Frank Hennig: Die Nation, die Strategie, der Staatsplan
Mit einer auf 26 Seiten ausgewalzten Absichtserklärung beglückt uns der Bundeswirtschaftsminister und bezeichnet diese als „Nationale Industriestrategie 2030“. Schon kurz nach ihrer Veröffentlichung grätschte die EU in Person der Wettbewerbskommissarin Vestager dazwischen und untersagte die Fusion von Siemens und Alstom im Bahnsektor. Altmaiers Vorstellung geballter europäischer Wirtschaftsmacht als Gegenpol zu absehbarer chinesischer Dominanz ist auf diesem Feld jetzt schon Makulatur.
Das Strategiepapier wurde offenbar von den Wortakrobaten der Unverbindlichkeit im Ministeriumsapparat formuliert. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Plattitüden, die sich zum Teil widersprechen, so wenn Nationales wie Multilaterales gleichzeitig gefördert werden sollen. Die Mittel der Wahl seien grundsätzlich marktwirtschaftlich, so steht es im Papier. Möglicherweise kannten die Verfasser den Endbericht der „Kohlekommission“ (KoKo) noch nicht.
Technologische Schlüsselkompetenzen sollen nicht verloren gehen. Allerdings sorgen wir in voller Breite selbst dafür, ohne jeden Einfluss von garstigen Chinesen, Russen oder Amerikanern. Der deutsche Klima- und Energienationalismus führt zum geplanten Verlust von Kompetenzen, was nicht wundert, wenn die einzigen konkreten Aktivitäten im „Aussteigen“ bestehen. Die GroKo installierte die KoKo, um die Begründung für eine im Prinzip vorher getroffene Entscheidung zu liefern. Werden die Empfehlungen umgesetzt, wovon auszugehen ist, hält die Planwirtschaft Einzug. Begnügte sich die DDR noch mit Fünfjahresplänen, deren Erfüllung meist durch kreative Buchführung gesichert wurde, werden wir es bald mit einem 20-Jahres-Monster zu tun haben, dessen erfolgreiche Umsetzung so wahrscheinlich ist wie eine absolute Mehrheit der SPD nach den nächsten Wahlen. In einem dreijährigen Rhythmus sollen Neubewertungen den Plan aktualisieren, was jegliche Planungssicherheit der Energieunternehmen torpediert.
Mit dem Ergebnis der KoKo sind die Tore für die Planwirtschaft weit offen. Es gäbe, so Professor Plumpe von der Goethe-Universität Frankfurt/Main, „kein historisches Beispiel, dass ein Staat eine funktionierende Ökonomie aus nichtökonomischen Gründen beendet.“
Sicherlich hat er dabei nur an demokratisch verfasste Länder gedacht, denn in Diktaturen gibt es durchaus Beispiele, wie den „Großen Sprung“ in China. Er führte zu massenhaften Hungersnöten und unsagbarem Elend. Nachdem in China Ende der fünfziger Jahre die zentrale Planwirtschaft nicht zu den gewünschten Ergebnissen führte, setzte die KP-Führung unter Mao zum „Großen Sprung“ an. Die bisher nicht erreichten Produktionsziele in der Schwerindustrie und Landwirtschaft sollten kommunalwirtschaftlich in vielen kleinen Einheiten verwirklicht werden.
Zunächst wurde die Landbevölkerung zwecks gemeinsamen Wirtschaftens zwangskollektiviert, danach begann in den Volkskommunen die Produktion von Wirtschaftsgütern. Unter anderem sollten in den Dörfern aus Lehm, Ton und Steinen gemauerte Schmelzöfen für den benötigten Stahl sorgen. Aber sowohl das Equipment als auch die fehlende Qualifikation der Landbevölkerung standen dem Erfolg im Weg. Hinzu kamen staatliche Fehlanreize, die dazu führten, dass guter Stahl zu Schrott erklärt und eingeschmolzen wurde, um mehr schlechten Stahl zu produzieren. Am Ende dieses Großversuchs von 1958 bis 1961 standen viele Millionen Tote zu Buche.
