STIKO empfiehlt RSV-Impfstoff für Neugeborene – was Eltern über Nirsevimab wissen sollten

Schon wenige Tage nach der Geburt sollen Babys ihre ersten RSV-Antikörper gespritzt bekommen, wenn es nach der STIKO geht. Die Meinungen der Kinderärzte fallen unterschiedlich aus.
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Impfen oder nicht? Diese Frage müssen sich zukünftig Eltern Neugeborener stellen.Foto: Sviatlana Lazarenka/iStock
Von 8. Juli 2024

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat am 27. Juni für alle Neugeborenen und wenige Monate alten Säuglinge eine passive Immunisierung mit Antikörpern zum Schutz vor schweren Atemwegsinfektionen durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) empfohlen.

Dass diese Prophylaxe wieder zurückgezogen wird, damit rechnen pädiatrische Fachgesellschaften nicht. Der Verein Ärzte und Ärztinnen für individuelle Impfentscheidung (ÄFI) hingegen sieht die STIKO-Empfehlung kritisch, schon allein weil mögliche Nebenwirkungen eine ganze Kette von Folgebehandlungen auslösen könnten.

Immunisierung, keine Schutzimpfung

RSV ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der normalerweise nur milde Symptome auslöst. Er kann aber insbesondere bei Älteren und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sowie bei Neugeborenen und Säuglingen in seltenen Fällen schwere Atemwegserkrankungen verursachen.

Erstmalig gibt es nun eine passive RSV-Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern; das sind im Labor hergestellte Proteine, die das Immunsystem bei der Bekämpfung von Infektionen unterstützen sollen. Laut STIKO sollen dadurch Krankenhausaufenthalte und Todesfälle verhindert sowie stationäre und ambulante Versorgungsengpässe vermieden werden.

Nirsevimab mit dem Handelsnamen Beyfortus wurde von den Herstellern AstraZeneca und Sanofi entwickelt, die auch an der Herstellung von COVID-Impfstoffen beteiligt waren. Nirsevimab ist nicht zur Behandlung von bereits bestehenden RSV-Infektionen gedacht, sondern ausschließlich zur Infektionsprävention bei Babys.

Es handelt sich um eine Maßnahme der spezifischen Prophylaxe und nicht um eine Schutzimpfung, erklärte das Bundesministerium für Gesundheit, wie das „Ärzteblatt“ berichtet.

Impfreaktionen und Nebenwirkungen

Insgesamt stützt sich die EU-Zulassung des RSV-Impfstoffs auf die Ergebnisse von drei Studien, die dem Impfstoff eine gute Schutzwirkung vor schweren RSV-bedingten Infektionen der unteren Atemwege bescheinigen. Alle drei Studien wurden vom Impfstoffhersteller finanziert.

In einer Studie ist von Todesfällen die Rede, die jedoch laut Prüfärzten nicht auf die Impfung zurückzuführen waren.

Nach einem von der Europäischen Kommission herausgegebenen 30-seitigen Dokument war die häufigste mit der Impfstoffgabe einhergehende Nebenwirkung Hautausschlag (0,7 Prozent), der innerhalb von 14 Tagen nach der Anwendung auftrat. Über leicht erhöhte Körpertemperatur und Reaktionen an der Injektionsstelle wurde mit einer Rate von 0,5 Prozent beziehungsweise 0,3 Prozent innerhalb von sieben Tagen nach Impfung berichtet.

Im Hinblick auf unbekannte Langzeitwirkungen aufgrund der fehlenden Untersuchungen heißt es in dem Dokument der EU-Kommission weiter:

Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit.“

Angehörige von Gesundheitsberufen werden aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Dadurch soll eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sichergestellt werden.

BVKJ hat keine Bedenken

Können Eltern ihren Kindern diese RSV-Impfung bedenkenlos geben lassen? Das wollte Epoch Times von Jakob Maske, dem Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) wissen.

„Zunächst einmal ist die Impfung ein Antikörper, der vor den Erkrankungen schützt“, so Maske. „Natürlich kann alles, was wir am Immunsystem machen, Nebenwirkungen hervorrufen.“

In der Regel seien dies jedoch leichte Nebenwirkungen. Allerdings handele es sich um einen passiven Impfstoff, für den noch keine zehn Jahre Erfahrung vorliegen. Aber bei ähnlich gelagerten Antikörpern würden Erkenntnisse vorliegen. Die erforschten Antikörper seien sehr gut verträglich und zeigten keine häufigen schweren Nebenwirkungen. „Das scheint auch für diesen neuen Impfstoff so zu sein“, betont der Pressesprecher.

Impfbezogene Meldungen von Nebenwirkungen könnten jedoch bei signifikanter Häufung dazu führen, dass der Impfstoff wieder zurückgezogen wird – wie es damals bei dem COVID-Impfstoff von AstraZeneca der Fall war. Damit rechnet Maske jedoch nicht. „Wir erwarten keine großen Nebenwirkungen. Nirsevimab ist ja auch schon verimpft worden.“ Dieser Impfstoff werde auch „relativ stark überwacht“.

Wenn ungewollte Nebenwirkungen auftreten würden, so der Kinderarzt, würden die Meldungen sehr schnell erfolgen und zu einer Einstellung der Impfungen führen. Aber diese Testphasen seien bereits abgeschlossen, so Maske.

DGPI: Schwere RSV-Erkrankung nicht vorhersehbar

Nach Aussage von Prof. Dr. Tobias Tenenbaum, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), soll die Impfung gegen schwere RSV-Krankheitsverläufe sechs bis zwölf Monate schützen. Wer am Ende von einem schweren Verlauf betroffen sein könnte, lasse sich nicht sicher voraussagen, erklärte der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Lichtenberg in Berlin gegenüber Epoch Times.

Wenn eine Erkrankung häufig kompliziert verlaufe, dass es sich lohne, alle zu impfen, werde die Impfentscheidung in der breiten Bevölkerung getroffen, so Tenenbaum.

ÄFI: „Mit ärztlicher Ethik kaum vereinbar“

Anders sieht es der Verein Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung (ÄFI), der sich seit dem Jahr 2006 für unabhängige Informationen zum Thema Impfen einsetzt.

„Dass zukünftig alle Säuglinge eines Jahrgangs noch vor Verlassen der Geburtskliniken mit bisher nicht ausreichend erforschten Folgen prophylaktisch behandelt werden, ist mit ärztlicher Ethik kaum vereinbar“, sagt der Kinderarzt und ÄFI-Vorstandssprecher Dr. Alexander Konietzky in einer Stellungnahme.

Unter Verweis auf die Studienlage merkt der Verein an, dass durch die Prophylaxe das Risiko, wegen eines RSV-Infekts der unteren Atemwege im Krankenhaus bis 150 Tage nach der Injektion behandelt zu werden, lediglich um ein Prozent (von 1,6 Prozent auf 0,6 Prozent) sinke.

Mit Blick auf die Nebenwirkung Fieber erklärt Dr. Konietzky: „Fieber unter drei Lebens-Monaten gehört grundsätzlich einem Arzt vorgestellt.“ Denn hier könne eine sich anbahnende Neugeborenensepsis abhängig von den Geburtsbedingungen nicht von einer Nebenwirkung der Immunisierung unterschieden werden.

Bei Fieber folge eine stationäre Überwachung des Säuglings samt Blutentnahme, möglicherweise sogar die intravenöse Gabe von Antibiotika, die ohne die RSV-Prophylaxe bisher nur in Ausnahmefällen notwendig gewesen sei.

„Die antibiotische Therapie ihrerseits zieht eine Störung des natürlichen Mikrobiom-Aufbaus mit nachfolgender Verdauungsstörung und immunologischer Irritation nach sich“, heißt es weiter in der Stellungnahme. Als mögliche Folge könne der Säugling mindestens für die ersten Lebensjahre eine Infektanfälligkeit entwickeln.

Wer soll laut STIKO geimpft werden und wann?

Laut Empfehlung der STIKO soll der neue Impfstoff einmalig in der ersten von Neugeborenen und Säuglingen erlebten RSV-Saison gegeben werden, die zwischen Oktober und März stattfindet.

Für zwischen April und September geborene Babys gilt die Empfehlung, die Antikörper möglichst im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison zu verimpfen.

„Neugeborene, die während der RSV-Saison geboren werden, sollen Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt bekommen, idealerweise bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung“, so die STIKO.

Dazu biete sich die Vorsorgeuntersuchung U2 an, die üblicherweise im Zeitraum vom dritten bis zehnten Lebenstag durchgeführt wird – also in den ersten Tagen kurz nach der Geburt, in denen sich das Immunsystem des Säuglings gerade erst ausbildet.

Aufklärung ab 28. