagesschau“ berichtet, haben Zollbehörden im vergangenen Jahr in Deutschlands größten Seehäfen insgesamt 35 Tonnen Kokain sichergestellt. In den Niederlanden waren es im gleichen Zeitraum 59, im belgischen Hafen Antwerpen 116 Tonnen. Wie viele Lieferungen unentdeckt blieben, ist ungewiss.
Faeser deutet dies als Indiz dafür, dass die Drogenkartelle längst Strukturen in Europa aufgebaut haben und dass es koordinierter Anstrengungen bedarf, diesen entgegenzuwirken – angesichts der Tatsache, dass sich Kriegswaffen und modernste Technologie in den Händen der Kartelle verbinden, ein naheliegender Gedanke.
„Europäische Hafenallianz“ soll Einfuhr illegaler Substanzen minimieren
Faeser wies im Vorfeld ihrer Reise darauf hin, dass in den Niederlanden und Belgien sogar bereits Folterkammern entdeckt worden seien, die Drogenbanden zuzuordnen seien. Bis zu 20 Milliarden Euro jährlich soll die organisierte Kriminalität dort an Gewinnen verzeichnen. Im Jahr 2019 wurde ein Anwalt erschossen, der einen Kronzeugen gegen die Drogenmafia vertrat.
Faeser will ein besonderes Augenmerk auf Hafenarbeiter legen. Behörden sollten Unternehmen darüber aufklären, dass es wichtig sei, die Motivation hinter Bewerbern um einen Arbeitsplatz zu erfragen. Die Ministerin mahnte auch zu guter Bezahlung, um die Beschäftigten gegenüber Anwerbeversuchen zu immunisieren. Die Gehälter in den Häfen können bereits jetzt auf die 100.000 Euro zugehen.
Der Handel mit Betäubungsmitteln, in den häufig auch die lateinamerikanischen Drogenkartelle involviert sind, vollzieht sich meist über Frachtcontainer. Im Januar haben Deutschland, Spanien, Italien, die Niederlande und Belgien eine „Europäische Hafenallianz“ ins Leben gerufen.
Deren Hauptaufgabe sei es, zu verhindern, dass die Drogen an Konsumenten gelangen. Faeser warnte auch vor Druck, den die Kartelle auf Staatsanwälte, Politiker und Journalisten ausüben könnten.
In Deutschland nicht denkbar: Militär gegen kriminelle Banden
Bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität selbst setzen Regierungen in Lateinamerika auf Maßnahmen, die nach deutschem Verfassungsrecht gar nicht zulässig wären. So schreibt die „Buenos Aires Times“, dass Argentiniens Präsident Javier Milei seinen Amtskollegen aus Paraguay, Santiago Peña, zu Gast hatte.
Dieser berichtete ihm über seinen Pakt mit Brasiliens Präsidenten Luis Inácio Lula da Silva. Obwohl politisch zwischen dem liberalen Peña und dem Marxisten Lula Welten liegen, haben sich beide auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Drogenkartelle geeinigt.
Um diese zu bekämpfen, haben die Militärs beider Länder grenzüberschreitend in vier Provinzen die Operation „Basalto I 2024“ durchgeführt. Dabei beschlagnahmten die Einheiten Drogen und Ressourcen der Banden im Wert von fast 19 Millionen US-Dollar. Auch mehr als 100 Schusswaffen, mehr als 100.000 Munitionshülsen und sieben dubiosen Sicherheitsunternehmen kam man auf die Spur.
Um weitere Operationen dieser Art durchführen zu können, will Paraguay seine Gesetzeslage anpassen. Dies soll es möglich machen, auch Versuche grenzüberschreitender Akte von Drogenkartellen als „Aggression von außen“ zu definieren. Dies würde es regelmäßig erlauben, neben der Polizei auch das Militär gegen die Banden zum Einsatz zu bringen.
Bukele ließ mehr als 75.000 mutmaßliche Angehörige von Drogenkartellen verhaften
Auch Milei, der ein hartes Vorgehen gegen die Drogenkriminalität angekündigt hatte, will sich daran ein Beispiel nehmen. Vorbild ist dabei auch der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele. Dieser hatte es geschafft, durch eine harte Gangart gegen Banden wie „MS-13“ und „18th Street“ die einstige Kriminalitätshochburg San Salvador zu einer sicheren Stadt zu machen.
In den vergangenen Monaten nahmen salvadorianische Behörden mehr als 75.000 Verdächtige des organisierten Drogenhandels fest. Kriminalität soll El Salvador zuvor jährlich etwa 15 Prozent seines BIP gekostet haben. Derweil hätten die Banden allein mit Schutzgelderpressung etwa 500 Millionen US-Dollar im Jahr erzielt.
Erst vor wenigen Wochen ist Bukele mit einem überzeugenden Ergebnis als Präsident bestätigt worden. Der Unternehmer hatte es geschafft, mit seiner politischen Formation „Neue Ideen“ die politische Landschaft des Landes umzustürzen. Zuvor hatten die linke FMLN und die rechtsgerichtete ARENA-Partei miteinander konkurriert.
Beide hatten eine blutige Bürgerkriegsvergangenheit. Die FMLN war eine von den Sowjets unterstützte marxistische Guerilla. Die ARENA war aus rechtsextremen Todesschwadronen der 1970er hervorgegangen. Bukele hatte in der FMLN seine politische Karriere begonnen und war später zu einer ARENA-Abspaltung gewechselt. Heute hält „Neue Ideen“ 54 von 60 Parlamentsmandaten.
Europa verspielt seinen strukturellen Vorteil gegenüber lateinamerikanischen Staaten
Ein struktureller Vorteil, den Europa gegenüber Lateinamerika mit Blick auf Drogenkartelle haben könnte, ist, dass Bürgerkriege hier lange Zeit eine verhältnismäßig geringere Rolle gespielt hatten. In zahlreichen lateinamerikanischen Staaten waren solche seit dem frühen 19. Jahrhundert an der Tagesordnung. Im Kalten Krieg hatten die USA und die Sowjetunion Waffen an Guerillas geliefert, die ihren jeweiligen geostrategischen Interessen nützten.
Als der Kalte Krieg vorüber war und in einigen Ländern die Auseinandersetzungen beigelegt werden konnten, blieben die Waffen als solche im Umlauf. Die Wiedereingliederung früherer Paramilitärs oder Guerillas in das zivile Leben erwies sich als schwierig.
Dies machte es von häufig charismatischen oder zumindest durchsetzungskräftigen Persönlichkeiten geführten Banden leichter, ihre Macht auszubauen. Die im Vergleich zu Europa deutlich stärker ausgeprägte Armut schaffte ein größeres Rekrutierungspotenzial.
In Europa könnten diese Standortvorteile jedoch perspektivisch verloren gehen. Terroristische Organisationen wie die PKK finanzieren ihren Kampf zu einem erheblichen Teil mit Drogengeschäften. Gleichzeitig sind nach dem Ende des jugoslawischen Bürgerkrieges immer mehr Waffen auf den Schwarzmärkten gelandet.
Wenig spricht dafür, dass dieser Effekt nach einem möglichen Ende des Ukraine-Krieges ausbleibt. Zugleich ist die politische Stabilität in vielen Teilen Europas rückläufig, während Armut und soziale Desintegration durch wirtschaftliche Stagnation und Inflation begünstigt werden. Perspektivisch droht damit auch in Europa, ein Klima zu entstehen, in dem Drogenkartelle gedeihen können.
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