Anschläge auf KKW Saporischschja geplant? IAEA untersucht Reaktoren auf Sprengstoff

Es ist das größte Kernkraftwerk Europas – und gleichzeitig das mit der wohl größten Gefahr eines Super-GAUs. Wird das KKW Saporischschja in der Ukraine gleichermaßen wie Tschernobyl und Fukushima in die Geschichte eingehen oder ist die Sorge unbegründet?
Titelbild
Die Kühltürme des Kernkraftwerks Saporischschja in der Ukraine.Foto: iStock
Von 8. Juli 2023

Vor einem Monat sorgte die Sprengung des Kachowkaer Staudamms am Dnepr in der Südukraine international für Schlagzeilen. Viele befürchteten, dass durch den sinkenden Wasserpegel des Stausees die Gefahr eines Super-GAUs des größten europäischen Kernkraftwerks (KKW) bestünde. Das KKW Saporischschja ist zwar seit Juni inaktiv, allerdings müssen die Betreiber die Brennstäbe weiterhin dauerhaft mit Wasser kühlen.

Der rund 40 Quadratkilometer große künstliche Kühlteich des KKW konnte rechtzeitig vor dem sinkenden Stausee abgeschottet werden. Das Wasser würde laut dem ZDF noch monatelang für die Kühlung der Brennstäbe ausreichen. Zudem könne dies auf mehrere Wege nachgefüllt werden. Das eigentliche Problem ist die Stromversorgung für die Pumpen, die den Kühlkreislauf in Gang halten. Würden diese – etwa durch einen Anschlag – ausfallen, wäre dies fatal. Deshalb stehen auf dem Gelände für den Ernstfall Dieselgeneratoren bereit.

Gegenseitige Vorwürfe

Moskau und Kiew werfen einander vor, einen Anschlag auf das KKW Saporischschja vorzubereiten. Beide Seiten warnen vor einer Katastrophe. Das umkämpfte Gebiet Saporischschja wird teils von der Ukraine, teils von Russland kontrolliert.

Das ukrainische Militär warf den russischen Besatzern unter anderem vor, „sprengstoffähnliche Gegenstände“ auf den Dächern zweier Reaktoren angebracht zu haben. Ihre Detonation solle „den Eindruck eines Beschusses von ukrainischer Seite“ erwecken. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte am Dienstag in seiner allabendlichen Fernsehansprache die gleiche Aussage und warf Russland einen geplanten Anschlag vor.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte wiederum vor einem „subversiven Akt durch das Regime in Kiew“. In Moskau hatte Rosatom-Berater Renat Karscha der ukrainischen Armee im Fernsehen vorgeworfen, sie plane, das KKW Saporischschja nachts anzugreifen und dabei „Präzisionswaffen mit großer Reichweite“ sowie Drohnen einzusetzen.

Grossi: IAEA macht „Fortschritte“ bei KKW-Inspektion

Um ein besseres Bild von der Lage zu bekommen, inspizierte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) das Gelände der Anlage. Nach eigenen Angaben macht die IAEA „Fortschritte“ bei ihrer Untersuchung mehrerer Teile der sechs ukrainischen Reaktoren. „Ich denke, wir machen Fortschritte“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Freitag, 7. Juli, bei einem Besuch in Tokio. „Wir konnten die Besichtigungen der Kühlbecken und anderer Orte abschließen.“ Das Personal habe „keine Hinweise auf Sprengstoff oder Minen“ finden können.

Allerdings konnten Grossi zufolge die IAEA-Mitarbeiter die Dächer der Anlage bislang noch nicht besichtigen. „Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir diese Genehmigung erhalten werden“, führte der IAEA-Chef fort. „Das ist ein Kampfgebiet, ein aktives Kriegsgebiet, daher kann es manchmal ein oder zwei Tage dauern, diese Genehmigungen zu erhalten.“

IAEA-Inspektoren untersuchen das Gelände des KKW Saporischschja. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP via Getty Images

Die Lage am KKW hatte in den vergangenen Tagen international große Besorgnis ausgelöst. Nach den wiederholten Warnungen Russlands und der Ukraine vor angeblichen Angriffsplänen der jeweils anderen Seite hatte die IAEA am Mittwoch erweiterten Zugang zu der Anlage gefordert, um zu überprüfen, ob sich Minen oder Sprengstoff auf dem Kraftwerksgelände befinden.

Regionalbehörden rechnen mit dem Schlimmsten

In Saporischschja in der Nähe der Reaktoranlage bereiteten sich die Behörden und die Einwohner am 6. Juli auf einen möglichen Sabotageakt mit der Freisetzung von Radioaktivität vor. „Es ist eine große Bedrohung“, sagte die Vorsitzende des Bezirksrates von Saporischschja, Olena Schuk, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. „Die Leute bereiten sich vor, die Regierung bereitet sich vor.“ Die Behörden würden sich auf verschiedene Szenarien, abhängig von der Art eines Vorfalls in dem KKW vorbereiten.

Die ukrainische Armee erklärte dann am Donnerstag, die Lage an dem Kernkraftwerk habe sich etwas beruhigt. „Die Spannungen lassen allmählich nach“, sagte eine Armeesprecherin. Doch in der Stadt Saporischschja, die rund 50 Kilometer von dem KKW entfernt liegt, war die Sorge und Anspannung weiterhin groß. Die Vorsitzende des Bezirksrats sagte mit Blick auf die Übungen Ende Juni zur Evakuierung von 138.000 Menschen aus dem Gebiet rund um das KKW, dies wäre „der schlimmste Fall“.

Radioaktive Strahlung könnte sich „lokal, sehr lokal oder nicht lokal“ ausbreiten. Auf diese verschiedenen Szenarien bereiteten sich die Behörden vor. Ihrer Ansicht nach könnte Russland einen Vorfall provozieren, falls ukrainische Truppen im Zuge ihrer Gegenoffensive in der Gegend vorrücken sollten.

Das ukrainische Gesundheitsministerium gab eine Erklärung heraus, dass die Bevölkerung Evakuierungsanordnungen „im Falle einer Explosion“ Folge leisten solle. Einwohner, die am stärksten einem Verstrahlungsrisiko ausgesetzt sein könnten, könnten über Evakuierungstreffpunkte wichtige Informationen erhalten.

Die russische Armee brachte das KKW Saporischschja bereits am 4. März 2022, also kurz nach dem Beginn des Einmarsches in die Ukraine, unter ihre Kontrolle.

(Mit Material von AFP)



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