Europaparlament: Was das EU-Lieferkettengesetz bedeutet
Nach langem Ringen gibt es einen offensichtlich mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Heute stimmt das EU-Parlament in Straßburg darüber ab.
Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz. Die EU-Version geht aber trotz der Abschwächungen über dessen Vorgaben hinaus. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.
Die FDP hatte darauf gedrängt, dass Deutschland dem Gesetz nicht zustimmt – aus Sorge vor Bürokratie und rechtlichen Risiken für Unternehmen. Politiker von SPD und Grünen hingegen befürworten das Vorhaben. Deutschland unterstützt das Vorhaben in der EU daher nicht, müsste es aber trotzdem umsetzen.
Was ist das Ziel des EU-Lieferkettengesetzes?
Das EU-Lieferkettengesetz zielt darauf ab, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Sie sollen zudem Berichte erstellen, inwiefern ihr Geschäftsmodell mit dem Ziel vereinbar ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Wie wurde das Gesetz im Verhandlungsprozess abgeschwächt?
Ursprünglich sah ein Kompromiss von Unterhändlern der EU-Staaten und des Europaparlaments vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz von den Vorgaben betroffen sind. Diese Grenze wurde auf 1000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben, nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren.
Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, nach vier Jahren sinken diese Grenzen dann auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz.
Inwiefern unterscheiden sich die Lieferkettengesetze?
Einer der größten Unterschiede ist die Haftbarkeit. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind. Die EU-Variante lässt dies zu.
Darüber hinaus gilt das deutsche Lieferkettengesetz für Unternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten.
Was passiert bei Verstößen gegen das Gesetz?
Die EU-Staaten sollen eine Aufsichtsbehörde benennen, die den Unternehmen auf die Finger guckt. Diese soll auch Strafen gegen Unternehmen verhängen können, wenn diese sich nicht an die Vorschriften halten. Es können Geldstrafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens fällig werden.
Wie sehen Wirtschaftsexperten das Vorhaben?
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das Vorhaben trotz der Änderungen kritisch. Diese seien aus Sicht der Wirtschaft zwar positiv zu bewerten aber „auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Rechtsunsicherheit bestehe weiter.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte hingegen eindringlich für das Vorhaben ausgesprochen. Deutschland würde ohne eine EU-Version des Gesetzes einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erleiden, sagte er. (dpa/red)
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