Rechtsstaatlichkeit
„Erpressung“: Polen ruft im Streit mit Brüssel Verfassungsgericht in Warschau an

Verfassungsgericht in Warschau.
Foto: iStock
Im Streit um Rechtsstaatlichkeit und EU-Gelder hat die polnische Regierung nun das Verfassungsgericht in Warschau angerufen. Dass die Auszahlung von EU-Geldern an Warschau von der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit abhängig sein solle, sei „von Natur aus sehr gefährlich“, erklärte am Donnerstag Justizminister Zbigniew Ziobro. Dadurch werde der EU-Kommission „Erpressung und selbst extreme wirtschaftliche Gewalt“ erlaubt. „Deshalb habe ich entschieden, das polnische Verfassungsgericht anzurufen.“
Erst am Mittwoch hatte die EU-Kommission ihr Vorgehen gegen Polen verschärft und ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eingeleitet. Dabei geht es unter anderem um den Vorrang von Europa-Recht gegenüber nationalem Recht.
Das polnische Verfassungsgericht hatte diesen Vorrang im Oktober in einem historischen Urteil infrage gestellt. Deshalb und wegen anderer Richtersprüche erfülle das oberste polnische Gericht „nicht mehr die Anforderungen an ein unabhängiges und unbefangenes Gericht“, wie es die europäischen Verträge vorsähen, sagte EU-Kommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch.
Die EU liegt bereits seit 2017 mit Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform im Streit. Die Kommission hatte deshalb verschiedene Vertragsverletzungsverfahren angestrengt, die teils in Klagen vor dem EuGH mündeten. Erst Ende Oktober hatte der Gerichtshof in Luxemburg ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro gegen Warschau verhängt, weil die Regierung die Tätigkeit der Disziplinarkammer nicht wie angeordnet ausgesetzt hatte.
Da Polen zahlungsunwillig ist, droht dem Land eine Kürzung seiner EU-Hilfen entsprechend der aufgelaufenen Zwangsgelder. Zudem liegen in dem Justizstreit Corona-Hilfen in Höhe von 36 Milliarden Euro für Polen auf Eis. (afp/dl)
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