Vor allem niederländisch-marokkanische Täter: Gangster knackten 400 Bankautomaten
Schwerkriminelle Banden haben in diesem Jahr mehr Bankautomaten zerstört als je zuvor. Selten gelingt es der Polizei, der Berufsverbrecher habhaft zu werden, die die „Welt“ jüngst verniedlichend als „Panzerknacker“ bezeichnet hat. Aber mit der berühmten Comicfamilie aus Entenhausen haben die heutigen Bank-Ganoven allerdings nichts zu tun.
Alle Rekorde gebrochen
Unmittelbar vor Weihnachten ist der bisherige Rekordwert von Detonationen aus dem Jahr 2018 übertroffen worden: Am 14. Dezember zerbarst in Deutschland zum 390. Mal ein Geldautomat, wobei rund 60.000 Geldautomaten den Kunden zur Verfügung stehen.
Am meisten bedroht ist NRW. Dort gab es in diesem Jahr 174 Sprengungen – 69 mehr als im Jahr zuvor. Seit 2015 haben die Täter „bei hunderten Coups insgesamt 30,6 Millionen Euro gestohlen“, wie die „Aachener Zeitung“ auflistete. Beliebt unter den Bankräubern sind auch die Bundesländer Niedersachsen (45 Detonationen), Baden-Württemberg (36) und Rheinland-Pfalz (34).
Die Bankautomaten-Banditen kämen nachts. Sie leiten Gas über ein kleines Loch „in den Geldautomaten, entzünden das Gemisch und verschwinden mit dem Bargeld“, so die „Welt“. Da die Geldautomaten mittlerweile immer besser gesichert sind und oft über eine technische Vorrichtung zur automatischen Neutralisierung von Gas verfügen, setzen die Ganoven häufig Sprengstoff ein.
Stets steht ein hochmotorisierter – meist gestohlener – Fluchtwagen vor der Bankfiliale. Bevorzugt wird die Marke Audi. Nach dem Überfall rasen die Bankräuber zur nächsten Ausfallstraße und zur Autobahn.
Jeder zweite Überfall gelingt
Die Sprengungen gelingen längst nicht immer so, wie es sich die Banditen wünschen. Die „Erfolgsquote“ lag im Jahr 2020 bei etwa 50 Prozent – ähnlich wie im Vorjahr. Ein Grund könnten die immer besser gesicherten Geldautomaten sein: „Am wirksamsten ist die Video-Überwachung in Verbindung mit einer Nebelanlage“, erklärte Anfang 2019 der Düsseldorfer LKA-Chef Frank Hoever. „Sie sehen dann einfach nichts mehr.“
Geübte Banden brauchen drei bis vier Minuten, um ihre Überfälle durchzuführen. Gelingt die Sprengung im Sinne der Ganoven, beläuft sich die Beute im Schnitt auf 100.000 Euro. Mindestens doppelt so hoch sind allerdings die Sachschäden im jeweiligen Bankgebäude.
Dafür sind die Zeiten, als klassische Bankräuber – schwer bewaffnet und mit einer Strumpfmaske über dem Kopf – tags die Banken stürmten, weitgehend vorbei, wie es das „Handelsblatt“ formulierte: „Seit 2003 ist die Zahl dieser Fälle um fast 89 Prozent von 767 auf 89 gesunken“.
Über die Täter wird nicht viel berichtet
Über die Schwerverbrecher haben die Landeskriminalämter (LKA) vielfältige Informationen gesammelt. Auch die ethnischen Zugehörigkeiten der Ganoven sind häufig bekannt.
Der „Welt“ zufolge gehen bis zu 80 Prozent der Automaten-Sprengungen auf das Konto niederländisch-marokkanischer Täter, die aus der Gegend von Amsterdam und Utrecht stammen. Auch die „Aachener Zeitung“ berichtete, dass „viele der Explosionen auf das Konto einer etwa 300-köpfigen Szene marokkanischer Einwanderer aus Utrecht in den Niederlanden“ gehen – der sogenannten Audi-Bande.
Die Banditen gehören demnach zu verschiedenen Clans, die miteinander konkurrieren. Eine Großfamilie umfasst ungefähr 400 bis 500 Bandenmitglieder – mit unterschiedlichen Funktionen.
Besonders bekannt ist in Holland eine hochkriminelle, arabische Großfamilie um van O., wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ schreibt. Ihr größter Konkurrent scheint ein muslimischer Clan zu sein, dessen Chef in Dubai Ende 2019 festgenommen wurde. Ihm wird vorgeworfen, zehn Menschen getötet zu haben.
Niederländische Banken sind besser gerüstet
In Holland sind Bankautomaten nicht sehr verbreitet, die Niederländer setzen stark auf bargeldlosen Zahlungsverkehr. Die Geldkassetten neuerdings aufwendig und kostspielig mit Farbpatronen, Verklebungstechnik, Gassensoren, hochauflösenden Kameras und besonders verstärkten Tresorwänden gesichert.
Aus diesen Gründen gibt es in den Niederlanden mittlerweile relativ wenige Automaten-Explosionen. Die Kriminellen fahren lieber nach Deutschland, wo es leichter fällt, an die Beute zu kommen.
Die offenen Grenzen Deutschlands sind verführerisch
Bei den Beutezügen geht es vermehrt auch deswegen in die benachbarte Bundesrepublik, weil im Zeichen von Corona die Grenzübergänge zwischen den Niederlanden und Belgien wieder mehr kontrolliert werden, und weil auch die französische Grenzpolizei neuerdings gezielt zusätzliche Kontrollen durchführt.
Da sind Fahrten nach Deutschland angenehmer, deutsche Grenzer halten sich weiterhin weitgehend zurück, wenn es darum geht, die Grenzbereiche zu überwachen.
Ungünstig für Kriminelle sind derzeit dagegen auch die Grenzen zu Osteuropa. Von dort kommen normalerweise ebenfalls etliche Bankräuber, besonders aus Polen und Bulgarien. Nachdem osteuropäische Staaten wegen Corona immer wieder mal die Grenzen schließen, fällt auf, dass aktuell kaum noch ein Geldautomat in Berlin, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern explodiert.
LKA-Beamte wünschen sich, dass die Geldinstitute „Tatgelegenheiten und Tatanreize“ für Schwerkriminelle reduzieren. Auch die Anzahl der aufgestellten Bankautomaten solle verringert werden.
Auf die Idee, die nationalen Grenzen effektiv zu kontrollieren, kommt die schwarz-rote Bundesregierung – wenn überhaupt – ganz zuletzt.
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