Generäle haben Planung verschlafen – die Bundeswehr und ihr Führungsproblem
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat laut „Mediengruppe Bayern“ vom 20. November „fehlende Kapazitäten im Verteidigungsfall“ (V-Fall) beklagt. Er meint damit: ihm fehlen Soldaten. Im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) hätte das längst auffallen müssen.
Jetzt erst ist es aufgeflogen: Die Generäle verfügen über keine Wehrerfassung. Da die Wehrpflicht seit 2011 lediglich ausgesetzt ist, aber nicht abgeschafft wurde, hätte ein solches Register weitergeführt werden müssen. Doch nach fast 80 Jahren Frieden glaubte keiner der 200 Generäle mehr an den V-Fall.
Pistorius: Es fehlen Daten
Pistorius beklagt nun „fehlende Daten über potenzielle Wehrdienstleistende“. Damit sind jene Personen gemeint, die bei einer Wiederaufnahme der Wehrpflicht als wehrtauglich infrage kämen. Aber auch zu den ehemaligen Zeitsoldaten, die als potenzielle Reservisten infrage kommen, haben die Generäle im BMVg keine Zahlen.
Aufgrund der Wahl in den USA am 5. November und dem unmittelbar darauffolgenden Bruch der Ampelregierung blieb in der Öffentlichkeit unbemerkt, dass etwa zur gleichen Zeit das Bundeskabinett einer gesetzlichen Änderung zur Einführung eines neuen Wehrdienstmodells zugestimmt hat. Epoch Times berichtete über dieses Modell am 13. Juni.
Söder will Wehrpflicht: Jetzt!
Der Verteidigungsminister will nun auch die dafür nötige „Auskunftspflicht für junge Männer“ durchboxen. Der Union ist das nicht genug, obwohl sie deren Fehlen vorher auch nicht vermisst hat. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder will die Wehrpflicht in vollem Umfang zurückholen, und zwar sofort, wie der Nachrichtensender ntv am 20. November meldete.
Hegseth mit Kampferfahrungen
Der von Donald Trump als neuer US-Verteidigungsminister vorgesehene Peter Brian Hegseth (44) will nach eigenen Angaben „woke“ Generäle im Pentagon loswerden. Hegseth ist ein kampferprobter Infanterie-Offizier mit Dienstgrad Major. Er diente zwanzig Jahre lang in der Nationalgarde und als Frontsoldat im Irak und in Afghanistan.
Seine Kampferfahrungen zeichnen ihn sicherlich nicht zwangsläufig für das Amt des US-Verteidigungsministers aus. Jedoch bringt er ein praxisnahes militärisches Fachwissen mit, was man seit Längerem nicht mehr von deutschen Verteidigungsministern sagen kann.
Die Ahnungslosen
Der letzte, der in die Bundeswehr zumindest mal „hineinschnupperte“, war Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der von 2009 bis 2011 Verteidigungsminister war. Er hatte seinen verlängerten Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern als Unteroffizier beendet, was ihn dazu befähigte, zumindest alle Dienstgrade zu kennen.
Dies konnte man vom jetzigen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei dessen Dienstbeginn nicht behaupten. Bei seiner Amtsübernahme im Januar 2023 brauchte er Wochen, bis er Generäle von Admirälen unterscheiden konnte, geschweige denn in der Lage war, andere Offiziersgruppen zuzuordnen.
Auch dieser „Mangel“ mag noch kein generelles Ausschlusskriterium für den militärischen Ministerposten sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine Person, die die Bundeswehr kaum kennt, wirklich geeignet ist, oberster Dienstherr von fast 200.000 Soldaten zu sein. Von grundlegenden Reformen ganz zu schweigen.
Seit 1988, als Oberstleutnant der Reserve Manfred Wörner (CDU) nach sechs Jahren sein Amt als Verteidigungsminister aufgab, um NATO-Generalsekretär zu werden, hat es keinen Verteidigungsminister mehr gegeben, der Durchblick bei der Truppe hatte.
Generäle im Ministerium schwurbeln und sind „unerträglich“
Nach so langer Zeit verwundert es nicht, dass sich das BMVg verselbständigt hat. Generäle begannen so zu handeln, wie es sich für ihre eigene Karriere am günstigsten auswirkte. Hinzu kamen Seilschaften (verschleiernd „Netzwerke“ genannt) von Generalstabslehrgängen. Und schon können hohe Militärs im Ministerium jedem Minister ein X für ein U vormachen.
Genau dies beklagte bereits im Januar 2022 die damalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Sie vermisste Offenheit von den Generälen im BMVg. Der Zeitung „Die Welt“ sagte sie am 17. Januar 2022: „Ich persönlich wünsche mir von der Generalität im Ministerium insgesamt deutlich mehr Klarheit und weniger Geschwurbel.“
Den Generälen auf Führungsebene des Ministeriums warf sie vor, sich im Umgang mit Politikern „23 Notausgänge offenzuhalten“ oder der Führung des Verteidigungsministeriums „nach dem Mund zu reden“. Beides sei, „mit Verlaub, ziemlich unerträglich“, beklagte sich Strack-Zimmermann. Da die Bundeswehr dem Bundestag unterstehe, bräuchten die Abgeordneten „einen klaren militärischen Rat, um sich ihre Meinung bilden zu können“. Sie verlangte von der Generalität im Ministerium, „weniger Rücksicht auf mögliche Konflikte oder berufliche Nachteile zu nehmen“.
