
Vor Prozess gegen Kanzlerin Merkel: Essen mit den Richtern – Der Fall Kemmerich, Thüringen
Bundeskanzlerin forderte die Thüringen-Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten rückgängig zu machen. Darüber soll das Bundesverfassungsgericht am 21. Juli entscheiden. Wenige Wochen zuvor traf sich Angela Merkel schon mal mit einer Delegation des Gerichts zum Abendessen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Foto: MAURIZIO GAMBARINI/DPA/AFP via Getty Images
Nachdem am 5. Februar 2020 der thüringische FDP-Landesvorsitzende Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD gegen die Stimmen von Linkspartei, SPD und Grünen zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden war, brach ein politischer Sturm über ihn her.
Sogar Bundeskanzlerin Merkel mischte sich ein, nannte bei einem Staatsempfang am 6. Februar in Südafrika Kemmerichs Wahl „unverzeihlich“ und forderte, dass das Ergebnis rückgängig gemacht werden müsse. Aufgrund des politischen Gegenwinds und vielleicht auch wegen der Angriffe und Drohungen gegen seine Familie trat Kemmerich schließlich zurück und löste das Parlament auf.
Aufgrund Merkels Äußerungen und Forderungen sah die AfD die Neutralitätspflicht einer Bundeskanzlerin durch Angela Merkel verletzt und reichte Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Am 21. Juli soll verhandelt werden.
Ein Abendessen im Kanzleramt
Wenige Wochen vor diesem Termin hatte Angela Merkel dann eine Delegation des Bundeserfassungsgerichts zum Abendessen im Kanzleramt eingeladen. Mit dabei laut AfD: Die „Vorsitzende des Zweiten Senats und wohl auch weitere Richter“. Es stelle sich daher die Frage, ob diese in dem Verfahren weiterhin als unbefangen betrachtet werden können, so die Partei. Ein Befangenheitsantrag wurde gestellt.
„Wenn sich Verfassungsrichter drei Wochen vor einer entscheidenden mündlichen Verhandlung von Verfahrensbeteiligten einladen lassen, dann weckt dies gravierende Zweifel an deren Unparteilichkeit. In einem Prozess gegen Verfassungsorgane gilt dies ganz besonders“, kommentiert Stefan Brandner, MdB, AfD-Fraktionsjustiziar.
AfD-Vize Alice Weidel monierte „fehlenden Respekt vor rechtsstaatlichen Prinzipien“ bei der Kanzlerin.
Das Abendessen zwischen Exekutive und Judikative am 30. Juni hatte das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung bekannt gemacht. Demnach handele es sich um eine „seit vielen Jahren bestehende Tradition“. Das Treffen mit Angela Merkel und anderen Regierungsmitgliedern fand unter Leitung von Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und seiner Vizepräsidentin Doris König statt.
Wahl-„Putsch“ oder Putsch gegen Wahl
Nicht nur in Thüringen erinnert man sich noch an die überraschende Abwahl der rot-rot-grünen Regierung am 5. Februar 2020 nach den Landtagswahlen in dem ostdeutschen Bundesland. Seit 2014 war dort das Kabinett um Bodo Ramelow (Die Linke) an der Macht.
Allerdings konnte der neue Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) dem enormen Druck der ausgelösten politischen Kampagne nicht standhalten. Die Kritik am Wahlergebnis: Kemmerich sei mit Stimmen der AfD ins Amt gewählt worden.
Nach zwei erfolglosen Wahlgängen hatten die Abgeordneten der AfD ihren eigenen Favoriten zurückgestellt und wie auch die CDU und die FDP für Kemmerich gestimmt und dem Liberalen damit zur Mehrheit gegen Bodo Ramelow und die Stimmen der Linken, der SPD und der Grünen verholfen.
Doch nur kurz bemessen war die Zeit des neuen Landeschefs. Die „Rhein-Zeitung“ berichtete laut „Focus“ sogar von einem „Putsch“ und dass sich SPD und Grüne für keine Mehrheit für Kemmerich hergeben würden, weder für die Regierung, noch bei „einzelnen Regierungsprojekten, die sonst überparteilich unstrittig wären“.
Ostbeauftragter muss gehen
Wie heiß der Fall Kemmerich war, zeigte sich auch daran: Als der damalige Ostbeauftragte der Bundesregierung Thomas Hirte die Wahl Kemmerichs auf seiner Japan-Reise begrüßte, sorgte das für seinen Abschied aus dem Kanzleramt. Kanzlerin Merkel erklärte ihm, dass er nun „nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Länder sein kann“.
Wie die „Zeit“ berichtete, stellten die linken Kräfte in Thüringen Kemmerich ein Ultimatum für seinen Rücktritt. Gleichzeitig wurde der Ministerpräsident mit Hass- und Droh-Mails bombardiert. Der ohnehin übliche Polizeischutz für einen Ministerpräsidenten wurde aufgestockt.
Auch Kemmerichs Wohnhaus und seine Familie wurden verstärkt geschützt. Kemmerichs Frau wurde auf der Straße bespuckt, die Kinder mussten mit Polizeischutz zur Schule und Leute horteten sich vor seinem Wohnhaus zusammen. In einem Supermarkt hing sogar ein „Fahndungsfoto“ von Kemmerich, berichtete der Bonner „Generalanzeiger“.
Nach Kemmerichs Rücktritt wurde angekündigt, dass das ihm durch seine kurze Amtszeit zustehende Gehalt und sämtliche Übergangsgelder und Ähnliches, ein Betrag, der sich auf rund 93.000 Euro summierte, abzüglich seines üblichen Gehalts als Landtagsabgeordneter, gespendet werden soll, an Thüringer Organisationen hieß es, wie beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. In Thüringen kam Bodo Ramelow wieder an die Macht.
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