Wie Forscher in Ägypten überraschend ein uraltes Grab fanden

Wissenschaftler haben in Ägypten ein fast 3.900 Jahre altes Grab entdeckt. Den wahren Reiz der Forschung macht für den Ägyptologen Jochem Kahl aber etwas anderes aus.
Die Ritualtexte auf dem Sarg enthalten unter anderem Tipps dazu, wie der Übergang ins Jenseits gelingt.
Die Ritualtexte auf dem Sarg enthalten unter anderem Tipps dazu, wie der Übergang ins Jenseits gelingt.Foto: Andrea Kilian/Jochem Kahl, The Asyut Project/dpa
Epoch Times20. Dezember 2024

Auch nach vielen Jahren der Feldarbeit und Erfahrung war es für den Ägyptologen Jochem Kahl ein Highlight. Ein von ihm geleitetes Forscherteam hat im Sommer im ägyptischen Assiut ein fast 3.900 Jahre altes und sehr gut erhaltenes Grab einer altägyptischen Priesterin entdeckt. „Es war nie die Absicht, Idy zu finden“, sagte der Wissenschaftler dpa. „Das war völlig überraschend.“

Das Grab befindet sich in einem etwa 200 Meter hohen Berg aus Kalkstein, in dem zur Zeit der Pharaonen ungefähr 10.000 Menschen bestattet wurden, wie Kahl schätzt. Vor allem wohlhabende Menschen wurden dort begraben. Das Grab von Priesterin Idy wurde jahrhundertelang von Forschern übersehen. Der Fund ist laut Kahl ein absoluter Glücksfall: „Es ist selten, heutzutage ein Grab in Ägypten zu finden, das ein relativ komplettes Grabinventar hat.“

Sarg kunstvoll dekoriert

Neben den zwei ineinandergeschachtelten und mit kunstvollen Zeichnungen und Texten versehenen Holzsärgen – ein Zeichen für Wohlstand – fand das internationale Forschungsteam in der Kammer unter anderem Statuen, einen Dolch und Gefäße für die Eingeweide, sogenannte Kanopen.

Idys Mumie wurde von antiken Grabräubern zerfleddert.

Idys Mumie wurde von antiken Grabräubern zerfleddert. Foto: Andrea Kilian/Jochem Kahl, The Asyut Project/dpa

Idys Mumie sei von antiken Grabräubern zerfleddert worden, sagte Kahl. Ihre Knochen hätten nicht mehr im Sarg, sondern in einer Ecke der Kammer gelegen.

Idy sei Priesterin der Göttin Hathor gewesen und habe den Titel „Herrin des Hauses“ getragen, was sie als Frau aus einer wohlhabenden Familie ausweise. Die Wissenschaftler schätzen, dass sie etwa 40 Jahre alt wurde.

Tipps fürs Jenseits

Die Ritualtexte auf dem Sarg enthielten Tipps, wie der Übergang ins Jenseits gelinge oder auch Frage-und-Antwort-Spiele, die Idy bestehen müsse, so der Glaube der alten Ägypter. „Also zum Beispiel: Ich bin das Gestern. Ich kenne das Morgen – was bedeutet das?“, erklärte der Ägyptologe.

Außerdem sei eine Liste mit Opfergaben auf die Innenseite des Deckels gezeichnet worden, die ihr symbolisch mit auf den Weg gegeben worden seien. Darunter unter anderem Brot, Bier, Öl, aber auch Pfeil und Bogen und 2.000 Harfen.

Die Grabkammer befindet sich in der Seite eines rund 14 Meter tiefen Schachts innerhalb des Grabes ihres Vaters, Djefai-Hapi I., das aus der Zeit um 1880 vor Christus stammt. Im Oktober wurde erstmals über den Fund berichtet. Das Grab hat Räume, die bis zu 11 Meter hoch und 28 Meter tief sind. Sie sind 70 Meter weit in den Berg gebaut. „Das ist das größte nicht-königliche Grab seiner Zeit in Ägypten“, erklärte Kahl.

„Unerschrockenheit und viel Herzblut“

Für die Ausgrabung mussten der Ägyptologe und seine Kollegen durch enge Schächte krabbeln. Bei 40 Grad und feuchter Luft sei das eine richtige Knochenarbeit. Die Arbeit erfordere Unerschrockenheit und viel Herzblut.

Rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zwischen 40 und 80 ägyptische Grabungsarbeiter seien jedes Jahr zwischen Mitte August und Mitte Oktober in Assiut beschäftigt. Die Arbeiten finden in Zusammenarbeit mit der Universität Sohag (Ägypten), der Universität Kanazawa (Japan) und der Polnischen Akademie der Wissenschaften statt.

6.000 Jahre Geschichte

„Wir rekonstruieren die Geschichte dieser antiken Stadt, über all das, was wir auf dem Berg finden.“ Die Forschungsarbeiten liefen seit 21 Jahren. Kahl ist von Anfang an dabei. Es gehe um 6.000 Jahre Geschichte, von 4.000 vor Christus bis heute. Die Stadt selbst sei komplett überbaut worden und für die Forschung unzugänglich.

Deshalb werde der Berg in Assiut, wo in den 90er-Jahren Terroranschläge verübt wurden, erforscht. Er diente nicht nur als Friedhof für Menschen, sondern auch als Bestattungsplatz für Tiere, war Ausflugsziel und Standort von Klöstern. Heute ist er Militärgebiet. „Wir arbeiten also sieben Tage in der Woche, 24 Stunden unter Polizeischutz.“ Auf dem Berg seien Soldaten stationiert.

Die Forscher fanden zahlreiche Grabbeigaben in dem Grab, die zum Teil noch gut erhalten sind.

Die Forscher fanden zahlreiche Grabbeigaben in dem Grab, die zum Teil noch gut erhalten sind. Foto: Tina Beck-Hasselbach/Jochem Kahl, The Asyut Project/dpa

Assiut habe einen großen Anteil am kulturellen Gedächtnis des Alten Ägypten, erklärte Kahl. In der Nekropole – so nennt man einen großen Friedhof, der wie eine Stadt angebaut ist – sind Inschriften von der Ersten Zwischenzeit (2205 bis 2020 vor Christus) und des Mittleren Reiches (2020 bis 1630 vor Christus) gefunden worden.

Wie es mit Idy weitergeht

Wie aufregend war die neuste Entdeckung für ihn? „Der Fund ist im Prinzip nicht mehr und nicht weniger als ein kleiner Baustein, um die Geschichte von Assiut besser zu verstehen“, sagte Kahl. Berührend sei, dass es durch Idy persönlich werde und durch die Inschriften und Malereien so viele Informationen über sie vorlägen. Am meisten fasziniere ihn bei seiner Arbeit, die Kultur der alten Ägypter in Gänze zu erfassen.

Zu dem Team gehören Ägyptologen, Restauratoren, Archäozoologen und Grabungstechniker.

Zu dem Team gehören Ägyptologen, Restauratoren, Archäozoologen und Grabungstechniker. Foto: Jens Kalaene/dpa

In den nächsten Monaten werden die Funde aus der Grabkammer von Holzanatomisten, Restauratoren, Archäozoologen, Anthropologen, Fotografen, Grabungstechnikern und Ägyptologen untersucht und auch der Schacht soll genau inspiziert werden. Was passiert mit Idy, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind? „Sie wird wieder auf den Berg zurückgebracht“, sagte Kahl. (dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion