Schweden: Greta Thunberg ist keine Hilfe – Grüne kämpfen um politisches Überleben

Von Schweden aus startete die „Schulstreik“-Bewegung Greta Thunbergs um die Welt – den Grünen im eigenen Land hilft das wenig. Sie dümpeln Umfragen zufolge an der Vier-Prozent-Hürde herum und drohen 2022 sogar aus dem Parlament zu fliegen.
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Den Greta-Effekt gibts wohl hauptsächlich nur in Deutschland und Österreich.Foto: Lukas Schulze/Getty Images
Von 16. September 2020

Gilt der Prophet nichts im eigenen Land? In Schweden zumindest deutet vieles darauf hin. Von dort ging Greta Thunbergs „Schulstreik“-Bewegung für den „Klimaschutz“ aus, ließ Politik, Medien, Konzernvorstände und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens strammstehen und verschwand erst mit der Ausbreitung des Coronavirus wieder weitgehend von der Bildfläche. In Deutschland war „Fridays for Future“ einer der Hauptgründe dafür, dass die Grünen in Umfragen phasenweise auf bis zu 27 Prozent kletterten. In ihrem Heimatland hingegen kämpft die Partei um das politische Überleben.

Grüne standen in Schweden stets im Schatten anderer Linksparteien

„Politico“ widmete diesem Phänomen jüngst eine ausführliche Analyse. Dass die „Umweltpartei“ (MP) in Schweden derzeit bei vier Prozent in landesweiten Umfragen liegt und um ihr politisches Überleben kämpft, wäre kein grundlegend neuartiges Phänomen. Eigentlich hatten Schwedens Grüne mit Ausnahme von Zwischenhochphasen Mitte der 1990er und Anfang der 2010er Jahre stets einstellige Ergebnisse in den Umfragen gehabt, wobei vier Prozent – die Höhe der Sperrklausel für den Reichstag – meist das untere Ende markierte.

Schweden hatte traditionell eine starke Sozialdemokratie, die noch bis in die 2010er Jahre hinein Ergebnisse von deutlich über 30 Prozent erzielen konnte, dazu kam die Konkurrenz auf der extremen Linken durch die „Vänsterpartiet“ (Linkspartei), die regelmäßig vor den Grünen lag – auch in Zeiten, als diese noch auf zweistellige Resultate hoffen konnten.

Mit Verweis auf den Höhenflug der deutschen Grünen und die zweistelligen Ergebnisse der Grünen in Finnland kam Charlie Duxbury zu dem Schluss, dass das Ausbleiben eines deutlichen Stimmenzuwachses für Schwedens MP damit zu tun habe, dass diese nicht eindeutig genug den Schulterschluss mit „Fridays for Future“ gesucht habe.

Greta-Effekt hauptsächlich nur in Deutschland und Österreich

Verfolgt man die Entwicklung der Umfrageergebnisse der vergangenen Jahre, ist es allerdings zweifelhaft, ob Greta Thunberg mit ihrem 2018 ins Leben gerufenen „Schulstreik“ auch den finnischen Ökosozialisten zusätzlichen Rückenwind verschafft hat. Die höchsten Beliebtheitswerte mit einer Wahlabsicht von 17 Prozent hatte die „Vihreä liitto“ (Grüne Liga) ein Jahr vor der Entstehung von „Fridays for Future“.

Seither hat die Partei, deren Spitzenpolitiker wie Umweltministerin Krista Mikkonen, den im Frühjahr verstorbenen, bekennenden Ökofaschisten Pentti Linkola als Inspiration bezeichneten, an Rückhalt verloren und liegt im „Poll of Polls“ nur noch bei 12 Prozent. Sieht man von kurzen Ausschlägen der Grün-Parteien nach oben in Belgien und lokalen Zugewinnen in Frankreich ab, haben die „Fridays for Future”-Aufmärsche außer in Deutschland und Österreich in kaum einem europäischen Land signifikante Zugewinne der Grünen bei Wahlen nach sich gezogen.

Dennoch stellt sich die Frage, warum anders als in Deutschland trotz einer ebenfalls starken linken und kulturprotestantischen Hegemonie „Fridays for Future“ in Schweden überhaupt keinen Impuls für die Grünen brachte.

