Baldiges Kriegsende ausgeschlossen: Israel auf der Spur von Hamas-Anführer al-Sinwar
Während im Gaza-Krieg eine neue Verhandlungsrunde über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln offenbar noch keinen Durchbruch gebracht hat, ist Israels Armee auf den Spuren des Hamas-Anführers im Gazastreifen.
Das Militär veröffentlichte ein Video, das Jihia al-Sinwar mit Angehörigen auf der Flucht in einem unterirdischen Tunnel der Hamas zeigen soll.
Sollte die Aufnahme authentisch sein, wären dies seit Kriegsbeginn die ersten Bilder von Al-Sinwar. Wo er und sein Führungsstab sich heute aufhalten, ist unbekannt.
„Die Jagd nach Al-Sinwar wird nicht enden, bis wir ihn fassen, tot oder lebendig“, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.
Derweil haben sich ranghohe Vertreter aus den USA, Israel, Katar und Ägypten bei einem Treffen in Kairo Medienberichten zufolge auf eine Fortsetzung der am Dienstag aufgenommenen Gespräche über eine neue Feuerpause um weitere drei Tage verständigt.
Israels Armee: Verlassenes Versteck von Al-Sinwar gefunden
Das von Israels Militär veröffentlichte Video sei am 10. Oktober – also drei Tage nach Beginn des Gaza-Kriegs – von einer Überwachungskamera in einem der Tunnel der Hamas aufgenommen worden, hieß es. Auf der kurzen Aufnahme ist ein Mann von hinten zu sehen, der den von der Kamera erfassten Tunnelabschnitt durchschreitet und dessen Silhouette der von Al-Sinwar ähnelt.
Nach Darstellung des Militärs soll es sich bei den weiteren zu sehenden Personen um Al-Sinwars Frau und Kinder handeln. Die einzige Person, die von vorn zu sehen ist, soll Al-Sinwars Bruder Ibrahim sein.
Die Echtheit des Videos ließ sich zunächst nicht unabhängig bestätigen. Es zeige angeblich, wie der Hamas-Kriegsherr mit seinen Angehörigen gerade „fliehe“, hieß es.
Israels Armee will zudem auf ein Versteck von Al-Sinwar gestoßen sein. In dem Tunnelabschnitt unter der seit Wochen umkämpften Stadt Chan Junis im Süden Gazas habe er mit seiner Familie und einigen seiner Leute gelebt, während über ihnen der Krieg tobte, teilte Hagari mit und veröffentlichte dazu ein weiteres kurzes Video von einem Rundgang durch das mutmaßliche Versteck.
Darin zeigt ein israelischer Soldat einen Raum, in dem Al-Sinwar gewohnt habe, samt einem Tresor voller Banknoten in israelischer und US-Währung in Millionenhöhe. Die Angaben zum Video ließen sich nicht unabhängig prüfen.
Zu dem Komplex gehörten Toiletten und Duschen, eine Küche, wo sich Vorräte für eine lange Zeit befunden hätten, sowie ein Raum für Leibwächter samt Waffen und Munition. Al-Sinwar und seine Leute seien geflüchtet, als sie gehört hätten, dass sich Israels Militär näherte. „Wir sind entschlossen, ihn zu fangen, und wir werden ihn fangen“, sagte Hagari.
Tote nach Raketeneinschlag in Nordisrael
Bei einem Raketeneinschlag in der Stadt Safed im Norden Israels ist israelischen Medienberichten zufolge eine Frau getötet worden. Der Angriff sei aus dem Nachbarland Libanon gekommen, meldeten Medien ferner unter Berufung auf den Leiter des Rettungsdienstes Magen David Adom (MDA), Eli Bin.
Zuvor hatte der Rettungsdienst bereits sieben Verletzte durch den Raketeneinschlag gemeldet. Die Verletzten seien bei Bewusstsein und in ein Krankenhaus gebracht worden.
Israelische Medien meldeten Stromausfälle in dem Ort in Galiläa mit rund 40.000 Einwohnern. Das israelische Militär hatte am Mittwochmorgen mehrfach Raketenalarm im Norden des Landes gemeldet. Es war zunächst unklar, von wem die Raketenangriffe ausgingen.
