„Direktwahl“ des EU-Kommissionspräsidenten mit Fragezeichen

Die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden über die Besetzung des Postens des Präsidenten der Europäischen Kommission seit Jahrzehnten im Hinterzimmer.
Titelbild
EU-FlaggeFoto: iStock
Epoch Times5. September 2018

Über Jahrzehnte haben die EU-Staats- und Regierungschefs die Besetzung des Postens des Präsidenten der Europäischen Kommission in Hinterzimmerdeals ausgehandelt.

Durch den Reformvertrag von Lissabon wurde dem EU-Parlament ein Mitspracherecht eingeräumt. Die dortigen Parteien hatten deshalb bei der Europawahl 2014 erstmals „Spitzenkandidaten“ aufgestellt. Dies führte zur Ernennung des Konservativen Luxemburgers Jean-Claude Juncker zum Chef der EU-Kommission.

In Artikel 17 des EU-Vertrags heißt es: Die EU-Staats- und Regierungschefs schlagen dem Europäischen Parlament „einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament.“ Das Parlament muss den vorgeschlagenen Kandidaten dann „mit der Mehrheit seiner Mitglieder“ wählen.

Die Änderung sollte den Europawahlkampf angesichts stetig sinkender Wahlbeteiligung lebhafter und interessanter machen. Unumstritten war das Verfahren aber schon 2014 nicht.

Junckers Europäische Volkspartei (EVP) war damals stärkste Kraft geworden, Großbritanniens Premier David Cameron wollte den Luxemburger nach der Europawahl zunächst noch mit allen Mitteln verhindern. Der Brite drohte dabei sogar mit dem EU-Austritt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zögerte mehrere Tage, bevor sie Juncker unterstützte, und gilt bis heute nicht als begeisterte Unterstützerin des Spitzenkandidaten-Prozesses.

Skeptisch ist auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron: Seine für die Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr gegründete Bewegung La République en Marche ist zu klein, um im Europaparlament alleine Gewicht zu haben. Und die Suche nach Verbündeten unter Europas Parteien hat bisher nicht zu Allianzen geführt. Macron muss deshalb fürchten, dass er in der Frage des künftigen Kommissionschefs nicht mitreden kann.

Die EU-Staats- und Regierungschefs stellten bei ihrem Gipfel im Februar bereits klar, dass es auch 2019 „keinen Automatismus“ in der Frage der Ernennung des Kommissionschefs geben werde. Sie pochten auf die EU-Verträge, wonach sie das alleinige Vorschlagsrecht haben. Ist ihr Kandidat aber kein „Spitzenkandidat“, müssen sie fürchten, dass er im Europaparlament keine Mehrheit bekommt.

Die notwendige mehrheitliche Zustimmung der EU-Abgeordneten bedeutet auch, dass nicht unbedingt der Spitzenkandidat der stärksten Parteienfamilie auf den Posten des Kommissionschefs gesetzt ist. Denn keine Fraktion wird nach den Wahlen über 50 Prozent der Abgeordneten stellen. Bündnisse gegen den Spitzenkandidaten des Wahlsiegers haben also durchaus Chancen, den Kommissionschef zu stellen. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion