Die Deutschen, die US-Virginia prägten
Als die ersten Siedler im Jahr 1607 in Virginia ankamen, lag ein fruchtbares Land vor ihnen, das sich nach Westen über sanfte Hügel, bewaldete Berge und ertragreiche Flusstäler erstreckte. Es mag wie das Paradies erschienen sein, bis die Kolonisten mit den Dürren des Sommers und den langen Entbehrungen des Winters konfrontiert wurden.
Obwohl die ersten Kolonisten kaum überlebten, erwies sich das Land als ideal für den Tabakanbau. Virginia etablierte sich als eine Kolonie, deren Grenzen auf dem Papier bis zum Mississippi reichten. An den weiten Mündungen der Buchten und Flüsse wurden große Plantagen angelegt, von denen aus die Erträge leicht exportiert werden konnten. Das Vorgebirge, die Berge und das große Tal blieben unbesiedelt.
Erste Siedlungen im Land
Königin Anne Stuart von Großbritannien ernannte 1710 Alexander Spotswood, einen ehemaligen Offizier der britischen Armee, zum Gouverneursleutnant des kolonialen Virginia.
Zu dieser Zeit galt Virginia noch als Küstensiedlung und war die bevölkerungsreichste und produktivste der 13 britischen Kolonien. In den ersten hundert Jahren des Bestehens von Virginia schienen die Engländer damit zufrieden zu sein, sich in der Nähe der Küstenstrände niederzulassen.
Spotswood befürchtete, dass die Franzosen versuchen würden, diese Lücke zu füllen, und unternahm einen entscheidenden Schritt: Er setzte einen neuartigen Plan zur Sicherung der westlichen Grenze der Kolonie in die Tat um und gründete zunächst zwei Siedlungen in den tiefen Wäldern des Grenzgebiets.
Deutsche wären die idealen Arbeiter
Spotswood war überzeugt, dass sich unter dem hügeligen Vorgebirge des heutigen Zentral-Virginia große Ressourcen wie Eisen und Silber befänden und suchte daher nach Einwanderern mit Erfahrungen im Bergbau.
Er fand, dass Deutsche die idealen Arbeiter wären und holte 42 Immigranten aus der Region Siegerland in Nordrhein-Westfalen. Sie kamen als Schuldknechte, deren Überfahrt in die Neue Welt durch eine vierjährige Dienstpflicht bei Spotswood gesichert war.
160 Kilometer landeinwärts von Williamsburg, nahe der Küste Virginias, errichtete Spotswood Fort Germanna: eine Kombination aus dem Wort „German“ und dem Namen von Queen Anne. Es befand sich an einer strategisch wichtigen Furt des Flusses Rapidan River, wo eine fünfseitige Befestigungsanlage errichtet wurde. Ein fünfeckiges Blockhaus in der Mitte des Forts diente den Kolonisten auch als Ort des protestantischen Gottesdienstes. Ein älterer deutsch-reformierter Pfarrer, Johann Heinrich Haeger (alternativ Johann Henrich Hager), begleitete die ersten Kolonisten und versah dort seinen Dienst.
Erste Gottesdienste in deutscher Sprache
Zwar gab es in Virginia eine anglikanische Staatskirche, doch Spotswood erließ 1714 ein Gesetz, mit dem die Pfarrei St. George gegründet wurde und Gottesdienste in deutscher Sprache abgehalten werden durften. Sie waren von der Abführung des Zehnten an die anglikanische Kirche befreit, die von der Kolonialversammlung vorgeschrieben war.
Der Kampf um die Religionsfreiheit in Virginia sollte bis in die Zeit von Thomas Jefferson andauern. Ein Grundstein wurde in den Bestimmungen für die Kolonie in Germanna gelegt. Im Jahr 1777 verfasste Thomas Jefferson das Virginia Statute for Religious Freedom, mit dem die Kirche von England in Virginia aufgelöst und die Religionsfreiheit für Personen aller Glaubensrichtungen, einschließlich Juden, Muslime, Hindus und Christen aller Konfessionen, garantiert wurde. Dies wird oft als Vorläufer der in der Bill of Rights der Verfassung der Vereinigten Staaten aufgeführten Religionsfreiheit gefeiert.
„Die Deutschen leben sehr erbärmlich“, schrieb John Fontaine, ein Freund von Spotswood, der das Fort 1715 besuchte. Im Inneren des Forts, wo die Siedler lebten, gab es eine Reihe von neun Häusern. Hinter diesen einfachen Häusern befanden sich Ställe für die Schweine und anderes Vieh der Siedler. Obwohl sie hergebracht worden waren, um Minen und Eisenöfen zu errichten, sahen sich die Siedler in erster Linie damit beschäftigt, Land zu roden und zu überleben. Sie betrieben kaum eigentlichen Bergbau.
Nach Beendigung ihrer vierjährigen Leibeigenschaft erhielten sie Land am Ufer des Licking Run im heutigen Fauquier County in Virginia. Jede Familie erhielt etwa 60 Hektar Land und schenkte der Kirche jeweils 10 Hektar, um ihr erstes Versammlungshaus, ein Pfarrhaus und eine Schule zu errichten.