Krise zwischen Pistorius und dem obersten General
Im BMVg rumort es schon länger. Die Unzufriedenheit mit Carsten Breuer, dem obersten deutschen General mit dem Dienstgrad „Generalinspekteur“ (Viersternegeneral) ist beim Minister und in der Truppe spürbar. Dies glaubt die Onlineplattform „Business Insider“ zu wissen. Breuer sei „zu zögerlich“ und treibe notwendige Reformen „nicht konsequent“ voran, so die Kritik.
Auch aus anderen Quellen ist zu erfahren, dass gerade bei der vom Minister gewünschten Aufstellung der deutschen „Brigade Litauen“, der Bundeswehrreform hin zur Wehrpflichtarmee sowie bei zahlreichen Finanzfragen Breuer viel rede, aber nur wenig umsetze, da er „nicht entscheidungsfreudig“ sei. General Breuer stehe bereits seit April dieses Jahres auf der „Abschussliste“.
Möglicherweise liegt das gespannte Verhältnis zwischen Minister und General auch daran, dass Breuers Ernennung zum obersten General keine Entscheidung von Pistorius war. Vielmehr sei er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durch seine Arbeit im Corona-Krisenstab des Kanzleramtes positiv aufgefallen. Daraufhin habe ihm Scholz zum Top-Posten im BMVg verholfen.
General Zorn hatte den Durchblick, dann wurde er gefeuert
Den größten Personalfehler hat Pistorius indes selbst verschuldet. Kaum im Amt, schickte er am 13. März 2023 den Vorläufer Breuers, General Eberhard Zorn, in den einstweiligen Ruhestand. Zorn hatte die Position des Generalinspekteurs 2018 übernommen und war zuvor Kommandeur der „Division Schnelle Kräfte“ (DSK), einer schnellen Eingreiftruppe für weltweite Operationen.
DSK-Kommandeur wird nur, wer brenzlige Lagen schnell erfasst, rasch entscheidet und über zigtausende Kilometern planen kann. Doch General Zorn war im Jahr 2022 als oberster General in seiner Einschätzung des Krieges in der Ukraine schlichtweg zu gut – und damit politisch unerwünscht.
Der deutsche Krisenprofi hatte es gewagt, im September 2022 in seiner Lageeinschätzung amerikanischen und britischen Militärs öffentlich zu widersprechen. Zorn war damals in einem „Focus“-Interview zu dem Schluss gekommen, dass die Erfolgsaussichten der ukrainischen Gegenangriffe gering seien. Er sehe allenfalls „Gegenstöße, mit denen man Orte oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen, aber nicht Russland auf breiter Front zurückdrängen kann“, stellte Zorn fest.
Außerdem warnte er davor, dass Russland in Europa einen weiteren Krieg vom Zaun brechen könnte: „Kaliningrad, die Ostsee, die finnische Grenze, Georgien, Moldau – es gibt viele Möglichkeiten“, skizzierte Zorn. Und schloss: „Diese Fähigkeiten hätte Putin.“
Daraufhin hagelte es – zumeist über die damalige Plattform „Twitter“ – harsche Kritik seitens britischer und amerikanischer Militärexperten, die auch weltweit Eingang in Berichten namhafter Zeitungen fanden. Hier zwei Beispiele: Der ehemalige Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Europa, Generalleutnant Frederick Benjamin Hodges, bezeichnete die Lageeinschätzung Zorns als „atemberaubende, dürftige Analyse“ der russischen Fähigkeiten, die „stellvertretend für das Denken der deutschen Elite“ stünden.
Der in Militärkreisen als Koryphäe anerkannte britische Kriegsforscher Rob Lee nannte die Äußerungen Zorns „wirklich bizarr“ und rechnete vor, wie begrenzt die Kräfte des Kremls seien. „Russland hatte schon im April 2022 etwa 85 Prozent seiner Kampfeinheiten im Feld, inklusive Marine und Luftlandetruppen. Diese Einheiten haben schwere Verluste erlitten, die russische Armee ist seitdem auf Freiwillige und Reservisten angewiesen“, gab sich Lee auf „Twitter“ überzeugt.
Solche Stimmen brachen Zorn das Genick. Pistorius wollte den medial angeschlagenen Generalinspekteur nach seinem Amtsantritt schnell loswerden, um Konfliktpotential mit den wichtigsten NATO-Partnern zu minimieren.
Heute sind Zorns Erkenntnisse plötzlich eine Binsenweisheit. Eine Entschuldigung dafür seitens Pistorius, der bei Amtsantritt keine Ahnung von Militär hatte, gab es nicht. Stattdessen müht er sich seither mit dem Zauderer Breuer herum, der in seiner Militärkarriere überwiegend Verwaltungs- und Schreibtischpositionen innehatte.
Die unrühmliche Entlassung des kantigen Generalinspekteurs Eberhard Zorn, ein Mann von unten, ein Soldat aus der Truppe, bewirkt eben genau das, was Politiker wie Strack-Zimmermann beklagen: Wenn der oberste General von seinem Minister so behandelt wird, führt das dazu, dass sich die Generäle im Ministerium mit ihren Lageeinschätzungen und militärischen Ratschlägen doch lieber bedeckt halten – und weiterhin „herumschwurbeln“.
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