EuGH erleichtert europaweite Vollstreckung von Verkehrsbußgeldern

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Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) im Europaviertel in Luxemburg.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/dpa
Epoch Times6. Oktober 2021

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die europaweite Vollstreckung von Verkehrsbußgeldern erleichtert. Nach einem am Mittwoch verkündeten Urteil sind die Mitgliedsstaaten grundsätzlich an die Entscheidungen der Behörden im Land des Verstoßes gebunden und müssen diese vollstrecken. Die dort geltenden Regeln dürften nicht infrage gestellt werden. (Az: C-136/20)

Im Streitfall geht es um ein Straßenverkehrsdelikt mit einem ungarischen Auto in Österreich. Weil die Polizei nicht wusste, wer das Auto gefahren hatte, fragte sie bei der Halterin an. Diese weigerte sich, den Namen herauszugeben.

Österreich belegte die Weigerung mit einer Geldstrafe von 80 Euro. Das für die Vollstreckung der Strafe zuständige ungarische Kreisgericht hatte Zweifel, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckung hier erfüllt sind.

EU-Recht regelt unter anderem, dass die Länder Geldstrafen und -bußen wegen einer „gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise“ gegenseitig vollstrecken. Hier meinte das ungarische Gericht, die Halterin habe nicht gegen Verkehrsregeln verstoßen, sondern eine Auskunft verweigert.

Der EuGH betonte nun, dass Österreich die Auskunftspflicht der Halterin als eine „den Straßenverkehr regelnde Vorschrift“ angesehen habe. Daran seien die Behörden und Gerichte im Vollstreckungsstaat „grundsätzlich gebunden“. Sie müssten die Verkehrsregeln so akzeptieren, wie sie im Land des Verstoßes definiert seien.

Rückendeckung für kritische Richter in Polen

In einem weiteren am Mittwoch verkündeten Urteil hat der Europäische Gerichtshof erneut die Justizreformen in Polen kritisiert und kritischen Richtern den Rücken gestärkt. Die Luxemburger Richter mahnten eine unabhängige Überprüfung von Rechtsmitteln gegen die Versetzung von Richtern an. Die derzeitige Situation lasse den Schluss zu, dass dies „offensichtlich“ nicht gewährleistet sei. Formal muss darüber aber das Oberste Gericht in Warschau entscheiden. (Az: C-487/19)

Angestoßen wurde das Verfahren von einem Richter eines polnischen Regionalgerichts. Er war 2018 gerichtsintern versetzt und so faktisch degradiert worden. Die am Obersten Gericht geschaffene „Kammer für außerordentliche Überprüfung“ wies die Beschwerde des Richters jedoch ab.

Wie die Disziplinarkammer sieht sich auch die „Kammer für außerordentliche Überprüfung“ mit der Kritik eines zu großen politischen Einflusses konfrontiert. Ihre Mitglieder werden auf Vorschlag des Landesjustizrats vom polnischen Präsidenten berufen. Der Landesjustizrat wird von der Abgeordnetenkammer gewählt.

Die EU-Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Mit einem Eilbeschluss setzte die Vizepräsidentin des EuGH die Arbeit beider Kammern bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens aus. Polen hält sich daran aber nicht, das polnische Verfassungsgericht verschob mehrfach eine Entscheidung.

EuGH betonte die richterliche Unabhängigkeit

In Polen selbst sind zudem Klagen nicht in die Kammer berufener Richter anhängig. Das Oberste Verwaltungsgericht setzte daher die Ernennung weiterer Richter der Überprüfungskammer aus. Der versetzte Richter rügt, dass trotz dieser Verfahren weitere Richter in die „Kammer für außerordentliche Überprüfung“ berufen worden seien, die dann über seine Beschwerde entschieden hätten.

Der EuGH betonte nun die richterliche Unabhängigkeit. Die nicht einvernehmliche Versetzung eines Richters könne hiergegen verstoßen. Daher müsse es wirksame Rechtsmittel gegen eine solche Versetzung geben, über die unabhängige Richter entschieden.

Nach dem diplomatisch formulierten Urteil lassen im konkreten Fall die Umstände den Schluss zu, dass Richter der Überprüfungskammer „unter offensichtlicher Missachtung der Grundregeln des Verfahrens“ berufen wurden. Dies könne Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in Polen aufkommen lassen.

Letztlich müsse dies aber die Kammer des Obersten Gerichts entscheiden, die dem EuGH den Streit vorlegte. Dort gibt es immer noch Kammern, die sich gegen die Justizreformen wehren. Komme diese hier zu derselben Überzeugung wie der EuGH, sei die Abweisung der Beschwerde des versetzten Richters nichtig. (afp/dl)



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