Angriffe auf Infrastruktur: NATO plant Update von Abwehrstrategie
Die NATO befürchtet neue schwere Sabotageakte und Cyberangriffe auf das Bündnisgebiet. In Reaktion auf die Entwicklungen wollen die NATO-Außenminister an diesem Mittwoch nun eine Überarbeitung der Strategie zur Abwehr hybrider Bedrohungen beschließen.
Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Mark Rutte soll es unter anderem einen verstärkten Austausch von Geheimdienstinformationen und den besseren Schutz von kritischer Infrastruktur geben. Zudem geht es um die Frage, wie künftig bei Angriffen zurückgeschlagen werden sollte.
Sabotageaktionen aus Russland, China, Iran und Nordkorea
„Wir beobachten, dass insbesondere Russlands Bereitschaft zunimmt, in unseren Ländern durch Sabotage physischen Schaden anzurichten und Menschenleben zu gefährden“, sagte ein ranghoher Beamter am Rande des derzeitigen NATO-Außenministertreffens in Brüssel.
Bei Cyberangriffen seien zudem auch China, der Iran und Nordkorea aktiv. So führten Chinesen wie auch Russland eine andauernde Kampagne zur Verbreitung von Schadsoftware aus.
Nach Einschätzung des Experten ist es höchste Zeit, dass gehandelt wird. Man habe das Problem, dass man sich daran gewöhnt habe, dass die hybriden Angriffe stetig intensiver und häufiger werden, sagte er. Folge sei, dass man lange nicht angemessen reagiert habe.
Dabei gehe es um Spionage, aber auch darum, im Fall von steigenden Spannungen Störungen auslösen zu können. Russland konzentriere sich dabei auf kritischen Infrastrukturen und insbesondere auf industrielle Steuerungssysteme, sagte der Beamte.
Baerbock für verstärkte Zusammenarbeit
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach sich für eine verstärkte Zusammenarbeit gegen russische Sabotageakte und verdeckte Angriffe im Ostseeraum aus.
Der russische Präsident Wladimir Putin baue in der Ostsee-Region „mit Unterstützung von anderen seine hybriden Angriffe auf die europäische Friedensordnung weiter aus“, sagte Baerbock nach einem Gespräch mit den Außenministern baltischer und nordischer NATO-Länder.
„Das sind dann zerstörte Kabel, die eigentlich nicht einfach so kaputt gehen können, das sind gestörte GPS-Kanäle, das sind Tanker, die dort illegal Sanktionsumgehungen betreiben“, betonte sie. Zuletzt hatten Schäden an Unterwasser-Datenkabeln in der Ostsee für Aufsehen gesorgt, unter anderem zwischen Deutschland und Finnland.
Baerbock warf Putin zudem vor, die demokratischen Gesellschaften Europas ins Wanken bringen zu wollen, etwa mit „Trollen im Internet“. Er versuche so, „die Rente, die Infrastruktur oder Kindergeld gegen unsere Ukraine-Unterstützung auszuspielen“. Sie spielte damit auf Themen vor der Bundestagswahl am 23. Februar an.
Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky sagte, alleine in diesem Jahr habe es 500 verdächtige Vorfälle in Europa gegeben. Bis zu 100 könnten Russland zugeschrieben werden, darunter hybride Angriffe, Spionage und andere Einfluss-Operationen. „Wir müssen ein starkes Signal an Moskau senden, dass dies nicht länger toleriert wird“, betonte Lipavsky.
Hacker veröffentlichen vertrauliche Informationen
Als Beispiel für einen besonders schweren, bereits erfolgten Cyberangriff nannte der NATO-Beamte eine enorme Attacke gegen das NATO-Mitgliedsland Albanien, die wahrscheinlich vom Iran ausgeführt worden sei.
Diese habe das Grenzkontrollsystem lahmgelegt und dafür gesorgt, dass alle Dateien des Innenministeriums im Internet veröffentlicht worden seien. „Jede polizeiliche Untersuchung, jede E-Mail zwischen Polizisten, jeder geheime Zeuge, jeder Gerichtsfall und jede Interpol-Akte war publik“, erklärte er.
Unterwasserleitungen sind besonders verwundbar
Besonders anfällig für Sabotage ist den Angaben zufolge die Unterwasser-Infrastruktur. „In den NATO-Ländern sind wir auf ein weit verzweigtes Netz von Pipelines und Kabeln angewiesen“, sagte der NATO-Beamte mit Blick auf Gas-, Öl- und Datenleitungen.
Es gehe um mehr als eine Million Kilometer dieser Infrastruktur, die von Russland über ein bereits vor Jahrzehnten gestartetes Programm kontinuierlich kartiert werde. Teil davon seien auch Schiffe, U-Boote sowie unbemannte und ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge. Die Russen hätten demnach die Fähigkeit, „wann immer sie es wünschen“ Sprengstoffe anzubringen oder Kabel zu durchtrennen.
Problematisch wird in der NATO auch gesehen, dass es ein Ungleichgewicht in der Verwundbarkeit gibt, weil Russland bei weitem nicht in dem Maße auf solche Infrastruktur angewiesen ist wie die Alliierten.
Von Brandstiftung bis Mordplan
Als weitere, vermutlich von Russland gesteuerte Aktivitäten nannte der Experte Brandstiftungen, die Instrumentalisierung von Flüchtlingen, Attacken auf Bahnlinien und Anschlagsplanungen gegen führende Industrievertreter.
So gilt es beispielsweise als wahrscheinlich, dass zeitweise die Ermordung des Vorstandschefs des größten deutschen Rüstungskonzerns, Armin Papperger, geplant wurde.
Den Angaben aus der NATO zufolge muss damit gerechnet werden, dass Russland großangelegte Programme zur Beeinflussung von Wahlen in Bündnisstaaten startet. Dabei könnte wie zuletzt in Moldau auf die Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen, auf Cyberattacken oder Stimmenkäufe gesetzt werden. Bei all dem handele es sich um eine organisierte Kampagne, sagte der Beamte.
NATO plant Update von Abwehrstrategie
Geplant ist nun, eine Überarbeitung der NATO-Strategie zur Abwehr hybrider Bedrohungen zu beschließen. Unter diesem Oberbegriff werden Aktionen zusammengefasst, die staatliche oder nicht staatliche Akteure nutzen, um andere Länder zu schädigen, ohne dabei einen offenen Krieg zu führen. In der Regel lassen sie sich nur schwer oder gar nicht einem bestimmten Urheber zuordnen.
Zuletzt waren im November innerhalb kurzer Zeit Schäden an zwei Glasfaserkabeln in der Ostsee aufgetreten. Dabei handelte es sich um ein Kabel, das zwischen Schweden und Litauen verläuft sowie eins zwischen Finnland und Deutschland.
Die Ursache dafür ist in beiden Fällen noch unklar. Die schwedischen Behörden ermitteln wegen möglicher Sabotage. Der Fokus der Ermittler liegt auf einem chinesischen Schiff mit dem Namen „Yi Peng 3“, das zum fraglichen Zeitpunkt die betroffenen Stellen der Kabel passiert haben soll. (dpa/red)
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