Generalstabschef schließt baldiges Kriegsende aus
Israels Generalstabschef Herzi Halevi hat ein baldiges Ende des Kriegs ausgeschlossen. „Unsere militärischen Ergebnisse sind hervorragend“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Aber es ist noch ein langer Weg, bis wir die Kriegsziele erreichen können.“
Um diesen näherzukommen, müsste seinen Worten zufolge die Hamas-Führung um Al-Sinwar ausgeschaltet und noch mehr Kommandeure und Terroristen der islamistischen Miliz getötet werden. Die noch mehr als 130 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas müssten ihre Freiheit wiedergewinnen.
Geflohene palästinensische Zivilisten, die sich derzeit zu Hunderttausenden in der Stadt Rafah am südlichen Ende des Gazastreifens zusammendrängten, müssten in Sicherheit zurückkehren können. Israels Armee plant derzeit eine Offensive auf die an Ägypten grenzende Stadt und will die Zivilisten dort evakuieren.
Der Generalstabschef ging auch auf die gewaltsame und erfolgreiche Befreiung von zwei israelischen Geiseln in Rafah ein. Elitekommandos der Polizei und der Armee hatten in der Nacht zum Montag zwei in Geiselhaft gehaltene Männer aus einem Haus in Rafah geholt, ohne dass sie oder beteiligte Soldaten verletzt worden wären.
Riskante Einsätze dieser Art würden die Streitkräfte „jede Woche“ durchführen. „Dieses Mal hatten wir Erfolg. Andere Versuche gelangen nicht oder scheiterten sogar; wir werden nicht aufhören, es zu versuchen, und wir werden es auf verantwortliche Weise tun“, sagte Halevi weiter.
Gespräche über neue Feuerpause gehen weiter
Unterdessen gehen die Bemühungen um eine neue Feuerpause sowie um einen Austausch weiterer Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel weiter. Spitzenvertreter aus den USA, Israel, Katar und Ägypten konnten zwar bei einem Treffen in Kairo keine Einigung erzielen, hätten sich aber auf eine Verlängerung der Gespräche um drei Tage verständigt, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten ägyptischen Beamten.
Der Tenor der Gespräche sei „positiv“. Sie sollen demnach nun von Beamten auf niedrigerer Ebene fortgesetzt werden, hieß es. Auch die Zeitung „Times of Israel“ berichtete über eine Verlängerung der Verhandlungen.
Israels Delegation unter Leitung des Chefs des Geheimdienstes Mossad, David Barnea, habe Kairo wieder verlassen, berichtete die israelische Zeitung in der Nacht unter Berufung auf einen Vertreter des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiter.
Bezüglich der Dauer einer möglichen Feuerpause sowie der Anzahl freizulassender palästinensischer Häftlinge für jede freikommende Geisel gäbe es weiterhin eine Kluft zwischen den Positionen beider Konfliktparteien, berichtete die Zeitung „Wall Street Journal“ unter Berufung auf ägyptische Beamte.
Israel habe die Bedingungen der Hamas als unrealistisch bezeichnet. Hamas-Vertreter nahmen nicht an den Gesprächen in Kairo teil.
Noch 134 Geiseln in der Hand der Hamas
Mossad-Chef Barnea hatte sich dort am Vortag mit Katars Ministerpräsident und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie CIA-Geheimdienstchef William Burns getroffen. Die israelische Delegation sei bei den Gesprächen in Kairo „zum Zuhören“ dabei gewesen.
Ein neues Angebot habe man in Kairo nicht unterbreitet, berichtete die Zeitung „Times of Israel“. Während einer einwöchigen Feuerpause im vergangenen November waren 105 Geiseln freigelassen worden, im Gegenzug für 240 palästinensische Häftlinge. Schon bei dieser Feuerpause hatten Ägypten, Katar und die USA vermittelt.
Derzeit befinden sich noch 134 Menschen in der Gewalt der Hamas, von denen aber nach israelischer Schätzung mindestens 30 nicht mehr am Leben sein dürften. Die Zahl der Getöteten könnte nach Medienberichten aber inzwischen auch schon bei 50 liegen.
Außenministerin Annalena Baerbock besucht erneut Israel. Nach Angaben des Auswärtigen Amts soll der politische Weg hin zu einer neuen humanitären Feuerpause im Gazastreifen im Fokus stehen, um ein Zeitfenster für die Freilassung weiterer Geiseln und Verhandlungen über einen nachhaltigen Waffenstillstand zu schaffen. Ferner soll es auch um die schwierige humanitäre Lage in Rafah sowie im Gazastreifen insgesamt gehen. (dpa/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion