Zahlen zur illegalen Migration: Scholz und Faeser widersprechen sich

Zwei Aussagen der Bundesregierung wurden zuletzt in den sozialen Medien viel diskutiert, weil sie sich anscheinend widersprechen. Konkret geht es um Wortmeldungen des Bundeskanzlers und der Bundesinnenministerin zu den neuesten Fallzahlen illegaler Migration.
Titelbild
Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung der Bundesregierung am 12. Juni 2024 in Berlin.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 21. August 2024

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gab am 19. August eine Pressekonferenz im Rostocker Hafen auf einem der Hochsee tauglichen Schiffe der Bundespolizei. Anlass war die Präsentation des Jahresberichtes der Bundespolizei für 2023.

Faeser wies hier darauf hin, dass sich die aufgedeckten unerlaubten Grenzübertritte nach Deutschland zwischen 2019 und 2023 von 40.610 auf 127.549 Personen mehr als verdreifacht haben. Demnach habe es mehr unerlaubte Grenzübertritte gegeben.

Wörtlich sagte die Ministerin: „Auch im letzten Jahr bestimmte die irreguläre Migrationslage den Alltag der Bundespolizei. Im Bereich der unerlaubten Einreisen und Schleuserkriminalität waren Höchstwerte zu verzeichnen.“

Die Regierung habe, so Nancy Faeser, „konsequent gegengesteuert, um das menschenverachtende Geschäft der Schleuser entschieden zu bekämpfen und auch um die irreguläre Migration zu begrenzen.“

Unterschiedliche Aussagen

Der Bundeskanzler äußerte sich am selben Tag zum gleichen Thema. Olaf Scholz war zum Montagsempfang des traditionellen Stoppelmarkts in Vechta eingeladen.

Auf der Website des Stoppelmarktes hieß es später, der Bundeskanzler habe in der Niedersachsenhalle vor 1.000 Zuschauern eine „selbstironische und ermutigende Rede“ gehalten.

Die Rede sei ihm schwerer gefallen als jene vor den vereinten Nationen, weil er in Vechta witzig sein müsse. „Vor dieser Rede hier hatte ich deutlich mehr Manschetten als vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen“, so Scholz.

Scholz befand unter anderem, es müsse mehr gelacht werden: „Vor allem in Deutschland ist in Sachen von Freude, Lockerheit und Zuversicht noch Luft nach oben. Gar nicht so wenige verbreiten ganz gezielt schlechte Laune und betreiben Schwarzmalerei.“ Das helfe aber niemandem, so Scholz.

In der Nachberichterstattung wurden allerdings die ernsteren Teile der Rede in Vechta besprochen. So sagte der Bundeskanzler unter anderem: „In den vergangenen Jahren haben wir die irreguläre Migration schon deutlich gesenkt, übrigens zusammen mit Ländern und Kommunen. Das ist ein großer Erfolg und zeigt, es geht.“

Asylanträge oder irreguläre Migration

Gab es hier ein Kommunikationsproblem? Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Bundeskanzler und Bundesinnenministerium speziell in solchen Sachfragen? Das wollte Epoch Times gleichermaßen von Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium wissen.

Eine Regierungssprecherin antwortete, der Bundeskanzler sehe „die beschriebene positive Entwicklung nicht nur anhand der zuletzt rückläufigen Asylanträge, sondern auch der zahlreichen politischen Maßnahmen der letzten Jahre“, welche „durch diese Bundesregierung durchgesetzt werden konnten“.

Beispielsweise, so die Regierungssprecherin weiter, „die Digitalisierung der Migrationsverwaltung, Verbesserung der Rückführungsgesetzgebung, Verschärfung der Ausweisungsregelungen, Einführung von Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien, Einigung auf EU-Ebene beim Gemeinsamen Europäischen Asylsystem.“ Unter anderem dadurch sei es gelungen, die irreguläre Migration deutlich zu senken.

Weiter heißt es in der Antwort der Regierungssprecherin an Epoch Times, das Recht auf Asyl ergebe sich aus Art. 16a Grundgesetz. Von daher könnten die Zahlen der Asylanträge nicht als Beleg für eine irreguläre Migration herhalten. Unabhängig hiervon sei auch die Zahl der Asylerstanträge zuletzt bereits deutlich gesunken (minus 19,7 Prozent im 1. HJ 2024 gegenüber dem 1. HJ 2023).

Hier also führt die Regierungssprecherin aus, dass die Zahlen der Asylanträge nicht als Beleg für eine irreguläre Migration herangezogen werden können. Einleitend in der Antwort wurden die rückläufigen Asylanträge jedoch noch als Begründung herangezogen, allerdings „nicht nur“.

Mehr Grenzkontrollen

Die Sprecherin hat noch eine weitere Erklärung dafür, dass die Zahl der aufgedeckten illegalen Einreisen gestiegen sei. Das ließe sich durch die verstärkten Grenzkontrollen erklären, „die mit dafür sorgen, dass die irreguläre Migration (als entgegen Ihren Angaben statistisch nicht sicher zu belegende Dunkelziffer) eingedämmt worden ist.“

Abschließend wird in der Antwort an Epoch Times und mit Bezug auf die Aussagen der Ministerin Faeser betont, dass der Bundeskanzler mit allen seinen Ministerinnen und Ministern eng und vertrauensvoll zusammenarbeite.

Bundespolizei zählt unerlaubte Einreisen

Was sagt die Bundespolizei selbst zu den vermeintlich unterschiedlichen Aussagen der Regierungspolitiker? DPolG-Boss Heiko Teggatz spricht von einem Höchststand unerlaubter Einreisen:

„Die Bundespolizei hat im vergangenen Jahr mit 127.549 unerlaubten Einreisen nach Deutschland einen Höchststand seit 2016 verzeichnet. Gegenüber 2022 stieg die Zahl um 39 Prozent, wie aus dem Jahresbericht 2023, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag vorstellte, hervorgeht.“

Grenzkontrollen zur „Eindämmung“ irregulärer Migration

Bereits drei Wochen zuvor gab der Bundeskanzler gegenüber der Freitagsausgabe der „Saarbrücker Zeitung“ einen Hinweis, welches seine Perspektive sein könnte. So forderte Scholz, die irreguläre Einwanderung ins Land müsse „eingedämmt“ werden.

Auch Grenzkontrollen halte er für eine sinnvolle Maßnahme, um die Zahl der Ankünfte zu begrenzen. „Grundsätzlich wollen wir die deutschen Grenzen weiterhin streng kontrollieren. Wir wollen die irreguläre Migration begrenzen, wie ich es angekündigt habe. Die Zahlen müssen sinken“, so Scholz weiter.

Unterschiedliche Perspektiven

Basieren die widersprüchlichen Aussagen von Scholz und Faeser zur irregulären Migration auf verschiedenen Perspektiven, Zeiträumen oder Prognosen?

Scholz hatte hervorgehoben, dass die Asylantragszahlen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent gesunken seien:

Im Juni 2024 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 16.773 Asylerstanträge entgegengenommen, im bisherigen Jahresverlauf wurden 121.416 Asylerstanträge gestellt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (150.166 Erstanträge) bedeutet dies eine Abnahme um 19,1 Prozent.

Wo Scholz einen Rückgang der illegalen Migration für 2024 erkennen will, sieht Faeser eine wachsende Belastung durch Migration. Sie rechnet für 2024 insgesamt mit bis zu 300.000 Asylanträgen. Die vermeintliche Diskrepanz spiegelt sich in den verschiedenen Ansätzen und Prioritäten beider Politiker wider.

Betrachtet man die genannten 300.000 Asylbewerber, die von Frau Faeser als Prognose für 2024 insgesamt genannt wurden, dann liegt diese Zahl noch unter den 329.000 Erstanträgen auf Schutz (plus zehntausende Folgeanträge), die 2023 in Deutschland gestellt wurden.

Während Scholz auf einen kurzfristigen Rückgang der Asylanträge hinweist, betont Faeser die anhaltende Herausforderung durch hohe Migrationszahlen und die Notwendigkeit, diese strukturell zu reduzieren.

In einem inoffiziellen Gespräch von Epoch Times mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird explizit auf die Entwicklung der letzten fünf Jahre hingewiesen.

Die Entwicklung sei hier auch deshalb besorgniserregend, weil die Corona-Jahre 2020-2023 schon wegen der umfangreichen Maßnahmen und eingeschränkten Reisemöglichkeiten einschränkend gewirkt hätten, die Zahlen aber dennoch kontinuierlich angestiegen seien.



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