Belarus: Regierungvertreter fordert Lagerhaft für Teilnehmer an nicht genehmigten Massenveranstaltungen

Internierungslager nach Gulag-Vorbild und bei Bedarf tödliche Schüsse auf Angehörige der Opposition: Das soll der stellvertretende Innenminister von Weißrussland und frühere Chef einer Sondereinheit mit Blick auf Demonstranten im Oktober 2020 angeregt haben.
Titelbild
Frauen in den Farben der früheren weiß-roten weißrussischen Flagge bei einem Protest gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Weißrussland am 16. Dezember 2020 in Minsk.Foto: -/AFP via Getty Images
Von 19. Januar 2021

Wie die der Opposition in Weißrussland nahe stehende Plattform „Belsat“ berichtet, soll ein namhafter Verantwortungsträger der Sicherheitskräfte des Staates Einsatzkräften ein harsches Vorgehen gegen Demonstranten, die gegen das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko protestieren, empfohlen haben. Dies geht aus Tonbandaufnahmen hervor, welche die Gruppe By_Pol veröffentlichte hatte.

Nikolai Karpenkow, der stellvertretende Innenminister und frühere Chef einer Sondereinheit, soll demnach Sicherheitskräften geraten haben, bei Einsätzen schwere Verletzungen oder sogar den Tod von Protestteilnehmern in Kauf zu nehmen. Zudem solle es eine Art Gulag für „besonders aufsässige“ geben.

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Weißrusslands Präsident Lukaschenko soll Gewalt selbst autorisiert haben

Bei By_Pol finden sich ehemalige Angehörige der Polizei zusammen, die infolge des Vorgehens gegen Regierungskritiker im Land ihren Dienst quittiert haben. Sie haben nun eine Audioaufnahme veröffentlicht, auf der ein Vorgesetzter Sicherheitsbeamten Instruktionen zum Umgang mit Demonstranten gegen die Regierung gibt.

Diese sollen demnach von Lukaschenko selbst autorisiert worden sein. Bei dem Sprecher handelt es sich um jemanden, dessen Stimme stark jener von Karpenkow ähnelt. Das Gespräch soll im Oktober des Vorjahres stattgefunden haben. Bereits zuvor hatten seit August in mehreren Städten Anhänger der Opposition gegen den mutmaßlich durch Wahlbetrug begünstigten Erdrutschsieg Lukaschenkos bei der Präsidentenwahl demonstriert.

Getöteter Demonstrant als „Trunkenbold und Depp“ bezeichnet

Karpenkow bezeichnete die Demonstranten in der Tonbandaufnahme als „überflüssige Menschen“, die „im Grunde Terroristen“ seien. Der Regierungsbeamte verhöhnte zudem ein Todesopfer der Proteste. Wörtlich bezeichnete er den von einem Gummigeschoss tödlich getroffenen Aleksander Tarajkouski als „Trunkenbold und Depp“, der „durch ein Gummigeschoss auf seine Brust ausgelöscht worden ist“.

Die weißrussischen Behörden bestätigten den Tod des Mannes. Offiziell wurde jedoch als Todesursache angegeben, dass dieser im Begriff gewesen sei, einen Sprengkörper auf Polizeibeamte zu werfen, der in seiner Hand explodiert sei. Später aufgetauchte Videoaufnahmen vermochten diese Darstellung nicht zu erhärten.

„Wenn er dann nur noch sein halbes Hirn hat – geschieht ihm recht“

Der Beamte erklärte zudem, Lukaschenko habe alle Sicherheitskräfte dazu autorisiert, gegen jedermann, der sich ihnen nähere, Waffengewalt zu nutzen. Diesbezüglich gab er auch genauere Anweisungen:

„Feuert auf der Stelle. Zielt auf Füße, den Bauch, die Hoden, so, dass derjenige, wenn er wieder zu sich kommt, merkt, was er getan hat. Nun, ihr habt folgende Optionen: ihn verletzen, ihn dauerhaft verstümmeln oder töten. Schießt auf die Stirn, genau auf die Stirn, oder ins Gesicht: danach steht der nicht mehr so schnell auf. Es kann zwar sein, dass er wiederbelebt wird, aber dann hat er möglicherweise nur noch sein halbes Gehirn – geschieht ihm aber recht, denn jeder, der jetzt auf den Straßen ist, […] ist nichts anderes als ein Terrorist. Diese Leute sind nur Ballast in unserem Land. Und das Thema haben wir heute in kleiner Runde unter Leitung des Staatsoberhauptes diskutiert.“

Zwangsarbeit als Element des geplanten Gulag

Zudem teilte der von By_Pol als Minister Karpenkow identifizierte Sprecher mit, dass angeordnet worden sei, ein Lager zu planen und zu errichten. Dabei solle es sich um eine Einrichtung für „besonders aufsässige“ handeln, das auch mit Stacheldraht gesichert werden soll.

Die Namen potenzieller Insassen seien bereits jetzt in einer Datenbank des Innenministeriums abgespeichert. Es handele sich vorwiegend um Personen, die zuvor wegen der „Teilnahme an nicht genehmigten Massenveranstaltungen“ auffällig geworden seien. Karpenkow sprach von einem „Umsiedlungslager“, in dem die Inhaftierten gezwungen werden sollten, zu arbeiten.

Auf Twitter äußerte sich Oppositionsführerin Swjatlana Zichanouskaja zu den Enthüllungen mit den Worten:

„Der stellvertretende Innenminister Weißrusslands sagt, er plane ein Lager für Menschen zu bauen, die lediglich ihr verfassungsmäßiges Recht auf friedlichen Protest gegen Gesetzlosigkeit ausüben wollen. Könnt ihr euch so etwas in eurem Land vorstellen?“

 



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