Brahms als Hüter der Musik

Titelbild
Wien, Denkmal zu Ehren von Johannes Brahms.Foto: iStock
Von 21. Juni 2022

Die drei Bs der klassischen Musik, Bach, Beethoven und Brahms, lebten in den Epochen des Barock, der Klassik und der Romantik. Ludwig van Beethovens Musik war zwar zu Lebzeiten erfolgreich, doch konnte er diesen Erfolg nicht wirklich genießen, da er am Ende seiner Karriere völlig taub war. Die Musik von Johann Sebastian Bach wurde nach seinem Tod jahrelang vernachlässigt, bis Felix Mendelssohn sie wieder zum Leben erweckte. Johannes Brahms‘ Musik wurde nicht immer akzeptiert, aber gegen Ende seines Lebens war er eine Berühmtheit in Wien, und das wusste er auch. Er konnte die Straße entlanggehen und wurde von seinen Fans erkannt.

Schon als Kind, als er bei seinem ersten Lehrer, Otto Cossel, Klavier studierte, hatte er den Wunsch, zu komponieren. Cossel war nicht in der Lage, Komposition zu unterrichten, also stellte er Johannes seinem eigenen Lehrer vor, Eduard Marxsen. Marxsen erkannte Brahms‘ Talent, wollte aber, dass er sich auf das Klavierspiel konzentrierte, das Komponieren würde zu gegebener Zeit kommen. Doch Brahms ließ nicht locker. Er bedrängte Marxsen immer wieder, bis dieser schließlich nachgab.

Der Komponist

Beim Komponieren ging Brahms keine Kompromisse ein. Er komponierte zuerst für sich selbst, dann für seine Freunde und zuletzt für sein Publikum.

Er lebte in einer Zeit, in der sich die Musik drastisch veränderte. Die „Neudeutsche Schule“ glaubte, dass Musik eine Geschichte erzählen sollte. Sie waren der Meinung, dass Beethoven zwar großartig war, die Musik aber nicht aufhören sollte, sich über Beethoven hinaus zu entwickeln. Die führenden Köpfe dieser Schule waren Franz Liszt und Richard Wagner. Einige von Liszts späteren Werken grenzten an den Atonalismus, während die Neudeutsche Schule den Weg für impressionistische Komponisten wie Claude Debussy ebnete.

Johannes Brahms und Robert Schumann, die führenden Vertreter der absoluten Musik, vertraten die Ansicht, dass es dem Hörer überlassen bleiben sollte, was er von der Musik wahrnimmt, und nicht vom Komponisten bestimmt werden sollte. Die Musik sollte um der Musik willen genossen werden. Mit anderen Worten, ein Fortschreiten in Richtung Impressionismus oder gar der Verlust eines tonalen Zentrums war nicht erwünscht. Er war der Meinung, dass Musik reine Emotionen vermitteln sollte. „Wenn es einem schlecht geht, ist die Musik immer der große Trost“, sagte er.

Clara Schumann 1857. Foto: public domain

Johannes Brahms 1866. Foto: public domain

Als Brahms 1853 Robert und Clara Schumann kennenlernte, fand das Paar sofort Gefallen an dem schneidigen jungen Mann. Der Brahms, den wir heute vor Augen haben, ist der ältere, fülligere Johannes Brahms mit einem langen Bart. Tatsächlich war er in seinen jungen Jahren schlank, knabenhaft und ein Nervenbündel, wenn er ein von ihm komponiertes Stück für die Schumanns spielte.

Die Schumanns liebten seine Musik, und es dauerte nicht lange, bis Robert Schumann in einer Musikzeitschrift über Brahms schrieb und ihn den Retter der deutschen Musik und den Nachfolger Beethovens nannte. Schumann glaubte, dass Brahms die Traditionen, die Beethoven und Mozart hinterlassen hatten, weiterführen und beschützen würde.

Viele erwarteten, dass Brahms in die Fußstapfen Beethovens treten würde, was ihn zum Nachdenken und Überdenken seiner Musik veranlasste. Brahms wurde sein ganzes Leben lang mit Beethoven verglichen. Für seine erste Sinfonie benötigte er mehr als zwanzig Jahre von der Konzeption bis zur Fertigstellung, und man nannte sie Beethovens 10.

