EU will Industrie durch Clean Industrial Deal klimaneutral machen – doch Kritik wächst

Die EU-Kommission hat ihren „Clean Industrial Deal“ präsentiert – ein milliardenschweres Programm zur Dekarbonisierung der Industrie. Kritiker warnen: Hohe Kosten, unklare Finanzierung und drohende Handelsspannungen könnten den Wirtschaftsstandort Europa weiter schwächen.
Sozialistin Ribera: Bald neue EU-Wettbewerbskommssarin?
EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera sieht den Clean Industrial Deal als möglichen Durchbruch.Foto: John Thys/POOL/AFP via Getty Images
Von 27. Februar 2025

Am Mittwoch, 26. Februar, hat die EU-Kommission ihren sogenannten Clean Industrial Deal vorgestellt. Wie die für die „grüne Transformation“ zuständige Kommissarin Teresa Ribera mitteilt, soll dieser Dekarbonisierung mit wirtschaftlichem Wachstum verbinden. Die Energiekosten sollen sinken, so die Kommission, und sowohl der öffentliche als auch der private Sektor sollen „saubere“ Produkte kaufen.

Der Clean Industrial Deal soll zudem Investitionen fördern, den Zugang zu wichtigen Rohstoffen sichern, qualifizierte Arbeitsplätze schaffen und europäische Unternehmen vor „extrem günstigen“ Importen schützen. Ribera ist sich sicher, dass „es die saubere Transformation ist, die unsere Industrie stark macht – nicht einfach wieder stark, sondern stärker als je zuvor“. So äußerte sie sich „Euractiv“ zufolge gegenüber Journalisten.

Mitgliedstaaten sollen „freiwilligen Beitrag“ zum Clean Industrial Deal leisten

Eine der zentralen Maßnahmen ist die Einrichtung einer sogenannten Dekarbonisierungsbank mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro. Gleichzeitig sollen neue Vergaberegeln europäische Unternehmen vor Importen schützen, die der Kommission als zu günstig erscheinen.

Die Finanzierung des Clean Industrial Deals soll aus mehreren Quellen erfolgen. Etwa 20 Milliarden Euro soll der Innovationsfonds beisteuern und 30 Milliarden aus „freiwilligen Beiträgen“ der Mitgliedstaaten. Sollte die angestrebte Höhe den jeweiligen Anteilen an Beiträgen zum EU-Haushalt entsprechen, läge der Erwartungswert für Deutschland bei etwa 7 bis 7,5 Milliarden Euro.

Ein weiterer Teil soll sich aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandels finanzieren. Dazu sollen Beiträge aus dem InvestEU-Programm kommen. Um erste Dekarbonisierungsprojekte in einzelnen Sektoren zu fördern, soll es noch in diesem Jahr zu einer Pilotauktion mit einer Milliarde Euro kommen.

PPAs sollen Unternehmen bei Energiepreisen entlasten

Unternehmen, die in EU-Auktionen gut abschneiden, aber keine direkten Fördergelder erhalten, sollen Zugang zu Beihilfen für den Ausbau klimaneutraler Technologie erhalten können. Ein Instrument dazu soll die EU-Wasserstoffbank sein. Ab Juni 2025 soll es dazu neue Beihilferegeln geben.

Darüber hinaus soll die Europäische Investitionsbank (EIB) Investitionen in Stromnetze absichern. Außerdem soll sie Garantien für langfristige Stromabnahmeverträge, sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs), bereitstellen.

Unter PPAs versteht man langfristige Stromlieferverträge zwischen Produzenten und Abnehmern. Diese sollen europäische Unternehmen unabhängiger von den Schwankungen der Spotmärkte machen und stabile Energiepreise garantieren. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Unternehmen mit einem Erzeuger erneuerbarer Energien einen Vertrag über einen festen Strompreis abschließt. Dies soll Investitionen in grüne Energie absichern und Unternehmen Planungssicherheit bieten.

