Berliner Biologen entdecken älteste vollständig erhaltene Lilie der Welt
Bereits vor 115 Millionen Jahren waren tropische Blütenpflanzen offenbar sehr vielfältig und zeigten alle typischen Merkmale, die wir heute kennen. Zu diesem Entschluss kommt ein internationales Forscherteam unter Leitung von Clément Coiffard vom Museum für Naturkunde Berlin. Das Team berichtet in der Fachzeitschrift Nature Plants über die älteste vollständig erhaltene Lilie, Cratolirion bognerianum, die im heutigen Brasilien entdeckt wurde.
Mit Hilfe von 3D-Computertomographien am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) ließen sich auch Details auf der Rückseite der fossilisierten Pflanze analysieren. Die Ergebnisse werfen neue Fragen über die Rolle der Tropen bei der Entwicklung damaliger und heutiger Ökosysteme auf.
Große, gut erhaltene Pflanze mit vielen Details
Der Botaniker Dr. Clément Coiffard entdeckte in der Forschungssammlung die älteste, vollständig erhaltene Lilie. Cratolirion bognerianum wurde in kalkigen Sedimenten eines einstigen Süßwassersees in Crato im Nordosten Brasiliens gefunden. Mit einem Alter von ca. 115 Millionen Jahren gehört sie zu den ältesten bekannten einkeimblättrigen Pflanzen. Dazu gehören zum Beispiel Orchideen, Süßgräser, Lilien und Maiglöckchen.
Die Lilie ist außerordentlich gut und vollständig erhalten. So zeige sie alle Wurzeln, die Blüte und selbst die einzelnen Zellen sind fossil überliefert. Außerdem ist das Exemplar mit fast 40 Zentimeter Länge ausgesprochen riesig. Dennoch zeigt es fast alle typischen Merkmale einkeimblättriger Pflanzen, unter anderem ein faseriges Wurzelsystem und dreizählige Blüten. Zusätzlich zeigt Cratolirion mit einer Dolde auch einen einzigartigen Blütenstand als besonderes Merkmal.
3D-Analyse der Lilie
Es war jedoch nicht trivial, das fossilisierte Objekt zu untersuchen, denn es bestand aus Eisenoxiden, die mit dem Stein verbunden waren. Um hier Einzelheiten zu erkennen, arbeitete Coiffard mit dem HZB-Physiker Dr. Nikolay Kardjilov zusammen, der Experte für 3D-Analysen mit Röntgenlicht und Neutronen ist.
Am HZB hat er auch eine 3D Computertomographie aufgebaut und die Datenanalyse so verfeinert, dass beim Untersuchen von großen, flachen Objekten kaum störende Artefakte entstehen. Dadurch war es möglich, auch die im Stein verborgenen Details des Blütenstands zu analysieren.
Zudem machte eine Farbcodierung im CT-Scan Details sichtbar: Die Hauptachse ist in türkis gekennzeichnet, in dunkelgrün die Tragblätter, in hellgrün die Fruchtblätter und in orange sind noch Reste der eigentlichen Blütenblätter zu erkennen.
Ungewöhnliche Vielfalt
Aus den gleichen Sedimenten des einstigen Süßwassersees in Crato wurden bereits viele frühe zweikeimblättrige Blütenpflanzen beschrieben. Dazu gehören Seerosen, Aronstäbe, dürreresistente Magnolien sowie Verwandte von Pfeffer und Lorbeer.
Im Gegensatz zu anderen Blütenpflanzen gleichen Alters aus den USA, Portugal, China und Argentinien, sind die Blütenpflanzen der Crato-Flora ungewöhnlich divers. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich der Crato-See in den niedrigen Breitengraden befand, alle anderen erhaltenen Fossilien früher Blütenpflanzen jedoch aus den mittleren Breitengraden stammen.
Anhand dieser neu beschriebenen Pflanze Cratolirion bognerianum und der oben erwähnten Arten der Crato-Flora lässt sich ableiten, dass die tropischen Blütenpflanzen bereits sehr vielfältig waren.
„Wahrscheinlich sind Blütenpflanzen in den Tropen entstanden, aber bis heute sind erst ganz wenige Fossilien beschrieben worden“ erklärt Coiffard. Damit ergeben sich aus dieser Studie neue Erkenntnisse über die Rolle der Tropen bei der Entwicklung früher Blütenpflanzen und ihrem Aufstieg zur weltweiten Vorherrschaft. (ts)
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