Rundfunkbeitrag: Showdown aufgeschoben – CDU in Sachsen-Anhalt bleibt hart
In Sachsen-Anhalt ist der drohende Showdown bezüglich der Zustimmung des Landtags zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorerst aufgeschoben. Am Mittwoch, 2. Dezember, vertagte der Medienausschuss eine geplante Abstimmung über eine Beschlussempfehlung für den Landtag.
Wie der „MDR“ berichtet, soll nun eine weitere Woche im Ausschuss weiterverhandelt werden. Mitte Dezember soll der Landtag endgültig über die Neufassung des Staatsvertrages abstimmen. Sachsen-Anhalt ist das einzige Land, das seine Zustimmung noch nicht erteilt hat. Verweigert der Landtag diese, wird es nicht zur geplanten Beitragserhöhung um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro kommen.
Haseloff gegen ein gemeinsames Vorgehen mit der AfD
Während die Koalitionspartner SPD und Grüne für die Absegnung der Beitragserhöhung eintreten und auch die Linkspartei dieser zustimmen will, sperrt sich die CDU weiterhin gegen diesen Schritt. Anders als Sachsens CDU unter Ministerpräsident Michael Kretschmer, der ähnliche Kritikpunkte wie die Kollegen aus Magdeburg artikuliert und am Ende aber doch einer Änderung des Staatsvertrages zugestimmt hatte, bleiben die Abgeordneten der Union in Sachsen-Anhalt bisher hart.
Zusammen mit den Stimmen der AfD wäre die CDU in der Lage, die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu vereiteln. Der Preis dafür wäre ein Bruch der sogenannten „Kenia-Koalition“, denn neben dem Umstand, dass die Union gegen ihre eigenen Koalitionspartner stimmen würde, würden diese es als besondere Form der Provokation auffassen, wenn die CDU die Erhöhung gemeinsam mit der AfD scheitern ließe.
Der seit 2011 regierende Ministerpräsident Rainer Haseloff hat seine gesamte Autorität in die Waagschale geworfen, um am Mittwoch einen Eklat zu verhindern. Mit der AfD will er nicht stimmen. Andererseits beharrt seine Partei auf Reformen und Einsparungen und will deshalb dem Rundfunkstaatsvertrag die Zustimmung verweigern.
CDU Sachsen-Anhalt könnte Flucht nach vorn ergreifen
Ein Hauch von Thüringen liegt damit in der Luft – allerdings mit deutlich günstigerer Position für die CDU. Die Landtagswahlen stehen bald bevor und die Union könnte die Debatte zur Flucht nach vorn für den Wahlkampf nutzen.
Statt sich einer moralisierenden Medien- und Twitter-Öffentlichkeit zu beugen, die wie im Februar Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu veranlassen könnte, eine Mehrheitsentscheidung „rückgängig zu machen“, könnte man die Wahl am 6. Juni zu einer Volksabstimmung über die Begehrlichkeiten der Öffentlich-Rechtlichen in Corona-Zeiten umfunktionieren.
Mit dem Argument, wer Mehrheiten für Beitragsstabilität, wie sie auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, ohne AfD-Stimmen wolle, müsse CDU wählen, könnte die Union in Sachsen-Anhalt möglicherweise mehr gewinnen als mit einem Nachgeben gegenüber den Koalitionspartnern. Ein solches würde insbesondere die AfD im Wahlkampf gegen die Union verwenden und könnte ihr damit schaden.
„Nicht wir stimmen mit der AfD – die AfD stimmt mit uns“
Einer jüngst veröffentlichten INSA-Umfrage zufolge liegt die CDU in Sachsen-Anhalt bei 29 Prozent und damit nur unwesentlich unter dem Ergebnis von 2016. Die AfD liegt mit 23 Prozent auf dem zweiten Platz. Linke (17 Prozent), SPD und Grüne (je 10 Prozent) sind von einer gemeinsamen Mehrheit weit entfernt, die FDP liegt bei vier Prozent.
Entsprechend versucht man in der Unionsfraktion bereits jetzt, einer zu erwartenden „Moral“-Debatte gegenzusteuern, die vonseiten der Linksparteien im Fall eines Scheiterns des Rundfunkstaatsvertrages, dank Stimmen von Union und AfD, unweigerlich lanciert würde.
Im „Cicero“ macht Markus Kurze, parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, deutlich, dass „nicht wir mit der AfD stimmen“, sondern allenfalls die AfD mit der CDU. Diese jedoch handele lediglich so, wie dies zuvor auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei.
Neubewertung im Zeichen der Pandemie
Es gehe, so Kurze, „in erster Linie […] nicht um 86 Cent, sondern um insgesamt 1,5 Milliarden Euro, die in vier Jahren zusätzlich eingenommen werden sollen“. Bereits jetzt nehme der öffentlich-rechtliche Rundfunk acht Milliarden Euro an Beiträgen ein.
Gegenüber dem „MDR“ verweist Kurze darauf, dass die CDU im Ausschuss bereits zuvor einen Antrag eingebracht habe, der darauf abziele, den Bedarf der Rundfunkanstalten insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie neu bewerten zu lassen:
„Basis ist natürlich, dass wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten und an der Beitragsstabilität festhalten. Aber neu ist, dass wir auch die Bedingungen der Pandemie berücksichtigen, und ich glaube, das ist nicht nur im Interesse unseres Landes, sondern im Interesse Deutschlands.“
Raab beschwört „gesamtstaatliche Verantwortung“
Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, Heike Raab (SPD), hält eine Nachverhandlung des Medienstaatsvertrages für nicht machbar. Ratifiziere Sachsen-Anhalt nicht, werde er „gegenstandslos“. Eine „Unterfinanzierung“ der Sender wäre die Folge, diese hatten selbst bereits mehrfach angekündigt, in diesem Fall ihren Produktionsumfang einschränken zu müssen.
Beim Staatsvertrag handele es sich deshalb um „eine gesamtstaatliche Verantwortung, die die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichert“, so Raab gegenüber dem MDR. Auch die medienpolitischen Sprecher von SPD und Grünen erwarten aus diesem Grund von der CDU ein Entgegenkommen.
Poschardt: „Gebührenakzeptanz hat mit Programmakzeptanz zu tun“
Demgegenüber weist der langjährige FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler darauf hin, dass das öffentlich-rechtliche System jetzt schon den höchsten Rundfunkbeitrag der Welt beanspruche. Mehr als sieben Milliarden Euro an Pflichtbeiträgen wanderten bereits jetzt in über 80 Radio- und Fernsehprogramme.
Deutschland hat den teuersten öffentlichen #Rundfunkbeitrag der Welt. Über 80 Radio- und Fernsehprogramme werden mit über 7 Mrd. € Beitragseinnahmen finanziert. Was zu viel ist, ist zu viel.
— Frank Schäffler (@f_schaeffler) December 1, 2020
„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt solidarisiert sich mit der CDU in Sachsen-Anhalt. Neben den hohen Gehältern und weitläufigen Strukturen, deren Sinnhaftigkeit und Effizienz nicht immer erkennbar sei, habe die Ablehnung durch die CDU auch inhaltliche Gründe.
So habe „viel von der Berichterstattung […] die Lebenswelt ihrer Wähler weit hinter sich gelassen. Es gibt nicht mehr das Gefühl, im Wohlwollenskorridor der mehrheitlich links-grünen Sender einsortiert zu werden.“
Die Gebührenakzeptanz habe, so Poschardt, mit der Programmakzeptanz zu tun. Und da entfernten sich „weite Teile der Sender immer entschiedener von Mehr- und Minderheiten in diesem Land“. Es sei deshalb „gut, dass die CDU in Magdeburg so stur bleibt und Änderungen einfordert“.
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