Sprachverwirrung: Was ist Profit?

Ist Profit etwas Gutes? Die einen sagen ja, weil ihnen das Produkt lieber ist als das dafür ausgegebene Geld. Die anderen sagen nein, weil sie die Arbeit dahinter als Ausbeutung betrachten. Eine Annäherung an zwei unterschiedliche Sichtweisen. Ein Gastkommentar.
Titelbild
Eine Frau beim Einkaufen: Das ausgewählte Kleidungsstück ist ihr mehr wert als der Geldschein, der dafür gefordert wird.Foto: iStock
Von 23. Januar 2023

Debatten über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden zunehmend verbitterter geführt. Eine gewisse Sprachverwirrung hat daran einen großen Anteil. Je größer diese Sprachverwirrung wird, umso kleiner wird die Chance auf eine Verständigung.

Nutzen zwei Gesprächspartner dasselbe Wort, verstehen darunter aber etwas anderes, kann eine Diskussion sich ewig im Kreis drehen oder zügig eskalieren, ohne dass damit etwas gewonnen wäre. Wird den Gesprächspartnern die unterschiedliche Wortinterpretation bewusst, kann ein erhellender Dialog entstehen.

Ein unterschiedlicher Blick auf den Menschen bildet den Hintergrund der unterschiedlichen Weltanschauungen und findet sich in den unterschiedlichen Wortinterpretationen wieder – wie auch das heutige Beispiel zeigen wird.

Eine vergleichende Gegenüberstellung, die ein Wort aus der Perspektive beider Welten beschreibt, könnte daher die Chancen für das Verständnis unterschiedlicher Weltanschauungen verbessern und Hass vermeiden helfen.

„Ein Wort – zwei Welten“ beleuchtet in jeder Ausgabe – in nicht-alphabetischer und nicht priorisierender Reihenfolge – ein einzelnes Wort, das in hitzigen Diskussionen verwendet wird, meist ohne die jeweilige Wortbedeutung zu hinterfragen. Im heutigen Teil geht es um das Wort Profit.

In beiden Welten, sowohl in der ideologischen als auch in der praxeologischen Welt (1), hat Profit beziehungsweise Gewinn eine wichtige Bedeutung – wie die aktuelle Diskussion zum Thema „Übergewinn“ zeigt. Aber damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft, die Unterschiede überwiegen.

Profit in der ideologischen Welt

Aus ideologischer Perspektive ist Profit etwas Negatives. Hintergrund dieser Bewertung ist die Arbeitswertlehre. Demnach bestimmt allein die im Produkt oder der Dienstleistung steckende Arbeit deren Wert.

Ein simplifiziertes Beispiel: Wurde mit Arbeit für 100 Euro ein Stuhl produziert, der danach für 150 Euro verkauft wird, entstand ein Profit für den Kapitalisten in Höhe von 50 Euro. Für diese 50 Euro haben die Arbeiter geschuftet, ohne den Lohn dafür zu erhalten.

Eine Folge dieser Perspektive ist die Trennung der Menschen in unterschiedliche Kollektive. Den wertschaffenden guten Arbeitern stehen die ausbeutenden schlechten Kapitalisten gegenüber.

Diese Sicht auf die Welt nährt das häufig anzutreffende negative Unternehmerbild. Im Zuge sozialistisch-kommunistischer Revolutionen bildete es darüber hinaus den Hintergrund beziehungsweise die „Legitimation“ für die Ermordung von Unternehmern und Landbesitzern.

Profit in der praxeologischen Welt

Aus praxeologischer Perspektive ist Profit etwas Positives. Hintergrund dieser Bewertung ist die Erkenntnis, dass der Wert eines Gutes sich aus der Bewertung durch die Käufer ergibt – der Wert ist also etwas, das nicht im Gut selbst steckt.

Das obige Stuhlbeispiel stellt sich nun anders dar. Der Stuhl wurde unter dem Einsatz verschiedener Produktionsfaktoren (Arbeit ist nur einer davon) für 100 Euro produziert und wird für 150 Euro angeboten. Die 50-Euro-Differenz wird jedoch nur realisiert, wenn sich ein Käufer findet, der bereit ist, 150 Euro dafür zu bezahlen – dem also 150 Euro weniger wert sind als der Stuhl, anderenfalls würde er das Geld behalten.

Mit dieser Perspektive lässt sich auch verstehen, warum manche Produkte, in denen wenig Arbeit steckt, für viel Geld verkauft werden, oder andere Produkte, in denen viel Arbeit steckt, überhaupt keine Käufer finden.

