Österreich: Sieg für ÖVP und Sebastian Kurz – Koalition mit Grünen unbeliebt – FPÖ droht Spaltung

Die ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten Sebastian Kurz ist eindeutige Siegerin der österreichischen Nationalratswahlen. Während die Grünen deutlich zulegen und wieder ins Parlament kommen, stürzt die FPÖ ab. Doch nur 20 Prozent der ÖVP-Wähler wollen eine Koalition mit den Grünen.
Von 29. September 2019

Immer mehr Einzelergebnisse der Nationalratswahlen in Österreich trudeln ein und stabilisieren die Trends, die sich bereits seit der ersten Hochrechnung abgezeichnet hatten. Der große Gewinner der Wahl ist Sebastian Kurz. Seine Entscheidung, nach Veröffentlichung der illegal aufgenommenen Urlaubsgespräche seines damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache die türkis-blaue Koalition platzen zu lassen und Neuwahlen anzustreben, hat sich bezahlt gemacht.

Auch ohne Kanzlerbonus hat er es geschafft, mit knapp über 37 Prozent das beste ÖVP-Ergebnis seit 2002 zu erzielen und damit sogar das EU-Wahl-Ergebnis vom Mai noch deutlich zu übertreffen. Nun hat er drei Möglichkeiten, in einer Zweierkoalition weiterzuregieren. Die, laut ORF-Analyse, Wunschkoalition der meisten ÖVP-Wähler, nämlich ein Bündnis mit den liberalen NEOS, die auf 7,8 Prozent kommen, ist allerdings die einzige Variante, für die es nicht reichen wird.

Kurz: „Bestmöglich für unser schönes Österreich arbeiten“

Die ÖVP kann in allen Bundesländern deutliche Zugewinne verbuchen. Es ist damit zu rechnen, dass Bundespräsident Alexander van der Bellen ihren Spitzenkandidaten Sebastian Kurz schon morgen mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Kurz versprach in einer ersten Stellungnahme, „bestmöglich für unser schönes Österreich zu arbeiten“. Er wolle „behutsam und demütig“ mit dem Vertrauen umgehen, das die Wähler ihm geschenkt haben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies in Form einer Neuauflage der türkis-blauen Koalition geschehen wird, ist angesichts des desaströsen Ergebnisses der FPÖ von 16 Prozent (rund 10 Prozent Minus) allerdings deutlich gesunken. Generalsekretär Harald Vilimsky hat in einer ersten Reaktion ausgesprochen, was Parteichef Norbert Hofer in den vergangenen Tagen nur andeutungsweise anklingen hat lassen, nämlich dass die Partei ihre Regeneration in der Opposition suchen wird.

Die Freiheitlichen dürften noch von 2002 her davor gewarnt sein, in einem geschwächten Zustand eine bürgerliche Koalition einzugehen. Damals endete die Neuauflage des schwarz-blauen Bündnisses unter Wolfgang Schüssel mit einer Parteispaltung. Jörg Haider, der 2002 noch als Totengräber der Koalition galt, gründete 2005 mit dem „realpolitischen“ Flügel der FPÖ, der in der Regierung bleiben wollte, das BZÖ. Das ist mittlerweile Geschichte.

Heinz-Christian Strache hatte damals die Rest-FPÖ, die in Umfragen nur noch bei drei Prozent lag, übernommen und sie mit einem prononcierten rechten Oppositionskurs wieder zu Wahlerfolgen geführt. Nun sehen viele in ihm den Sündenbock für das schwache Abschneiden der Partei – obwohl er noch am Tag des Bekanntwerdens der „Ibiza-Affäre“ zurücktrat und auch auf das Vorzugsstimmenmandat verzichtet hatte, das die Wähler ihm bei der EU-Wahl verschafft hätten.

Spesen-Vorwürfe gegen Strache bislang nicht bestätigt

Dass sich, wie „Österreich“ am Freitag (27.9.) unter Berufung auf Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp berichtete, bislang keiner der in der letzten Woche vor der Wahl von den Medien lancierten Vorwürfe inkorrekter Spesenabrechnungen bestätigt hatte, ging offenbar bei den Wähler und auch bei manchen FPÖ-Funktionären unter, die jetzt nach einem Parteiausschluss des langjährigen Parteichefs rufen.

Andere wiederum richten ihren Unmut gegen Strache-Nachfolger Norbert Hofer, der als zu farblos erscheine und dem die Fußstapfen seines Vorgängers zu groß wären. Die Opposition gäbe den Freiheitlichen nun die Möglichkeit, eine neue Strategie zu entwickeln. Im schlimmsten Fall könnte der FPÖ jedoch wieder eine Parteispaltung drohen, vor allem für den Fall, dass die Parteispitze tatsächlich den Ausschluss Straches durchsetzen würde.

