Treffen in Brüssel: EU besorgt über Engpässe bei Medikamenten und Schutzkleidung wegen Coronavirus
Wegen des Coronavirus werden in der EU Engpässe bei Arzneimitteln und Schutzkleidung befürchtet. In China würden wichtige Wirkstoffe produziert, die für viele Medikamente nötig seien, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag bei einem Sondertreffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Die Produktionsstopps wegen des Virus bei Herstellerfirmen in China könnten in einigen Wochen zu „Lieferengpässen in Europa“ führen.
Die EU-Gesundheitsminister wollen bei dem Treffen eine Reihe von Absprachen treffen, um sich auf die mögliche weitere Ausbreitung des Virus vorzubereiten. Dazu gehört nach dem Entwurf der Schlussfolgerungen auch die Aufforderung an die EU-Kommission, mit nationalen Arzneimittelbehörden „die Folgen globaler Gesundheitskrisen (…) für die Verfügbarkeit von Medikamenten in der EU“ zu bewerten.
China ist ein Schlüsselland für die Herstellung von Medikamenten. Viele dortige Firmen haben aber wegen des Virus die Produktion unterbrochen, um ihr Personal zu schützen und die Ausbreitung des Erregers einzudämmen.
BfArM sieht derzeit keine Engpässe
Spahn sagte, Medikamentenengpässe könnten mit Zeitverzögerung eintreten. Container aus China seien rund vier Wochen nach Europa unterwegs. „Das heißt, es kommt jetzt noch etwas an“, sagte er. Dies könne sich aber demnächst ändern, wenn sich die chinesischen Produktionsstopps auswirkten.
Spahns finnische Kollegin Krista Kiuru sagte, tatsächlich sei „die pharmazeutische Industrie der EU stark von der Einfuhr von Wirkstoffen aus China abhängig“. Die französische Akademie für Pharmazie erläuterte, 80 Prozent der wichtigsten pharmazeutischen Wirkstoffe würden außerhalb Europas produziert, davon wiederum ein Großteil in Asien. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht derzeit keine Engpässe, prüft aber nach eigenen Angaben das Risiko mittelfristiger Einschränkungen.
Mehrere Minister zeigten sich auch beunruhigt über Engpässe bei der Verfügbarkeit von Schutzkleidung und Masken. „Der Großteil der Hersteller dieser Ausrüstung sitzt in China und hat nun selbst keine Vorräte mehr“, sagte Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Wie ihre Kollegen aus den Niederlanden und Belgien sprach sie sich für eine „gemeinsame Beschaffung von Schutzkleidung auf europäischem Niveau aus“.
Bislang keine Todesopfer in Europa
In der EU gibt es nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bisher 35 im Labor bestätigte Infektionen, darunter 16 in Deutschland. Todesopfer gab es in Europa bisher nicht.
Es sei nicht ausgeschlossen, „dass aus der bisher regional begrenzten Epidemie in China eine weltweite Pandemie werden kann“, sagte Spahn. Die Lage könne „erst noch schlechter werden wird, bevor es besser wird“.
Er lehnte nationale Alleingänge bei Kontrollen an Grenzen und Flughäfen in Europa erneut ab. Dies mache wegen der offenen Grenzen in Europa „keinen Sinn“, sagte er. Spahn forderte insbesondere bessere Informationen zu Mitreisenden und Kontaktpersonen von Infizierten, um Ansteckungsketten zu unterbrechen.
Tschechiens Gesundheitsminister Adam Vojtech schloss bei einer Verschärfung der Situation aber auch Reisebeschränkungen im Schengenraum nicht aus, in dem es keine Grenzkontrollen gibt und dem die meisten EU-Staaten angehören. „Ich denke nicht, dass wir Schengen jetzt beschränken sollten“, sagte er. „Aber das kann sich in naher Zukunft ändern.“
Klare Positionierung gegen „anti-chinesischen Rassismus“ gefordert
Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza zeigte sich unterdessen besorgt über die Entwicklung in Afrika. Die Gesundheitssysteme vieler afrikanischen Länder seien „sehr viel verletzlicher“ als die europäischer Staaten, sagte er. Breite sich der Virus dort aus, könne dies auch „ernsthafte Folgen“ für Europa haben.
Belgiens Gesundheitsministerin Maggie de Block forderte eine klare Positionierung gegen „anti-chinesischem Rassismus“. In mehreren europäischen Ländern gibt es Berichte über asiatischstämmige Menschen, die sich Anfeindungen wegen der Ausbreitung des Virus ausgesetzt sehen. (afp/so)
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