Der positive Charakter des Profits ergibt sich daraus, dass der Profit zeigt, dass keine Produktionsfaktoren „verschleudert“ wurden, während Verlust ein Zeichen dafür ist, dass Produktionsfaktoren falsch eingesetzt waren.

Zudem liefert Profit ein Signal an andere Marktteilnehmer. Andere Unternehmer können erkennen, dass es Sinn ergibt, ebenfalls Stühle zu produzieren – die Produktionsfaktoren werden damit aus Bereichen mit weniger Profit oder gar Verlust umgeleitet.

Übergewinn(steuer)

Aktuell wird diskutiert, ob Gewinne, welche die großen Energieversorger sowie Öl- und Gasunternehmen aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energie erwirtschaftet haben, „abgeschöpft“ beziehungsweise besteuert werden sollen. Da angenommen wird, dass ein externer Faktor – der Krieg in der Ukraine – ursächlich für den Übergewinn sei, soll eine Übergewinnsteuer zur Anwendung kommen.

Der Blick auf das Thema verdeutlicht beispielhaft die unterschiedlichen Perspektiven auf den Profit.

Anhänger der ideologischen Perspektive befürworten eine Übergewinnsteuer, da diese dazu beiträgt, die vom „bösen Kapitalisten“ vereinnahmten Profite zu verringern.

Da aus dieser Perspektive (jeglicher) Gewinn mit Ausbeutung der Arbeiter verbunden ist, wäre sogar ein generelles Abschöpfen von Gewinn denkbar. Und tatsächlich gibt es Forderungen, die Übergewinnsteuer nicht nur auf die großen Energieversorger sowie Öl- und Gasunternehmen zu beschränken.

Die Anhänger der praxeologischen Perspektive lehnen eine Übergewinnsteuer ab. Eine „externe Ursache“ für höhere Gewinne – wie der Krieg – liefert keine Begründung für eine zwangsweise Reduzierung.

Einerseits, weil auch die Bewertung durch den Verbraucher ein externer Faktor ist. Andererseits, weil das geringere Angebot – unabhängig von dessen Ursache – unter sonst gleichen Bedingungen korrekterweise zu höherem Profit führt. Eine Übergewinnsteuer würde die Signalfunktion des Profits schwächen und im Extremfall sogar gänzlich aushebeln.

Andere potenzielle Anbieter, die zu einer Erhöhung des Angebots beitragen könnten, erhalten kein entsprechendes Marktsignal und setzen die Produktionsfaktoren daher anderweitig ein. Es kommt noch hinzu, dass die nachträgliche Besteuerung die Planbarkeit und Berechenbarkeit der Unternehmen unterminiert und auch dies kontraproduktiv wirkt.

Profit – ein Wort, zwei Welten

In der ideologischen Welt ist Profit ein Zeichen dafür, dass die Arbeiter ausgebeutet wurden. Demnach bestimmt ausschließlich die Arbeit den Wert. Liegt der Preis über dem Arbeitswert, ist dieser Profit gleichbedeutend mit einem ungerechtfertigten Abschöpfen der Leistung der Arbeiter (Ausbeutung).

In der praxeologischen Welt ist Profit ein Zeichen dafür, dass die Kunden den Wert höher einschätzen, als dem Input an Produktionsfaktoren entspricht. Daher ist Profit auch ein wichtiges Marktsignal.

Das Wort Profit hat in der ideologischen und der praxeologischen Welt eine andere Bedeutung und ist mit einem anderen Menschenbild verbunden. Bevor ein Streit zum Thema Profit eskaliert, lohnt es sich, den Begriff zu hinterfragen und einen Blick auf den Menschen hinter dem Wort zu werfen.

 

(1) Die „idealistische Welt“ verdankt ihre Bezeichnung dem Umstand, dass ein „höheres Ideal“ beziehungsweise eine Idee wichtiger ist als der einzelne Mensch und dessen individuelles Streben nach Glück. Kollektivistisch, planwirtschaftlich oder sozialistisch-kommunistisch sind einige Stichworte, welche diese Welt kennzeichnen.

Die „praxeologische Welt“ verdankt ihre Bezeichnung dem Umstand, dass konkrete beziehungsweise echte praktische Handlungen der Menschen den Dreh- und Angelpunkt darstellen und die jeweiligen Weltanschauungen zurücktreten. Der Begriff „Praxeologie“ wurde vom bedeutenden Ökonomen und Sozialphilosophen Ludwig von Mises (1881 – 1973) geprägt. Individualistisch, marktwirtschaftlich, klassisch liberal sind einige Stichworte, welche diese Welt kennzeichnen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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