Es ist ungewiss, wie groß der Anteil der nach wie vor uneingeschränkt Strache-loyalen Mitglieder und Funktionäre in der Partei ist. Selbst die noch nicht bekannte Zahl an Vorzugsstimmen für seine Frau Philippa gäbe noch kein endgültiges Bild ab. Dass die FPÖ mit 12,6 Prozent in Wien besonders schlecht abgeschnitten hat, wird den Strache-Gegnern Schützenhilfe geben. Andererseits sind die FPÖ-Ergebnisse auch in jenen Bundesländern, die sich zuletzt am deutlichsten gegen Strache positioniert hatten, nicht in den Himmel gewachsen.

Große Medien rufen nach Türkis-Grün

Im Jahr 2017 hatten 41 Prozent der FPÖ-Wähler Strache als entscheidenden Grund angegeben, die Freiheitlichen zu wählen. Im Jahr 2019 waren es 50 Prozent, die Norbert Hofer nannten – allerdings wären das in absoluten Zahlen nun deutlich weniger. Zum Vergleich: Dem Hajek-Institut zufolge wählten 2017 noch 59 Prozent der ÖVP-Wähler die Bürgerlich-Konservativen vor allem wegen der Person des Spitzenkandidaten, am heutigen Wahlsonntag waren es 64 Prozent.

Sollte sich aber bestätigen, dass die Spesenvorwürfe zu Unrecht erhoben wurden, würde dies den Eindruck der unbeugsamen Strache-Anhänger, es gäbe eine gezielte Kampagne gegen ihn und Teile der eigenen Partei wären ihm in den Rücken gefallen, nur verstärken. Sie sehen das eigentlich skandalöse Moment am Ibiza-Video auch nicht primär in den Aussagen Straches, sondern in der Tatsache, dass illegale Aufnahmen zur Grundlage für den Feldzug gegen einen beliebten Politiker benutzt wurden und der Kanzler sich in diesem Moment nicht vor seinen Vize stellte.

Die Medien in Österreich vom ORF bis hin zur „Presse“ rufen nun nach einer „Koalition der Sieger“ und damit nach einem türkis-grünen Bündnis. Die Krux daran: Nicht nur zwei Drittel der Grünen-Wähler sehen die ÖVP nicht als ihren Wunschpartner – von den Wählern der ÖVP wollen gar nur 20 Prozent mit den Ökosozialisten koalieren. Diese kamen mit 14 Prozent in etwa auf jenen Anteil Stimmen, den sie bereits bei der EU-Wahl verbuchen konnten.

Zudem profitierte die ÖVP vor allem von bürgerlichen Wählern, die mit der Politik der türkis-blauen Koalition, die von Herbst 2017 bis Mai 2019 regiert hatte, tendenziell zufrieden waren. Diese trauten der FPÖ allerdings nicht mehr zu, ein verlässlicher und stabiler Partner zu sein. Diese Wähler durch eine Wende in Richtung Grün vor den Kopf zu stoßen, dürfte ein Polit-Profi wie Sebastian Kurz nicht ohne Weiteres riskieren. Schon 2002 hatten die österreichischen Medien massiv Stimmung für eine Koalition zwischen ÖVP und Grünen gemacht – Schüssel entschied sich aber neuerlich für die FPÖ.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner gilt auch eigenen Wählern als ersetzbar

Ein Game-Changer könnte allerdings aus den Reihen der SPÖ kommen. Die Sozialdemokraten wurden fast nur noch von Traditionswählern gewählt, bei denen das Wahlverhalten mehr oder minder in der Familie vererbt wird. Mit 21,8 Prozent erzielten sie das schlechteste Resultat aller Zeiten – sogar in ihrer historischen Hochburg Wien fiel die Partei auf 28,1 Prozent zurück.

Ihr verhältnismäßig bestes Ergebnis erzielten die Sozialdemokraten im Burgenland. Während die FPÖ im Heimat-Bundesland ihres Parteichefs Norbert Hofer mit 17,9 Prozent nur unwesentlich über dem Bundesschnitt lag und die Grünen gar nur auf 7,3 Prozent kamen, schaffte es die SPÖ immerhin noch auf knapp 30 Prozent.

Dass nur 25 Prozent die Partei wegen Spitzenkandidatin und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wählten (2017: 55 Prozent wegen Christian Kern), illustriert, dass sie als leicht ersetzbar angesehen wird. Das verhältnismäßig stabile Ergebnis mit unterdurchschnittlichen Verlusten im Burgenland könnte den Ruf an den dortigen Landeshauptmann und früheren Bundesverteidigungsminister Hans Peter Doskozil laut werden lassen, der Partei in ihrer Not zur Verfügung zu stehen – und sie in eine neue Große Koalition zu führen.

Der als Hardliner in der Frage der Grenzsicherung geltende Doskozil gilt als der einzige sozialdemokratische Spitzenpolitiker, dem man zutraut, es mit dem glänzenden Sieger des heutigen Abends, Sebastian Kurz, aufnehmen zu können.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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