Bei der Diskussion um die Impfpflicht hört man wenig von der Resolution 2361/2021 des Europarates. Doch genau in dieser sprach sich Europas führende Menschenrechtsorganisation gegen eine verpflichtende COVID-Impfung aus. Niemand soll „politisch, sozial oder anderweitig unter Druck gesetzt werden, sich impfen zu lassen, wenn er oder sie dies nicht möchte“. Zudem soll nach der Resolution niemand diskriminiert werden, der sich nicht impfen lassen will.
Der Europarat bezeichnet sich selber als „Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“. Welche Bedeutung kommt also dieser Resolution zu? Was passiert, wenn ein Mitgliedstaat gegen sie verstößt? Und wo steht Europa in Bezug auf Menschenrechte in Zeiten von Corona? Hierzu sprach Epoch Times mit einer Volljuristin, die über enge Beziehungen zur EU und zum Europarat verfügt. Um diese Beziehungen sowie die weitere Arbeit nicht zu gefährden, möchte sie anonym bleiben.
Epoch Times: Viele kennen den Unterschied zwischen EU und Europarat nicht. In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
Juristin: Die EU hat 27 Mitgliedstaaten. Sie ist die einzige supranationale Einrichtung, die Rechtsakte setzen kann, die direkt und unmittelbar in den Mitgliedstaaten verbindlich sind. Der Europarat hat 47 Mitgliedstaaten. Er wurde zeitiger als die EU gegründet, und zwar mit der Idee, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Europa voranzubringen. Beim Europarat ist das zentrale Gesetzeswerk die Europäische Menschenrechtskonvention.
Doch während die EU rechtsverbindliche Akte für jeden EU-Bürger setzen kann, muss die Europaratskonvention von den Staaten erst unterzeichnet und ratifiziert werden. Erst dann gilt sie. Die EU und der Europarat kooperieren in vielen Bereichen, es gibt viele Querverbindungen. Selbstverständlich sind die 27 EU-Mitglieder gleichzeitig im Europarat.
Der Europarat deckt aber, abgesehen von Vatikan und Weißrussland, das gesamte geografische Europa und darüber hinaus ab.
ET: Welche Bindungskraft hat eine Resolution des Europarates gegenüber seinen Mitgliedstaaten?
Juristin: Grundsätzlich sind beim Europarat nur die völkerrechtlichen Verträge verbindlich. Also die Verträge, auf die sich die Staaten bewusst verpflichtet haben, in dem sie diese unterschrieben und ratifiziert haben. Die Resolution ist primär eine politische Willenserklärung der Parlamentarier beim Europarat. Sie hat also rechtspolitische Bedeutung, ist aber nicht unmittelbar rechtlich verbindlich. Das wäre das Grundprinzip.
Andererseits ist es natürlich so, dass gerade diese Resolution auf Regeln beruht, die in allen Mitgliedstaaten des Europarats eigentlich Konsens sind. Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit muss man achten, um überhaupt im Europarat Mitglied zu sein. Der Inhalt dieser Resolution ist eigentlich eine Form der Auslegung dieser Regeln.
ET: In welche Richtung weist die Resolution 2361/2021?
Juristin: Die Resolution ist inhaltlich primär pro Impfung. Es wird gesagt, wir haben eine ganz schreckliche Pandemie und wir müssen Lösungen suchen. Die Lösung heißt unter anderem auch Impfung. Interessant ist auch, dass die Resolution ganz glasklar nochmal an die ärztlichen Informations- und Aufklärungspflichten in Bezug auf die Impfung erinnert, gerade vor dem Hintergrund dieser schnellen, bedingten und befristeten Zulassung.
An entscheidender Stelle legt die Resolution die Frage aus, inwieweit eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften zulässig ist. Und es wird ganz klar gesagt, dass diese Ungleichbehandlung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann.
Es besteht sogar ein absolutes Diskriminierungsverbot. In bestimmten Regeln steht, dass Diskriminierung aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Sprache oder was auch immer verboten ist – eben ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Impfstatus laut dieser Resolution.
Das ist der Konsens, der im Parlament von 47 Europarat-Mitgliedstaaten gefunden wurde. Insoweit muss diese Resolution überall, wo es um Auslegung von Recht in Bezug auf die Impfung geht, berücksichtigt werden. Das heißt bei der Justiz, bei Behörden, in der Anwaltschaft und natürlich auch bei den internationalen Institutionen.
ET: Was hat es für eine Signalwirkung, wenn Österreich oder Deutschland ein Jahr später genau in die entgegengesetzte Richtung mit einer Impfpflicht steuern?
Juristin: Das ist glasklar ein Widerspruch zu dieser Resolution. Ich meine, wir befinden uns ohnehin in einem Zustand, in dem all diese Staaten, die in diese Richtung gehen, auch gegen ihre eigenen Verfassungen verstoßen. Ohne Wenn und Aber.
ET: Kann man sich trotz des schnellen, dynamischen Geschehens weiterhin auf die Resolution vom Januar 2021 beziehen?
Juristin: Auf jeden Fall. Aktuell besteht ein Zustand, indem wir ohnehin schon eine indirekte Impfpflicht haben. Die Frage ist: Was war eigentlich die Ausgangslage damals und wie ist sie jetzt? Grundsätzlich haben wir immer die staatliche Verpflichtung, bevor der Staat in Grundrechte eingreift, nach den Regeln der Verhältnismäßigkeit vorzugehen. Dazu gehört auch, erst mal zu prüfen, ob wir wirklich so eine krasse Notlage haben, dass so weitreichende Maßnahmen gerechtfertigt sind.
Wenn jetzt tatsächlich eine epidemische Lage plötzlich daher rollt und man es nicht richtig einschätzen kann, dann lasse ich mir gefallen, dass man von staatlicher Seite zunächst sagt, jetzt ergreifen wir erst mal alle nur denkbaren Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören auch die Entwicklung und der Einsatz eines Impfstoffs. Aber spätestens nach einigen Monaten ist der Staat gehalten, erstens einmal die tatsächlichen faktischen Voraussetzungen dieser angenommenen Notlage zu überprüfen, zu überwachen und zweitens natürlich den Nutzen dieser Maßnahmen zu checken und den Schaden abzuwägen.
Und soweit ich das betrachte, ist das fast nirgendwo auf sachliche, ausgewogene Weise passiert. Auf Grundlage wissenschaftlicher Evidenz ist eigentlich so gut wie nichts unternommen worden und man lässt es einfach weiterlaufen. Man nimmt diese Notlage weiterhin an und greift in Grundrechte ein. Damit verstößt man gegen jeden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
ET: Ist 2G im Einzelhandel bereits ein Verstoß gegen die Resolution?
Juristin: Ja, selbstverständlich. Das ist eine Ungleichbehandlung, die, wenn man genauer hinschaut, ohne sachlichen Grund verhängt wurde. Erstens steht in der Resolution, es darf kein sozialer, politischer oder anderer Druck ausgeübt werden. Der Druck ist immens. Ich kenne schon persönlich unendlich viele Menschen, die sich einfach nur impfen lassen, damit sie alles tun können, was sie vorher auch getan haben.
Es ist natürlich eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung, weil wir heute eindeutig wissen – das kann man auch auf der offiziellen RKI-Website nachlesen –, dass es keine nachgewiesene Wirksamkeit in puncto Pandemie-Eindämmung gibt. Geimpfte können genauso Träger des Virus sein und es weitergeben.
Wenn man schon das Narrativ verfolgt, „man muss sich impfen, um sich zu schützen“, dann können diejenigen, die sich impfen lassen wollen, es tun. Sie sind dann geschützt. Dann kann man auf dieser Grundlage keinen anderen zwingen, sich impfen zu lassen.