Der Mensch Brahms

Als Robert Schumann krank wurde, bekam er Halluzinationen und stürzte sich in den Rhein. Nachdem er gerettet worden war, wurde er in eine Anstalt eingewiesen, wo er ein Jahr später starb. Während dieser Zeit verbrachte Brahms mehr und mehr Zeit mit Clara und ihren Kindern. Sie verliebten sich ineinander, heirateten aber nie. Brahms kämpfte sein ganzes Leben lang mit seinen Gefühlen für talentierte Frauen, aber er war nicht in der Lage, sein Leben einer anderen zu widmen.

Nachdem Brahms sich in Wien einen Namen gemacht hatte, verfügte er über die Mittel, sich ein komfortables und großzügiges Haus zu kaufen und einzurichten. Für einen Komponisten von Brahms‘ Format war es fast schon selbstverständlich, in Luxus zu leben. Aufwendige Wohnungen waren damals mit Pfauenfedern geschmückt und wirkten exotisch. Richard Wagner soll ein großer Bewunderer dieses Einrichtungsstils gewesen sein. Brahms‘ Wohnung hingegen glich einer Studentenwohnung, wie Max Kalbeck, Brahms‘ gewählter Biograf, beschreibt. Seine Vermieterin war auch seine Haushälterin. Die Vermieterin stellte ihm die Wohnungseinrichtung zur Verfügung, die meisten Möbel waren alt und schäbig.

Johann Strauß und Johannes Brahms 1894. Foto: public domain

Brahms war nicht arm. Man könnte ihn sogar als einen der finanziell stabilsten Komponisten der Geschichte bezeichnen. Er komponierte, wann er wollte, und er musste sich nicht an einen Arbeitgeber binden wie viele Komponisten vor ihm. Er war auch kein gieriger Mann. Es ist durchaus möglich, dass seine große wirtschaftliche Unabhängigkeit direkt damit zusammenhing, dass er sein ganzes Leben lang alleinstehend war. Er hatte weder eine Frau noch Kinder, für die er sorgen musste. Daher konnte er sein Geld in andere Richtungen lenken.

Nach Robert Schumanns Tod musste Clara die gemeinsamen Kinder allein aufziehen. Sie war eine großartige Pianistin und konnte mit dem Geld, das sie durch ihre Konzertauftritte erhielt, sowohl ihre Kinder als auch ihren Mann, als er noch in der Nervenheilanstalt war, unterstützen. Sie war eine bemerkenswerte Frau. Als sie krank wurde und die Schmerzen in ihren Händen es nicht mehr zuließen, weiter aufzutreten, überwies Brahms ihr manchmal heimlich etwas Geld.

Brahms war der Schutz seines privaten Lebens wichtig. Schenkte er einem Freund Kompositionen von sich, verlangte er mehrfach deren Rückgabe, weil er diese vielleicht für minderwertig hielt. Dann vernichtete er sie. Mit seinen Briefen verhielt es sich genauso. Gegen Ende seines Lebens vernichtete er die Briefe, die an ihn geschickt wurden, und schrieb an Clara Schumann mit der Bitte, sie solle seine Briefe auch vernichten. Vielleicht weigerte sich Clara, vielleicht vergaß sie es auch, denn ein Teil ihrer Korrespondenz ist erhalten geblieben.

Er kannte seine Unzulänglichkeiten genau. Zum Beispiel wusste er, dass er nicht gut im Schreiben von Kontrapunkten war, also studierte er die Musik von Bach, um von dem großen Meister zu lernen. Brahms hat einmal gesagt: „Studiere Bach, dort wirst du alles finden.“

Johannes Brahms war einer der größten Komponisten, die je gelebt haben. Er hatte zwar auch seine Unvollkommenheiten, aber auch seine Tugenden. Mit seinem Reichtum prahlte er nicht, sondern lebte einen einfachen Lebensstil, und er war auch beim Teilen seines Vermögens großzügig. So unterstützte er nicht nur Clara Schumann in ihren schwierigen Jahren, sondern auch junge, vielversprechende Künstler. Sein Vermächtnis ist die erhabene Musik, die er der Welt hinterlassen hat. So sehr er auch öffentliche Spekulationen vermeiden wollte, die Komplexität von Brahms‘ Musik sprach Bände über ihn.



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