Grüner Bildungsminister wollte Greta den „Schulstreik“ ausreden

Ein Aspekt, so Duxbury, könnte dabei sein, dass sechs Jahre als Juniorpartner in der Regierung die Partei zermürbt hätten. Zudem soll der damalige grüne Bildungsminister Gustav Fridolin 2018 sogar versucht haben, Greta Thunberg ihre „Schulstreik“-Idee auszureden. Jüngst hat eine der beiden Parteivorsitzenden, Isabella Lövin, ihren Rücktritt erklärt. Sie begründete ihren Schritt damit, dass die Partei „neue Energie“ benötige.

Zwar finden die nächsten Reichstagswahlen erst 2022 statt, dennoch räumt Generalsekretärin Märta Stenevi ein: „Wenn es um Wählerzuspruch geht, befinden wir uns in einer ernsten Lage.“

Teilnehmer einer „Fridays for Future“-Kundgebung vertrauten Politico auch an, dass sie der Auffassung seien, die Grünen würden nicht genug für den „Klimaschutz“ tun. Eine Studentin wirft allen im Parlament vertretenen Parteien vor, diese würden nicht in ausreichendem Maße „der Wissenschaft folgen“ – in FfF-Kreise der wahrscheinlich schwerwiegendste Vorwurf nach jenem, ein „alter weißer Mann“ zu sein.

Nicht einmal neuen Flughafen in Stockholm verhindert

Andere beklagen sich über den geplanten Ausbau einer Ölraffinerie an der schwedischen Westküste oder Entwaldung durch illegalen Kahlhieb in Rumänien. Es ist fraglich, ob Schweden noch in der Spur ist bezüglich der „Klimaziele“ des Pariser Abkommens.

Die schwedischen Grünen verteidigen ihre Regierungsbilanz mit dem Hinweis auf ein Programm zur Steigerung des Anteils an Öko-Treibstoff an Tankstellen und ein „Klimagesetz“, das die Regierung regelmäßig verpflichtet, Bericht zu erstatten bezüglich der Erreichung von „Klimazielen“. Allerdings werde man, so klagt Stenevi, als Juniorpartner zu wenig wahrgenommen und die Wähler würden keine vergangenen Erfolge belohnen.

Zumal es auch zählbare Misserfolge gab: So scheiterten die Grünen beim Versuch, den Neubau eines Flughafens und eines Umfahrungsrings in Stockholm zu verhindern, außerdem war der Verschleiß an Parteiführern hoch. Zwar ist eine erfolgreiche radikale Klimapartei links der Grünen weder in Schweden noch in Deutschland in Sicht – wo solche bei den Kommunalwahlen in NRW am Sonntag angetreten waren, blieben sie unter 1 Prozent. Aber für einen Misserfolg der Grünen reicht es schon aus, dass Wähler zu Hause bleiben oder eine Konkurrenzliste ankreuzen.

„Für künftige Generationen“ – oder „auf Kinder verzichten“?

Bei der Greta-Bewegung fordert man hingegen „unpopuläre Entscheidungen“ – auch wenn diese die Grünen endgültig aus dem Parlament katapultierten. „Sie werden in der Zukunft die Früchte ihrer Arbeit ernten“, erklärte ein Aktivist, „wenn die Menschen zurückschauen und sehen, was sie für künftige Generationen getan haben, dann werden sie den Dank ernten.“

Die „Grandparents for Future“ wiederum fordern drastische Einschnitte bei den Kohlenstoffemissionen – „zum Wohle unserer Enkelkinder“.

Wobei die Frage offen bleibt, ob es solche, wenn man sich dem Motto „Folgt der Wissenschaft“ verschrieben hat, überhaupt noch geben wird. Immerhin war es ein Forscherteam unter Leitung von Kimberly Nicolas, das in einer Studie für die Universität Stockholm herausgefunden hat, ein Kind sei „die größte Umweltbelastung, die ein Mensch nur machen kann“.

Immerhin verursache ein Baby 58 Tonnen des angeblich so „klimaschädlichen“ CO2 und schädige den Planeten sogar mehr als 20 Kraftfahrzeuge der Marke BMW – wohlgemerkt die Diesel- oder Benzinmodelle, Herstellung von Goldkettchen exklusive. Was ein Kind an CO2-Ausstoß verursache, so die Gelehrten, ließe sich „anderswo auch nicht einsparen“.



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