Es gibt null Komma null wissenschaftliche Evidenz dafür, dass die Impfung einen wirklichen gesellschaftlichen Mehrwert hat. Abgesehen davon ist der Grundgedanke, der Einzelne muss sich impfen, um die Gemeinschaft zu schützen, schon außerhalb der Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats. Die Gemeinschaft darf nicht über den Einzelnen gestellt werden. Das Recht des Kollektivs darf nicht über die Freiheit des Einzelnen herrschen.
ET: Gibt es irgendwelche Folgen aufgrund von Verstößen gegen die Resolution?
Juristin: Da sind wir wieder beim Problem: Sie ist im engeren Sinne nicht rechtsverbindlich. Aber der Europarat bietet über die Europäische Menschenrechtskonvention eine Einklagbarkeit von Menschenrechten auf der individuellen Ebene. Da gibt es die sogenannte Individualbeschwerde. Das heißt, ein Mensch, der zum Beispiel in Deutschland oder Österreich sich in seinen Grundrechten verletzt fühlt, kann erst mal innerstaatlich klagen, bis hin zur obersten Verfassungsgerichtsbarkeit.
Erst wenn man da verliert, besteht eben die Möglichkeit, mit der Verfassungsklage zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen und dort noch mal einen Anlauf zu machen, die Rechtsposition durchzusetzen. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann natürlich der Betroffene auch auf diese Resolution Bezug nehmen.
ET: Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung. Jetzt werden gesunde Menschen unter Generalverdacht gestellt, andere mit einer Krankheit anzustecken, die in seltenen Fällen zum Tode führen kann. Ist das in dieser Krisensituation gerechtfertigt?
Juristin: Also nehmen wir mal an, wir hätten wirklich eine bedrohliche Pandemie, in der wir Gefahr laufen, dass 30 Prozent der Bevölkerung tatsächlich sterben. Das haben wir zumindest in diesem Ausmaß nicht. Es gibt diese Krankheit selbstverständlich, sie ist auch ernst zu nehmen – wie aber auch andere Krankheiten ernst zu nehmen sind. Dann könnte der Staat zumindest mal vorübergehend sagen, er dürfe da gewisse Maßnahmen ergreifen.
Aber selbst da ist doch in Bezug auf körperliche Eingriffe – und die Impfung ist ein körperlicher Eingriff – grundsätzlich zu fragen, ob man in einen gesunden Organismus eingreifen darf. Geht das ohne Zustimmung dieses Menschen oder darf dieser Mensch unter Druck gesetzt werden? Hat nicht jeder Mensch das Recht, individuell abzuwägen, ob er sich diesem Risiko aussetzt oder dem anderen Risiko? Selbst dann wäre es schon problematisch.
ET: Wie bewerten Sie die gesellschaftliche, die kulturelle Entwicklung?
Juristin: Also ich sehe da ein ganz, ganz großes Grundproblem: Im Moment wird der Ausgangspunkt des Menschenbildes umgepolt.
In diesem durch die Medien und Politik primär etablierten Narrativ ist der Mensch nicht mehr primär Mensch. Er wird nicht mehr betrachtet als Wesen mit einem Immunsystem, das erst mal primär für seine Gesundheit selber verantwortlich ist. Das Immunsystem wird fast ausgeblendet in den Köpfen. Es war immer wichtig, dass wir Menschen in Begegnung sind, um unser Immunsystem zu trainieren. Es wird alles umgepolt. Der Mensch ist jetzt von Haus aus gefährlich und Träger von Viren und Bakterien.
Diese Idee vom Menschen als Gefährder und Störer hat sich schon so in den Köpfen festgesetzt, dass eine Form von Entmenschlichung stattfindet. Das gipfelt darin, dass man Menschen, die nicht geimpft sind, für besonders gefährlich hält. Die Geimpften hält man für die Ungefährlichen, für die Solidarischen.
Jetzt entsteht ein Narrativ, nach dem wir Ungeimpfte wirklich unbegrenzt ausschließen, mit Hatespeech überhäufen, diskriminieren, schlecht machen, zensieren und eigentlich alles dürfen, was bis 2019 in unserer Gesellschaft undenkbar war – und das auf einer wissenschaftlich völlig unhaltbaren Grundlage.