Heute gibt es den fordernden Ruf nach mehr Dezentralisierung der Energiewirtschaft, sie würde auf Grund negativer Skaleneffekte nicht erfolgreich sein. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass an Stelle des „Großen Sprungs“ von Mao die „Große Transformation“ nach Schellnhuber kommt. Diese sähe nicht nur Zwangsstilllegungen und Vorgaben für anzuwendende Technologien vor, sondern auch eine staatlich-ökologische Verteil- und Mangelwirtschaft fernab des Marktes. Das kommt den Vorstellungen der KoKo allerdings wieder nahe.
Bis 2038 kommen noch fünf Bundesregierungen ins Amt. Die jetzige tut so, als habe nur sie die Kompetenz für die künftige Wirtschaftspolitik bis Ende der dreißiger Jahre. Sie stellt die Weichen in Richtung Staatsplanwirtschaft, um damit „das Klima“ und nicht weniger als mit nationalem Ansatz die Welt zu retten. Mehr Politikanmaßung ist selten.
Staatsvisionen und Realität
Fragt man nach dem Pendant der Ausstiege, also den konkreten Einstiegen, wird es schnell wolkig. Wenn bekannt ist, welche Kraftwerke zum Beispiel 2021 außer Betrieb gehen, müsste auch bekannt sein, welche gesicherte Leistung dann ans Netz geht. Stattdessen fährt man fort, Utopien, Visionen und Szenarien mit Projekten und konkreten Plänen zu verwechseln. Immer breitere Ausbaukorridore für Zufallsstrom sollen dafür sorgen, dass Atom- und Kohlekraft rechnerisch ersetzt werden.
Fragt man nach dem Ersatz gesicherter Leistung, ist schon im zweiten Satz die Rede von Power-to-X, Wasserstoffwirtschaft, traumhaften Energieeinsparungen, Smart-Grid, Wellenkraftwerken, wundersam kostenlosen Stromspeichern und allen möglichen halbgaren Technologien, die sich im besten Fall im Pilotstadium befinden und von denen viele absehbar nie den Sprung zur Rentabilität unter globalen Maßstäben schaffen werden.
Es scheint eine veraltete Vorstellung zu sein, dass die Grundlage eines funktionierenden Industriestaates eine stabile Energieversorgung sei. Wäre nach bisherigem Atomausstiegsplan ab 2022 unsere Stromversorgung bei Dunkelflaute schon randgenäht, sollen nunmehr nach KoKo-Empfehlung weitere 12,5 Gigawatt Kohlekraft bis dahin abgeschaltet werden. Wir gehen also sehenden Auges – und mit Kenntnis der EU, aber ohne Koordination mit dieser – in eine deutliche Unterdeckung.
Der hilfesuchende Blick zu unseren Nachbarn wird erfolglos sein. Nach Angaben des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.) verringern sich die Kohlekraftwerkskapazitäten in der EU von 2016 bis 2030 von 150 auf 55 Gigawatt. Dies wird durch Investitionen in Gas- und Kernkraftwerke nicht annähernd kompensiert.
Fern der deutschen und europäischen Nabelschau sieht die globale Entwicklung indes anders aus. 59 Länder planen und bauen Kohlekraftwerke, 21 Länder planen und bauen Kernkraftwerke. Neue Kohletechnologien in Richtung Vergasung und die vom IPCC empfohlene Abtrennung von CO2 aus Rauchgasen (CCS und CCU) werden weiterentwickelt, neue Kerntechnologien hinsichtlich der Nutzung von Thorium werden erprobt, es laufen Versuche zur Förderung von Methanhydrat vom Meeresboden, was Diskussionen um die Endlichkeit fossiler Rohstoffe für lange Zeit überflüssig machen würde.
Deutschland ist auf all diesen Zukunftsfeldern nicht dabei. Altmaier dazu: „Wer neue Technologien verpennt, wird zur verlängerten Werkbank der Länder, die rechtzeitig gehandelt haben.“ Richtig.
