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Corona-Krise spaltet Vereinte Nationen im Jubiläumsjahr

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Vereinte Nationen in New York.

Foto: iStock

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Lesedauer: 4 Min.

Die Vereinten Nationen feiern am Montag ihr 75-jähriges Bestehen unter dem Motto „Multilateralismus ist keine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit“. Doch gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie zerbrechlich die internationale Zusammenarbeit gegenwärtig ist.
Das Jubiläum fällt mit dem Auftakt der jährlichen UN-Vollversammlung zusammen, für die gewöhnlich Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter aus fast 200 Ländern in New York zusammenkommen. Dieses Jahr aber wird der schier endlose Konvoi an Limousinen vor dem UN-Hauptquartier in New York ausbleiben. Pro Land ist nur ein Vertreter zugelassen. Alle anderen, darunter zwischen 160 und 170 Staats- und Regierungschefs, die Reden geplant haben, werden per Video zugeschaltet.
Am Dienstag sollen Russlands Präsident Wladimir Putin, US-Präsident Donald Trump sowie ihr chinesischer Amtskollege Xi Jinping per Video-Übertragung sprechen. Am Mittwoch ist Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro an der Reihe.

Guterres: „Diplomatie braucht den persönlichen Kontakt, um effektiv zu sein“

UN-Generalsekretär António Guterres bedauerte, die Staats- und Regierungschefs nicht persönlich zusammenbringen zu können. „Diplomatie braucht den persönlichen Kontakt, um effektiv zu sein“, sagte er. Es solle aber „viele virtuelle Treffen“ am Rande der Vollversammlung geben, etwa zu den Themen Klimawandel, Biodiversität und den Krisen in Libyen und dem Libanon.
Zu Beginn der Vollversammlung wird es anlässlich des 75. Jubiläums der Weltorganisation eine gemeinsame Erklärung geben, über die im Vorfeld lange verhandelt wurde. Es ist ein Papier voller guter Absichten und eine Erklärung gegen den Unilateralismus.
Sie steht damit im Widerspruch zu der Tatsache, dass gerade während der Corona-Pandemie viele Staaten auf eigene Faust handelten, Grenzen schlossen und sich mit Kooperation schwer taten. Bertrand Badie, Professor am Institut für politische Studien in Paris, sieht im Umgang mit der Corona-Krise eine verpasste Chance, die internationale Kooperation zu stärken.
Stattdessen sei die internationale Zusammenarbeit durch Vorwürfe und den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO schwer beschädigt worden. Das Verhalten der Supermächte habe zu einem Scheitern des UN-Sicherheitsrats geführt, der genau in solchen weltweiten Krisen eine Führungsrolle übernehmen sollte, sagte Badie. Das sei ein „sehr schlechtes Zeichen für die Zukunft“.

Corona-Krise macht Probleme des UN-Systems deutlich

Die gemeinsame Erklärung gesteht „Momente der Enttäuschung“ in der 75-jährigen Geschichte der UNO ein. „Unsere Welt ist noch nicht die, die sich unsere Gründer vor 75 Jahren vorgestellt hatten“, heißt es dort unter Verweis auf wachsende Ungleichheit, Armut, Hunger, bewaffnete Konflikte, Terrorismus und den Klimawandel.
Doch die Erklärung betont auch, dass die UNO seit ihrer Gründung in Dutzenden Konflikten vermittelt, durch humanitäre Hilfe hunderttausende Leben gerettet, die Entkolonialisierung vorangetrieben, Freiheitsrechte unterstützt, Krankheiten besiegt und Millionen von Kindern Zugang zu Bildung verschafft habe. Angesichts der Corona-Krise gebe es eine „historische Chance, den Wiederaufbau besser und grüner“ zu gestalten.
Doch gerade die Corona-Krise hat die Probleme des UN-Systems deutlich gemacht. Die Organisation werde durch Machtkämpfe gelähmt, deren Fundament bereits bei der Gründung der Organisation gelegt wurden. Rivalitäten wie etwa zwischen den Weltmächten China und USA blockieren die Organisation.
Für Reformen wäre die Zustimmung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates erforderlich – also der USA, Chinas, Russlands, Frankreichs und Großbritanniens. Diese fünf aber würden sich dagegen wehren, weil Reformen „zu einer Überholung der internationalen Gemeinschaft und dem Verlust ihrer Privilegien“ führen würden, sagte Badie.
„Ich bin pessimistisch, was die Chancen für eine echte UN-Reform angeht“, sagte der UN-Experte Richard Gowan von der International Crisis Group. Er sehe die für Reformen nötige Kompromissbereitschaft zwischen den USA und China derzeit nicht. (afp)

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