ET: Ist es verhältnismäßig, alle Menschen zu impfen, um eine kleinere vulnerable Gruppe zu schützen?
Juristin: Wenn man sagen würde, eine große Menge muss sich einem Risiko aussetzen, um die Vulnerablen zu retten – dann wägt man Menschenleben gegeneinander ab.
Schon vom Ansatz her ist es wissenschaftlich wahrscheinlich nicht wirklich zu Ende gedacht oder zu Ende diskutiert, ob dieser Schutz überhaupt funktioniert. Aber selbst wenn wir annehmen, dass er funktioniert, darf unser Staat den Einzelnen nicht zwingen, sich zur Verfügung zu stellen, andere zu schützen. Das ist gegen die Grundlagen unseres Rechtsstaates.
Ja, es gibt natürlich eine gewisse Sozialverpflichtung des Einzelnen für die Allgemeinheit. Meine Individualrechte sind dort begrenzt, wo die Rechte meines Mitmenschen beginnen. Aber das heißt nicht, dass der Einzelne quasi zu einem unbegrenzten Opfer bereit sein muss, um eine andere Gruppe zu retten.
Ein Beispiel. Es gab ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zu dem neuen Luftsicherheitsgesetz, was nach 9/11 erlassen wurde. Damals hatte die Bundesregierung vor – wenn ein analoger Fall in Deutschland eintreten würde, also zum Beispiel ein Flugzeug über einem Atomkraftwerk zum Absturz gebracht werden soll – ein Gesetz zu verabschieden, dass man solch ein Flugzeug abschießen darf, um ganz viele andere damit zu schützen. Dieses Gesetz wurde völlig zu Recht vom Bundesverfassungsgericht gekippt.
Der Staat darf nicht eingreifen in Menschenleben, um mehrere oder andere zu retten. Das ist schon ein Verstoß gegen den Grundsatz der Würde des Menschen. Und das sehe ich parallel zu dieser direkten oder indirekten Verpflichtung.
Es darf dem Einzelnen nicht aufgebürdet werden, ein Risiko einzugehen, für das er nicht bereit ist, um eine kleine Gruppe zu retten. Noch dazu haben wir ohnehin ganz viele Alternativen zu dieser Impfung – ganz viele Möglichkeiten, diese Menschen zu schützen, ohne eine direkte oder indirekte Verpflichtung damit zu verknüpfen.
ET: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Menschenrechte in Deutschland und auf europäischer Ebene in den letzten zwei Jahren?
Juristin: Katastrophal. Also ich habe vom Prinzip her nichts gegen Einschränkungen in Notlagen. Bei den ganzen Corona-Maßnahmen hätte ich vielleicht sogar – wenn ich verantwortlich wäre – zunächst auch gesagt, „jetzt mal Vorsicht. Jetzt mal lieber zu Hause bleiben, jetzt mal lieber schließen, Masken verordnen“ und so weiter. Aber ab einem bestimmten Punkt stünde unser Staat in der Pflicht, zu überprüfen.
Wenn ich massenweise Kindern diese Maske verordne, muss ich objektiv überprüfen: Haben diese Masken überhaupt einen Nutzen? Oder haben die womöglich auf lange Sicht einen Schaden für diese Kinder? Genauso bei anderen Menschen, die jetzt immer zum Tragen der Maske verpflichtet sind. Gleiches gilt umso mehr bei der Impfung.
Doch dies geschieht nach meiner Beobachtung so gut wie überhaupt nicht. Es wird blind verordnet, es wird blind geregelt.
Das Infektionsschutzgesetz in seiner heutigen Form hat ja schon einen Teil der Verwaltungsgerichtsbarkeit irgendwie umgangen und ausgehebelt. Es geschehen Dinge, die ich mir bis 2019 nicht im Traum hätte vorstellen können. Viele Teile der Gesetzgebung verstoßen gegen unsere Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Das Interview führte Alexander Zwieschowski.
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