Die in Bergbau und konventioneller Energiewirtschaft – und absehbar in der energieintensiven Industrie – entfallenden Arbeitsplätze sollen auf wundersame Weise ersetzt werden, zum Beispiel durch staatliche oder steuerfinanzierte Batteriefabriken (mögliche Abkürzung: VEB).
Sobald Politiker konkret in Wirtschaft eingreifen, droht Ungemach. Beispielhaft steht dafür der Staatskonzern DB, der sichtbar unter den Einflüssen politischer Ränkespieler und Dilettanten in Aufsichtsrat und Verkehrsministerium leidet. Das bietet die Gewähr, dass eine Verkehrswende von Anfang an nicht funktioniert. Von der Schiene auf die Straße ist ein täglich zu besichtigender Trend.
Der Staatsstellenplan
Die neu eingeweihte BND-Zentrale in Berlin, eine gewaltige Trutzburg mit schiessschartenähnlichen Fenstern, schlägt samt Umzug mit knapp 1,5 Milliarden Euro zu Buche, etwa das Doppelte der ursprünglich veranschlagten Summe. Nach 13 Jahren Bauzeit und nur sieben Jahre später als geplant nun die feierliche Einweihung, allerdings nicht für alle Nachrichtendienstler. Ein Teil von ihnen bleibt in Pullach, weil eine Abteilung dort bleibt und auch die, die „nicht wegwollten“. Eine weitere Filiale gibt es in Berlin-Lichterfelde. Insgesamt also drei Standorte, die die Kosten treiben. Eine verpflichtende Home-Office-Variante nach Vorstellung der SPD wäre sparsamer gewesen.
Auf der bestens gesicherten Schlapphut-Zentralbaustelle gab es einige Zwischenfälle von verschwundenen Bauplänen bis zu Einbrüchen mit Diebstahl und Vandalismus. Nun werden hier 4.000 von insgesamt 6.500 Mitarbeitern, vermutlich auskömmlich entlohnt und unter ihnen viele neu Eingestellte, ihre Dossiers an die Bundesregierung verfassen.
Unabhängig vom sich abschwächenden Wirtschaftswachstum sorgt Regierungswachstum für Ersatz. Das Bundeskanzleramt sei „viel zu klein“. 410 Arbeitsplätze reichen nicht mehr aus, die Zahl der Angestellten hat sich inzwischen auf 710 erhöht. 90 weitere Leuten mussten bereits extern untergebracht werden. Im neuen Anbau werden sie dann alle unterkommen. Nicht mal einen Zaun soll es um den Neubau geben, dafür zwei fensterlose erste Etagen, deren Beton Anschlägen der Kategorie 20-Kilo-TNT standhalten soll.
In vier Jahren wäre Baubeginn, die Bauzeit ist auf acht Jahre veranschlagt bei einem Preisschild von 400 Millionen Euro. Einen Korrekturfaktor für Bauzeit und Kosten kann jetzt jeder selbst schätzen.
Ein anderer Regierungsbau ruft auch nach Geld. Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Beherbergung für den Anhörungssaal, Parlamentsbibliothek, Parlamentsarchiv und wissenschaftliche Dienste, ist zwar noch nicht komplett fertiggestellt, weist aber schon solide Baumängel wie eine undichte Bodenplatte auf. Der Bundestagsvize und Vorsitzende der Baukommission des Bundestages Kubicki sinniert öffentlich über Abriss und Neubau. Ursprünglich sollte das Gebäude 2014 komplett bezogen sein, nun steht die Frage nach Sanierung oder Abriss. Konkrete Kostenangaben gibt es noch nicht.
Ach ja, der BER. Blicken wir nur kurz auf einen peripheren Vorgang. Der Stadtbezirk Neukölln, der bis in den Berliner Süden reicht und auf dessen Territorium die Endstation der U7 in Rudow liegt, kam auf die passable Idee, die Linie nach Brandenburg zu verlängern. Das wären nur drei Kilometer bis zum S-Bahnhof Schönefeld und weitere drei bis zum BER, in jedem Fall aber wäre es ein guter Beitrag gegen das absehbare Verkehrschaos, wenn dann, also irgendwann, der neue, dann schon alte Flughafen BER in Betrieb geht. Kopfzerbrechen bereiten die Finanzen, es könnte bis zu einer Milliarde kosten. Schwerer wiegt dagegen – gleichzeitig Ausweis unserer degenerierenden Wirtschaftsnation – die Bauzeit. Ab Beschluss schätzt man den Realisierungszeitraum auf 15 Jahre.
