Deal mit den USA – WikiLeaks: Assange auf dem Weg in die Freiheit

Seit vielen Jahren läuft ein erbittertes juristisches Tauziehen um Wikileaks-Gründer Julian Assange. Nun überschlagen sich die Ereignisse plötzlich.
Titelbild
Das Flugzeug mit Wikileaks-Gründer Julian Assange an Bord ist am 25. Juni 2024 auf dem Rollfeld des Don Mueang International Airport in Bangkok. Es wird in Bangkok auftanken, bevor es zu den Nördlichen Marianen fliegt, einem US-Territorium im Pazifik.Foto: Manan Vatsyayana/AFP via Getty Images
Epoch Times25. Juni 2024

Im jahrelangen rechtlichen Gezerre um den WikiLeaks-Gründer Julian Assange gibt es eine überraschende Wende. Nach fünf Jahren Haft in London kam Assange nach Angaben von WikiLeaks – unbemerkt von der Öffentlichkeit – aus dem Gefängnis frei und reiste aus Großbritannien aus. Das Portal veröffentlichte in der Nacht ein 13-sekündiges Video, in dem unter anderem zu sehen ist, wie Assange eine Treppe in ein Flugzeug hinaufsteigt.

Assanges Frau Stella schrieb im Onlinedienst X, „Julian ist frei!!!“. Die australische Regierung begrüßte das Ergebnis, erklärte jedoch, der Fall habe sich zu lange hingezogen.

Eine offizielle Bestätigung der britischen Behörden lag zunächst nicht vor. Hintergrund ist ein juristischer Deal zwischen Assange und der US-Justiz, die zuvor auf eine Auslieferung des Australiers in die Vereinigten Staaten gepocht hatte – davon nun aber absehen will.

Der Deal mit den USA

Assange handelte mit dem US-Justizministerium eine Vereinbarung aus, wonach er sich in dem Spionageskandal teils schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Haft in den USA erspart bleibt, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht.

Laut seiner Frau Stella ist Assange ein „freier Mann“, wenn ein US-Richter den zuvor geschlossenen Deal unterschrieben hat.

Assange soll dazu bereits an diesem Mittwoch (Ortszeit) vor einem Gericht in einem entlegenen US-Außengebiet erscheinen: auf den Marianeninseln.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange am 11. April 2019. Foto: Jack Taylor/Getty Images

Die Inselgruppe liegt im Westpazifik, nördlich von Assanges Heimat Australien, und steht unter Hoheitsgewalt der USA. In einem Brief des US-Justizministeriums heißt es, der Ort sei gewählt worden, da Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe nahe an Australien liege.

Assange wurde zunächst mit einem Flugzeug nach Bangkok gebracht, wo ein geplanter Zwischenstopp zum Tanken eingelegt wurde. Von dort soll es nach Saipan weitergehen, der Hauptstadt des US-Territoriums im Pazifik, in dem Assange vor Gericht erscheinen soll.

Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen werde. Im Anschluss solle er nach Australien weiterreisen. US-Medien zufolge soll Assange zu gut fünf Jahren Haft verurteilt werden – die er aber bereits in Großbritannien verbüßt hat. Demnach wäre er in Kürze ein freier Mann.

Die Vorwürfe gegen Assange

Die USA hatten bisher Assanges Auslieferung verlangt. Sie werfen ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen des Aufdeckens von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington. Bei einer Verurteilung ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Außenansicht des HMP Belmarsh, des Gefängnisses, in dem Julian Assange seit fünf Jahren ohne Verurteilung inhaftiert ist, London, 20. Mai 2024. Foto: Carl Court/Getty Images

WikiLeaks schrieb auf X, es habe lange Verhandlungen mit dem US-Justizministerium gegeben. Die erreichte Einigung sei noch nicht finalisiert.

Nach mehr als fünf Jahren „in einer zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war“ werde Assange aber bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und den beiden gemeinsamen Kindern vereint werden, „die ihren Vater bislang nur hinter Gittern kennen“.

Die Odyssee des WikiLeaks-Gründers

Assange war zwölf Jahren lang eingesperrt. Sieben Jahre lang fand er Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London, weitere fünf Jahre verbrachte er im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Die britischen Strafverfolgungsbehörden hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen.

Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern seit langem Assanges sofortige Freilassung.

Die Einigung erfolgt zwei Wochen vor einer wichtigen Anhörung vor der britischen Justiz ab dem 9. Juli. Bei dem Berufungsverfahren sollte es um die Auslieferung von Assange an die USA gehen.

Nach einer Gerichtsentscheidung hatte die britische Regierung im Juni 2022 Assanges Auslieferung zugestimmt. In den Vereinigten Staaten drohten ihm nach dem Spionagegesetz bis zu 175 Jahre Haft.

Für eine Freilassung Assanges setzen sich weltweit Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ein.

Für eine Freilassung Assanges setzen sich weltweit Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ein. Foto: Manu Fernandez/AP

Auch die australische Regierung hatte sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers eingesetzt.

US-Präsident Joe Biden weckte kürzlich etwas Hoffnung in diese Richtung. Er sagte auf die Frage, ob die USA ein australisches Ersuchen prüfen wollten, die Strafverfolgung gegen Assange einzustellen: „Wir erwägen das.“ Es gab also zwar Anzeichen für eine mögliche politische Lösung – das Timing dafür überraschte nun jedoch.

Assange hatte zuletzt in Großbritannien Berufung gegen seine Auslieferung in die USA eingelegt. Eigentlich sollte darüber im Juli vor dem High Court in London verhandelt werden. Dieser hatte einem entsprechenden Antrag Assanges im Mai teilweise stattgegeben und damit eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die USA abgewendet.

Die „neue Phase der Freiheit“

Stella Assange rief Unterstützer zu Hilfe für ihren Mann nach seiner Freilassung auf. „Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung“, sagte sie in einem Videoclip, der in der Nacht auf YouTube veröffentlicht wurde. Assanges Team hatte zuletzt wiederholt gewarnt, der Gesundheitszustand des WikiLeaks-Gründers sei schlecht. An Gerichtsterminen nahm er deshalb nicht persönlich teil.

„Ich bitte Euch, wenn Ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen“, sagte Stella Assange weiter. Das Video wurde den Angaben zufolge am 19. Juni aufgezeichnet. WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagte darin: „Wenn Ihr dies seht, heißt das, dass er draußen ist.“

In einem Video hat Stella Assange (l) zur Hilfe für ihren Ehemann nach dessen Freilassung aufgerufen.

In einem Video hat Stella Assange (l.) zur Hilfe für ihren Ehemann nach dessen Freilassung aufgerufen. Foto: Kin Cheung/AP/dpa

„Martyrium meines Sohnes findet endlich ein Ende“

Die Mutter von Julian Assange hat den vielen Unterstützern gedankt, die sich jahrelang für den Australier eingesetzt haben. „Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich ein Ende findet“, zitierte der australische Sender ABC aus einer Mitteilung von Christine Assange. „Das zeigt, wie wichtig und mächtig stille Diplomatie ist.“

Assanges Vater John Shipton sagte der ABC, alles deute darauf hin, dass sein Sohn nach Australien zurückkehren könne: „Soweit ich es verstehe, wird Julian ein normales Leben mit seiner Familie und seiner Frau Stella führen können.“

Shipton dankte allen Unterstützern und speziell dem australischen Premierminister Anthony Albanese. Der Regierungschef, der sich für eine Lösung in dem Fall eingesetzt hatte, äußerte sich bisher nicht öffentlich. (dpa/red)



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