Handelspartner könnten protektionistische Vorstöße erwidern

In der Vergangenheit hielten vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) von solchen Verträgen Abstand. Grund waren oft komplexe Neben- und Haftungsklauseln in den Vertragsbedingungen. Inwieweit der Clean Industrial Act den Forderungen von Wirtschaftsverbänden nach einer Standardisierung und Vereinfachung der PPA-Bedingungen entgegenkommt, lässt auch der Entwurfstext nicht im Detail erkennen.

Ein besonders kontrovers diskutiertes Element des Deals ist die Bevorzugung europäischer Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen. Die „Buy European“-Klausel könnte als protektionistische Maßnahme interpretiert werden und zu Gegenreaktionen aufseiten internationaler Handelspartner führen. Schon jetzt haben US-amerikanische Unternehmen bereits Kritik geäußert und betont, dass dies nicht-europäische Firmen benachteiligen würde.

Laut EU-Kommission soll die Regelung sicherstellen, dass strategisch wichtige Industriezweige gestärkt werden. Dies gilt insbesondere für die Produktion von Solarpaneelen und Windkraftanlagen, bei denen Europa derzeit stark von China abhängig ist. Künftig sollen mindestens 40 Prozent der Clean-Tech-Produkte in der EU gefertigt werden.

Tschechiens Premier sieht Clean Industrial Deal bereits kritisch

Obwohl der Clean Industrial Deal zahlreiche wirtschaftliche Chancen bietet, gibt es auch Risiken. Besonders die langfristige Finanzierbarkeit ist fraglich. Der ehemalige italienische Premierminister Mario Draghi hatte in einem Gutachten jährliche Investitionen von 800 Milliarden Euro gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas langfristig zu sichern. Im Vergleich dazu erscheinen die 100 Milliarden Euro der Dekarbonisierungsbank als Tropfen auf den heißen Stein.

Zudem bleibt unklar, ob die geplanten Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten tatsächlich ausreichen. PPAs können zwar Stabilität schaffen, doch hohe Anfangsinvestitionen und unvorhersehbare Marktbedingungen könnten insbesondere KMUs belasten. Außerdem ist das Preisniveau in Europa jetzt schon so hoch, dass energieintensive Unternehmen bereits bestehende langfristige Preisbindungen scheuen. Sobald die Preise am Spotmarkt explodieren, wählen sie lieber die temporäre Stilllegung der Produktion – wie jüngst mehrere deutsche Stahlunternehmen.

Schon jetzt äußert der tschechische Premierminister Petr Fiala Zweifel am Erfolg des „widersprüchlichen“ Clean Industrial Deals Kritik. Sein Finanzminister Zbyněk Stanjura erklärte, das Vorhaben ignoriere die finanzielle Belastung, die Europa schon durch seine ambitionierten Verteidigungsziele zu erwarten habe. „Euractiv“ zitiert Stanjura mit der Aussage:

„Wir werden nicht über die Mittel verfügen, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und gleichzeitig die Dekarbonisierungsziele unverändert beizubehalten.“

Industrieverband: Europas Klimapolitik „ideologisch und für viele Industriezweige tödlich“

Der Minister warnte auch davor, diesen Zielkonflikt durch mehr Schulden lösen zu wollen. Er betonte, dass ein Festhalten an den bestehenden Dekarbonisierungszielen allen flankierenden Bemühungen zum Trotz die Kosten in die Höhe treibe. Beschränkungen, die Brüssel den Unternehmen zur Senkung der Emissionen auferlege, zwängen diese dazu, außerhalb Europas zu investieren.

Der Präsident des tschechischen Industrieverbandes, Jan Rafaj, nannte die Klimaziele der EU „ideologisch und für viele Industriezweige tödlich“. Der Clean Industrial Deal könnte die europäische Wirtschaft sogar noch weiter schwächen. Rafaj resümiert: „Die Europäische Kommission versteht die aktuelle geopolitische Lage und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit Europas immer noch nicht.“



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