In dieser Zeit würde einer der weltgrößten Flughäfen in Peking (Beijing Daxing) inklusive der Anbindung für Hochgeschwindigkeitszüge dreimal gebaut. Nur bei den wichtigsten und größten Flughäfen dauere es lange fünf Jahre, sagt der chinesische Flughafen-Designer Fang Cheng. Im Durchschnitt würde der Bau lediglich zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Ein fünfmonatiger Bauverzug wie in Wuhan ist in China eine mittlere Katastrophe.
Dafür geht unvermindert der deutsche Personalaufbau im staatlichen Sektor voran. Vermutlich 2.200 Finanzbeamte werden zur Umstellung der Grundsteuer gebraucht, Zuwachs wird es bei Bundeswehr, Polizei, Justiz, Zoll und im kommunalen Bereich für Sozialarbeiter und Schulpsychologen geben.
Die Bundesministerien stocken selbst kräftig auf, 1.013 Köpfe für das Innenministerium, 107 für das Familienministerium, 89 für das Außenministerium, 188 für das Justizministerium, 41 für das Kanzleramt. Immer mehr Esser scharren an den Trögen des Staates, die durch die Steuerzahler gefüllt werden müssen.
Vielleicht sollte man das Thema Geld aber nicht so verbissen sehen. Zwei Große Ökonomen unserer Zeit äußerten sich beispielhaft, aber richtungsweisend, zu einem anderen Haushaltsposten wie folgt:
„Die Milliarden für die Integration „Die Milliarden für die Integration wurden in diesem Land erwirtschaftet und wurden niemanden weggenommen.“ @HeikoMaas #Illner „Die Milliarden für die Integration wurden in diesem Land erwirtschaftet und wurden niemanden weggenommen.“ @HeikoMaas #Illnerwurden in diesem Land erwirtschaftet und wurden niemanden weggenommen“, twitterte Heiko Maas (SPD).
Frau Klöckner von der CDU bekräftigte dies auf facebook so:
„Um 7.15 Uhr spreche ich im Live-Interview mit dem Deutschlandfunk über die Flüchtlingsfrage und wer für die Kosten aufkommt. Der Steuerzahler jedenfalls nicht – der Bund hat gut gewirtschaftet!“
In meiner Naivität als Bürger hatte ich immer vermutet, der Staat lebe vom Steuergeld der Bürger. Nun weiß ich, heute sind andere Zeiten und auch der veraltete Spruch von Oma, wonach jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann, gilt nicht mehr.
So gesehen kann es keine Finanzierungsprobleme mit der Energiewende, der Grundrente, erhöhten Verteidigungsausgaben, der Digitalisierung, mit G-5-Standard, Straßen- und Brückeninstandsetzung, Pensionslasten, eventuell fälligen Target-2-Salden, Hartz-4-Reformen und so weiter geben. Die Ansage, es sei für dieses oder jenes kein Geld da, ist nunmehr obsolet. Wer das anders sieht, kann bei den oben genannten Ökonomen nachfragen.
Merkel bedauert indes in Japan öffentlich, das wir in Deutschland noch zu viel Braunkohle hätten. Was man halt so im Ausland sagt, im Rahmen einer verlöschenden Kanzlerschaft und in Ermangelung von Hetzjagden. Da kann man sie beruhigen. Wir werden bald zu wenig Braunkohle haben. Wenn dies ab 2022 klar wird, ist sie nicht mehr im Amt.
Wir sollten mehr die Stärken nutzen auf den Gebieten, auf den wir wirklich führend sind. Das fehlt in Altmaiers Industriestrategie. Exportieren wir die Spitzenprodukte nationaler Gendertechnologie.
Der Artikel erschien zuerst bei www.tichyseinblick.de
Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in: www.tichyseinblick.shop
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