„Exekution“ und „Arbeitslager“: Kim Jong-un geht gegen „Krebsgeschwür“ K-Pop vor

Mit drastischen Ansagen hat sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un gegen zeitgenössische Popularmusik aus Südkorea gewandt. K-Pop, so Kim, sei „pervers“ und korrumpiere die Jugend seines Landes. Besitzern der Musik droht künftig Lagerhaft, Schmugglern die Hinrichtung.
Titelbild
Kim Yong Un.Foto: STR/AFP/Getty Images
Von 28. Juni 2021

Der Machthaber von Nordkorea, Kim Jong-un, hat einen Ausrottungsfeldzug gegen die in Südkorea populäre Musikrichtung des K-Pop angekündigt, der ein „bösartiges Krebsgeschwür“ darstelle und Auftreten, Frisuren, Sprechweise und Verhalten der nordkoreanischen Jugend „korrumpiert“.

Dies berichtet unter anderem die „New York Times“ (NYT) unter Berufung auf das südkoreanische Portal „Daily NK“, das im Besitz geschmuggelter Unterlagen sein will.

Tanzen zu K-Pop kann bereits für Inhaftierung ausreichen

Im Dezember des Vorjahres begann Kim mit neuen Gesetzesinitiativen seine eigene Form der „Cancel Culture“ zu schaffen, indem er neue Bestimmungen gegen „kapitalistische“ Einflüsse verordnete, die auch in den Provinzen mit zunehmendem Nachdruck umgesetzt werden sollten.

So soll künftig jedem, der illegale Tonträger oder ähnliches Material aus Südkorea horte, Anhaltung im Arbeitslager bis zu 15 Jahren drohen – was erfahrungsgemäß mit geringen Überlebenschancen verbunden ist.

Bis dato galt eine maximale Strafdrohung von fünf Jahren. Öffentliches Singen, Tanzen oder Darbieten von K-Pop kann mit bis zu zwei Jahren Lager bestraft werden. Schmugglern von Tonträgern droht hingegen die Todesstrafe.

Dass es dem Regime mit diesen Ankündigungen ernst ist, zeigte die tatsächliche Hinrichtung eines Bürgers, der Bootlegs und anderes Unterhaltungsmaterial aus Südkorea geschmuggelt hatte, im Mai dieses Jahres durch ein Erschießungskommando.

Angst vor Autoritätsverlust

Experten zufolge sei das zunehmende Interesse gerade junger Menschen in Nordkorea die Konsequenz aus der Enttäuschung über die Folgen der Misswirtschaft im Land, die durch die Corona-Krise noch verschärft wurde. Diese lasse auch bei Kim Jong-un die Angst vor einem Autoritätsverlust wachsen.

Zwar gibt es in Nordkorea offiziell kein Corona und deshalb auch keine Lockdowns. Allerdings hat die weltweite Krise die Versorgungslage noch prekärer gemacht. Dazu kommen die Folgen internationaler Sanktionen und die katastrophale Wirtschaftspolitik im Inneren.

Kommt es zu Ernteschäden durch ungünstige Witterung, Trockenheit oder Überschwemmungen, droht eine neue Hungersnot – und viele jüngere Nordkoreaner, die bereits Erinnerungen an die erste große Katastrophe in den 1990er Jahren haben, sind höchst misstrauisch gegenüber dem Staat.

„Junge Leute glauben, sie schulden Kim Jong-un gar nichts“

Das Regime geht so weit, Computer, Textnachrichten oder Notebooks junger Menschen zu durchsuchen, inwieweit diese Züge von „Infiltration“ durch den Süden erkennen lassen.

Verdachtsmomente bilden schon Alltagspraktiken wie die Ansprache des festen Freundes mit dem Ausdruck „oppa“ statt mit dem staatlich erwünschten „Genosse“. Da der Ausdruck aus südkoreanischen Soaps stammt, gilt dessen Verwendung als Verdachtsmoment für das Verfolgen von „Feindsendern“.

Um dieses „perverse Phänomen“ zu unterbinden, so geht aus den Dokumenten hervor, werden bei Bedarf auch Stadtverweise ausgesprochen.

Allerdings soll der Einfluss des Südens jetzt schon weiter gehen als Kim lieb sein dürfte: Wie die „NYT“ weiter berichtet, hat eine Studie mit 116 Geflüchteten, die es aus Nordkorea in den Süden geschafft hatten, gezeigt, dass fast die Hälfte von ihnen bereits in ihrer Zeit in ihrem Herkunftsland „regelmäßig“ Zugang zu Inhalten aus Südkorea hatte. „Die jungen Nordkoreaner denken, sie schulden Kim Jong-un gar nichts“, so die Einschätzung eines Überläufers.



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