Die Siedler erlangten mit der Zeit einen gewissen Wohlstand und errichteten ein Sägewerk und eine Schrotmühle. Zur Zeit der Amerikanischen Revolution zogen die Siedler weiter und konnten noch besseren Landbesitz erwerben. Heute liegen die Überreste der Siedlung unter einem künstlich angelegten Gewässer mit dem treffenden Namen Germantown Lake.
Die Entstehung des „amerikanischen Charakters“
Im Jahr 1717 beabsichtigte eine Gruppe von Lutheranern aus der Pfalz und Baden-Württemberg in Süddeutschland, auf der Suche nach Freiheit vor religiöser Verfolgung nach Pennsylvania zu segeln.
Ihr Kapitän verkaufte sie im Wesentlichen als Leibeigene an Spotswood und sie landeten nicht in Philadelphia, sondern in Tappahannock in Virginia. Diese Einwanderer wurden zunächst auf 100-Hektar-Parzellen auf der anderen Seite des Flusses von Fort Germanna angesiedelt.
Während sie ihre Schulden beim Kapitän durch den Abbau von Eisenerz und Silber abarbeiteten, betrieben sie auch Landwirtschaft. Damals baute fast jeder zumindest einen Teil seiner Lebensmittel selbst an. Es war nicht ungewöhnlich, dass man sowohl Landwirtschaft betrieb als auch ein Gewerbe oder Handwerk ausübte.
Anstatt – wie damals gängig – große Ländereien an wohlhabende Engländer zu vergeben, versuchte Spotswood etwas Neues.
Thomas Faircloth, ehemaliger Präsident der Germanna Foundation, vermutete, dass Spotswood absichtlich landhungrige Kolonisten im Vorgebirge von Virginia ansiedelte. Er wollte „Kleinbauern“ fördern, die das Land bevölkern und dauerhafte Siedlungen bilden sollten.
Tapferkeit, Stärke, Fleiß
Faircloth zufolge bestand Spotswoods Experiment darin, qualifizierte Einwanderergruppen auf großen Landflächen anzusiedeln, wo sie ihre Gemeinschaften aufbauen sollten. Sie sollten einen „amerikanischen Charakter“ ausbilden, einen Charakter, der durch Tapferkeit und Stärke geprägt sei, hervorgegangen aus vielerlei Schwierigkeiten.
Mehr Deutsche kamen in den folgenden Jahrzehnten. Sie arbeiteten ihre Schuldknechtschaft ab und konnten dann gegen Vorlage eines entsprechenden Nachweises ihrer Einwanderung Landpatente erwerben. Viele ließen sich an Orten wie dem Hebron Valley in der Nähe des heutigen Madison in Virginia, nieder.
Hier gründeten sie 1733 die lutherische Kirche von Hebron. Ihr erster Pfarrer war John Caspar Stoever. Im Jahr 1740 errichteten sie das heutige Kirchengebäude – ein Fachwerkgebäude auf einem Steinfundament. Es ist in Amerika das älteste lutherische Kirchengebäude, das seither ununterbrochen genutzt wird.
Die Deutschen waren geschickte Handwerker: Sie bauten Häuser, Mühlen und Stellmachereien. Sie stellten auch hochwertige Möbel her – ein Erbe, das in der Clore Furniture Factory in der Region noch immer fortlebt.
Die Familie W.J. Carpenter (Zimmermann) als auch die Familie Aylor hingegen stellten bis in die 1970er-Jahre hinein Geflügeltransportställe her. Das Gebäude der W.J. Carpenter Coop Factory beherbergt heute ein Auktionshaus an der U.S. Route 29 in Madison County, Virginia, und wird liebevoll gepflegt.
Deutsche im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
Das vielleicht wichtigste Vermächtnis der Deutschen aus Virginia war ihr Einsatz im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Am 21. Januar 1776 predigte der lutherische Pfarrer John Peter Muhlenberg aus Woodstock, Virginia, aus dem dritten Kapitel des Predigerseminars: „Alles hat seine Zeit […] eine Zeit des Krieges und eine Zeit des Friedens.“
Als er sein kirchliches Gewand öffnete und die Uniform eines Obersts der Kontinentalarmee zum Vorschein kam, fügte Pastor Muhlenberg hinzu: „Und diese Zeit ist die Zeit des Krieges.” George Washington hatte Muhlenberg persönlich gebeten, das 8. Virginia-Regiment aufzustellen und zu kommandieren.
Aus seiner Gemeinde meldeten sich auf der Stelle 162 Männer, und Hunderte weitere sollten folgen. Das 8. Virginia-Regiment wurde wegen seiner vielen deutschen Nachkommen, die als Patrioten für die Sache der Freiheit kämpften, auch als Deutsches Regiment bekannt.
Noch heute betreiben die Nachfahren der deutschen Kolonisten in Orten wie dem Hebron Valley Landwirtschaft. Sie üben alle möglichen Berufe aus. Andere haben sich fernab der ursprünglichen Siedlungen und Ländereien niedergelassen. Einer hat sogar den Mond betreten. Edwin „Buzz“ Aldrin, der Astronaut der Apollo 11, der in der Mondlandefähre zur ersten bemannten Landung auf der Mondoberfläche flog, ist ein Nachkomme der Germanna-Kolonisten. Er ist nur einer von vielen, die Amerika bereichert haben.
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