Belgien hat derzeit die höchste Corona-Todesrate weltweit
Belgien meldet derzeit rund 6000 Todesfälle in Bezug auf COVID-19. Gemessen am Verhältnis zur Einwohnerzahl sind das so viele Menschen wie in keinem anderen Land der Welt. Woran liegt das?

Belgiens Premierministerin Sophie Wilmès am 15. April 2020 in Brüssel.
Foto: POOL DIDIER LEBRUN/BELGA MAG/AFP via Getty Images
Im EU-Land Belgien wurden vergangene Woche die strengen Ausgangsbeschränkungen um zwei Wochen bis zum 3. Mai verlängert. Zwar gingen die Erstaufnahmen in Krankenhäusern zurück und haben sich seit Beginn der Krise sogar halbiert, doch Premierministerin Sophie Wilmès machte deutlich, dass die Krise noch nicht überstanden sei. Selbst wenn die Geschwindigkeit der Virus-Ausbreitung verlangsamt wurde:
„Das ist der Lohn unserer Anstrengungen. Unsere Krankenhäuser können jeden aufnehmen. Trotzdem bleiben die Zahlen auf der Intensivstation hoch und es gibt noch immer täglich Tote.“
In dem Elf-Millionen-Einwohner-Land sind laut der John Hopkins-Universität bisher beinahe 6000 Menschen an Corona gestorben – über 1000 mehr als in Deutschland (Stand: 21.4., 17:00 Uhr). Insgesamt haben sich in dem Land inzwischen über 40.000 Menschen mit dem neuartigen Virus infiziert.
Verdachtsfälle werden mitgezählt
Doch warum ist die Zahl der Corona-Todesopfer in Belgien mit 51,4 pro 100.000 Einwohner so viel höher als bei den europäischen Nachbarn? Nach eigenen Angaben ist die belgische Regierung auf „maximale Transparenz“ aus. Wissenschaftsjournalist Koen Wauters erklärt die Zahl im flämischen Fernsehen so:
„Wir zählen auch Verdachtsfälle. Das sind zum Beispiel Menschen, die in einem Seniorenheim krank werden, in dem andere bereits gestorben sind.“
Somit wird in den 1500 Altersheimen des Landes jeder Todesfall mitgezählt, bei denen ein Zusammenhang mit dem Virus vermutet wird. Ein positiver Test ist dazu nicht zwingend notwendig.
Bei den europäischen Nachbarländern ist das anders. Laut Informationen des „Focus“ ist die Testrate in Heimen europaweit niedrig. Frankreich und Großbritannien beginnen erst damit, Corona-Todesfälle in Pflegeheimen überhaupt in ihre Statistik aufzunehmen.
Kritik an Zählweise und mangelhafte Schutzausrüstung
Der Virologe Marc van Ranst kritisiert die Praxis in seinem Land: „Wir zählen fast jeden mit, der derzeit in einem Seniorenheim stirbt. Und jeden Tag sterben dort Hunderte. Die beeinflussen alle die Statistik – wegen eines möglichen Verdachts auf Corona. Ich finde das dumm!“
Ein zusätzlicher Grund für die hohe Todesrate in Heimen ist womöglich auch auf die mangelhafte Schutzausrüstung des Personals zurückzuführen. Die Tageszeitung „Le Soir“ berichtete, dass die hohen Infektionszahlen beim Pflegepersonal dazu geführt haben, dass sich das Virus unter den Heimbewohnern ausbreiten konnte. Pfleger und Mitarbeiter haben wochenlang ohne geeignete Schutzausrüstung gearbeitet. Bis heute fehle es in den Heimen oftmals an Schutzausrüstung.
Dass die belgische Zählweise irreführend sei, gestand auch die Premierministerin ein. Belgien habe sich dafür entschieden, bei der Zahl von Todesfällen, die mit Corona zu tun haben – oder vielleicht zu tun haben – so transparent wie möglich zu sein, sagte Wilmès. Es habe sich aber gezeigt, dass dadurch die Zahlen überschätzt werden. Nun werde anders gezählt. (rm)
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