EU-Abkommen mit Mercosur: Frankreich und Italien stellen sich quer – Wer profitiert davon?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Freitag, 6.12., eine Einigung über das möglicherweise größte Freihandelsabkommen der Welt verkündet. Im Jahr 1999 hatten die Europäische Union und die südamerikanische Mercosur-Gruppe begonnen, über ein solches Projekt zu verhandeln. 2019 war es bereits unterschriftsreif. Anschließend drängte vor allem Brüssel noch auf häufig handelsfremde Zusatzbestimmungen – die Aussicht auf einen harten Zollkurs in den USA brachte am Ende aber dann doch die Ergebnisorientierung zurück.
Wer am meisten vom Abkommen mit Mercosur profitiert
Nun soll der „historische Meilenstein“, wie von der Leyen die Vereinbarung nennt, unter Dach und Fach sein. Von Montevideo aus verkündete sie, dass mit dem Abkommen ein Absatzmarkt für 770 Millionen Menschen entstehen würde. Warenströme zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay und zwischen den genannten Staaten und der EU sollen freier von Zollschranken und bürokratischen Hemmnissen vonstattengehen. Die Vereinbarung soll fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte umfassen.
Vor allem Autohändler, die chemische Industrie und die Pharmakonzerne sollen Nutznießer der neu gewonnenen Handelsfreiheit sein. Aber auch der Maschinenbau kann sich auf günstigere Exportbedingungen in die aufstrebenden Volkswirtschaften des Mercosur freuen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) schätzt die jährlich zu erwartende Ersparnis für deutsche Unternehmen auf 400 bis 500 Millionen Euro.
Die zuletzt angeschlagene europäische Autoindustrie kann sich über einen Wegfall von Mercosur-Importzöllen von 35 Prozent freuen. Bei Pharmaeinfuhren sind es derzeit noch 14 Prozent, die in Zukunft gestrichen werden sollen. Auch verbesserten Marktzugang sollen IT, Telekommunikation und Finanzwesen erhalten. Von den 12.500 deutschen Unternehmen, die derzeit in den Mercosur exportieren, sind 72 Prozent KMUs.
Scholz kann Einigung als wichtigen persönlichen Erfolg betrachten
In den Mercosur-Staaten sind es vor allem die Exporteure von Rohstoffen und Agrarerzeugnissen, die profitieren. Nicht weniger als 92 Prozent der bisherigen Einfuhrzölle in der EU fallen für sie weg. Künftig soll es möglich werden, ein Kontingent von 99.000 Tonnen Rindfleisch zollfrei in die europäische Staatengemeinschaft zu exportieren.
Für Konsumenten bedeutet das eine größere Auswahl und eine Hoffnung auf günstigere Produkte infolge des wachsenden Angebots. Für den hiesigen Agrarsektor und die Lebensmittelindustrie bedeutet dies jedoch Konkurrenz. Die ohnehin durch Öko-Vorgaben, wegfallende Vergünstigungen und massive Regulierung belasteten Bauern hatten auch deshalb schon im vergangenen Winter gegen den geplanten Deal mit Mercosur protestiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X, die Einigung bedeute, dass eine „wichtige Hürde für das Abkommen“ genommen sei. Der freie Markt, der für mehr als 700 Millionen Menschen entstehen könne, habe das Potenzial, „mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“ in der EU zu schaffen.
Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen ist die politische Einigung zwischen den #Mercosur-Staaten und der EU da – eine wichtige Hürde für das Abkommen ist genommen. So kann für mehr als 700 Millionen Menschen ein freier Markt entstehen, mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) December 6, 2024
Meloni sieht Voraussetzungen für Mercosur-Abkommen „derzeit nicht gegeben“
Für Scholz ist die Einigung eine Bestätigung. Er hatte sich trotz Bedenken aus den Reihen seines grünen Koalitionspartners stets für das Abkommen starkgemacht. Auch die EU und ihre Kommissionspräsidentin von der Leyen haben einen handelspolitischen Erfolg dringend nötig.
Beide könnten die Rechnung jedoch ohne zwei der größten EU-Mitgliedstaaten gemacht haben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bereits zuvor mehrfach erklärt, sein Land werde die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens verweigern. Zwar ist dieser nach dem Misstrauensvotum gegen seinen Premierminister Michel Barnier innenpolitisch geschwächt. Von seinen Kritikern von links und rechts ist jedoch keine freundlichere Position gegenüber dem Abkommen zu erwarten.
Macron erklärte, der Vertrag sei in seiner jetzigen Form „inakzeptabel“. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äußerte ebenfalls, die Voraussetzungen für das Abkommen seien „derzeit nicht gegeben“. Italien mache „angemessene Schutzmaßnahmen und Entschädigungen“ zur Bedingung für eine Zustimmung.
Kritik kam zuletzt mit Polen auch aus einem weiteren großen EU-Mitgliedstaat. Die drei Länder benötigen nur noch ein kleineres EU-Land, um die erforderliche 35-Prozent-Sperrminorität gegen die Vereinbarung zu erreichen.
Wird Österreich zum entscheidenden Faktor?
Dieses könnte Österreich sein. Auch dort gibt es erhebliche Bedenken gegen billige Importe von Geflügel und Rindfleisch. Dazu kommt Lobbyismus von Öko-Gruppen, die gegen gentechnisch optimierte Sojabohnen mobilisieren oder Mercosur-Ländern zu wenig Einsatz gegen die Abholzung des Regenwaldes vorwerfen.
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