EU-Rechtsparteien in Warschau: Bessere Abstimmung in Kernfragen – aber kein Bündnis
Das Treffen rechtskonservativer und nationalistischer Parteien am Samstag (5.12.) in Warschau ist ohne eine Einigung auf einen formalen Zusammenschluss zu Ende gegangen. Dies berichtete „Euronews“. Allerdings haben sich die anwesenden Vertreter von Parteien aus 15 Ländern, die im EU-Parlament unterschiedlichen Fraktionen angehören oder fraktionslos sind, auf eine bessere Koordination des Abstimmungsverhaltens, wenn es um Fragen der Souveränität und der Einwanderung geht, verständigt.
Gemeinsame Abschlusserklärung knüpft an Deklaration im Juli an
Zudem gab es eine gemeinsame Erklärung der Anwesenden, in denen ein „Europa, das von einer selbst ernannten Elite regiert wird“, zurückgewiesen und die souveränen Institutionen der Mitgliedstaaten als die „einzigen Träger voller demokratischer Legitimität“ bezeichnet wurden.
Die Teilnehmer „erörterten auch eine engere Zusammenarbeit ihrer jeweiligen Parteien im Europäischen Parlament“, heißt es in der Erklärung. Dazu gehöre „die Organisation gemeinsamer Sitzungen und die Abstimmung über gemeinsame Themen wie den Schutz der Souveränität der Mitgliedstaaten und die Haltung zur illegalen Einwanderung.“
Bereits Anfang Juli hatten die Vorsitzenden von 16 europäischen Rechtsparteien im Europäischen Parlament eine Deklaration unterzeichnet, in der sie für eine Zusammenarbeit der Völker in Europa, den Erhalt von Souveränitätsrechten und eine Reform der EU eintraten.
Salvini: Für Bündnis muss „richtige Zeit“ kommen
Prominenteste Vertreter der europäischen Rechtsparteien waren Katalin Novák, die stellvertretende Vorsitzende von Ungarns Premierminister Viktor Orban an der Spitze der in Europa fraktionslosen Fidesz, der polnische Premier Mateusz Morawiecki von der PiS und Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National. Vertreten war unter anderem auch Österreichs FPÖ.
Von den fraktionszugehörigen Parteien, die am Samstag repräsentiert waren, gehörten einige der Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (ECR) und einige der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) an. Nicht vertreten war die deutsche AfD, die bereits im Zusammenhang mit der Deklaration vom Juli nicht mit eingeladen war. Hauptgrund dafür war deren Position für einen deutschen EU-Austritt, während die am Samstag versammelten Parteien eine Reform der Staatengemeinschaft anstreben.
Auch Italiens Lega-Chef Matteo Salvini war am Samstag nicht erschienen. Er ließ in einer Erklärung wissen, es müsse „die richtige Zeit“ für einen Zusammenschluss da sein. Bis dato spielten Egoismen auf nationaler Ebene eine zu große Rolle. Möglicherweise war dies ein Seitenhieb auf seine innerstaatliche Konkurrentin Giorgia Meloni, die namens der Fratelli d’Italia als einzige italienische Parteichefin vertreten war.
Rechte gegen „deutsche Koalition“ in Europa
Marine Le Pen, die bei den französischen Präsidentschaftswahlen im April ebenfalls mit einer Konkurrenzkandidatur auf der Rechten konfrontiert ist, erklärte, das Treffen sei „ein wichtiger Schritt“ gewesen. Die Teilnehmer hätten sich „zu regelmäßigen Treffen verpflichtet, um eine gemeinsame Abstimmung zwischen den beiden Gruppen zu gewährleisten“.
Ein solches Bündnis sei „umso notwendiger, als wir es mit einer deutschen Koalition zu tun haben, die den europäischen Föderalismus zu einer Priorität gemacht hat und mit Sicherheit auch den Migrationsdruck erhöhen wird“.
Druck der EU gegen Polen nähert PiS und Le Pen einander an
Eine mögliche „Supergruppe“ aus Parteien der ECR- und der ID-Fraktion plus Fidesz hätte gemeinsam mindestens 133 Mitglieder und wäre damit die drittstärkste Fraktion im Europäischen Parlament. Dies würde noch mehr an Geldmitteln für den Ausbau der Infrastruktur bedeuten.
Allerdings stehen einige taktische Überlegungen ebenso wie inhaltliche Differenzen einem solchen Zusammenschluss entgegen. Die polnische PiS hatte sich lange Zeit dagegen gewehrt, mit Rassemblement National zu reden, da die jeweiligen Positionen zum Verhältnis mit Russland diametral entgegengesetzt sind.
Die Distanz der USA unter Joe Biden zu Warschau und der Umstand, dass Brüssel nun versucht, durch das Zurückhalten von Mitteln aus dem Corona-Wiederaufbaufonds eine Änderung polnischer Gesetze zu erzwingen, scheint die Konfrontationspolitik gegen Wladimir Putin auf der Prioritätenliste der PiS weiter nach hinten rücken zu lassen.
Inhaltliche Reibungspunkte: Corona, Türkei, „Islamkritik“
Allerdings gibt es auch noch andere mögliche Reibungspunkte. Während Österreichs FPÖ zumindest dort, wo sie nicht an Landesregierungen beteiligt ist, einen scharfen Kurs gegen die Corona-Schutzimpfung und sämtliche Pandemie-Maßnahmen fährt, haben die regierenden Rechtskonservativen in Polen und Ungarn mehrfach Lockdowns verhängt, eine Maskenpflicht vorgeschrieben und nachdrücklich zur Impfung aufgerufen.
Auch in Gesellschaftsfragen und der Außenpolitik gibt es deutliche Unterschiede: So sprechen sich konservative Parteien wie Fidesz und PiS strikt dagegen aus, Anliegen der LGBTQ*-Lobby in der Öffentlichkeit und im Bildungswesen offensiv zur Geltung zu bringen. Zudem arbeiten beide eng mit der Türkei zusammen. Polen hat jüngst beispielsweise aus Ankara 24 Bayraktar-Drohnen bestellt, und Ungarn macht sich für einen EU-Beitritt der Türkei stark.
Demgegenüber sind „Islamkritik“ und eine konfrontative Position gegenüber der Türkei und ihrem Präsidenten Erdoğan den nationalistischen Parteien ein zentrales Anliegen – was im Zweifel auch beinhaltet, europäische Positionen zu Feminismus und sexueller Vielfalt gegen einen konservativen Islam zu verteidigen.
Vorbehalte gegen radikaleren Kurs der ID-Parteien
Darüber fühlen sich zahlreiche Politiker aus Fidesz und ECR im Kern bürgerlichen Parteien wie ÖVP oder spanischer PP näher als jenen der ID – und sie befürchten, durch eine Annäherung an diese meist radikaler ausgerichteten Gruppierungen die Tür zur Mitte zuzuschlagen.
Bereits zu Beginn der Woche betonte die Fidesz-Vizepräsidentin Katalin Novák in einem Facebook-Post, dass „der Fidesz auch in Zukunft nur mit demokratischen konservativen Parteien zusammenarbeiten wird“.
Sie fügte hinzu: „Unser Ziel ist es, dass Menschen, die sich national fühlen, für die Freiheit eintreten, gegen die Einwanderung sind und traditionelle Familienwerte respektieren, bei europäischen Entscheidungen die stärkstmögliche Vertretung haben.“
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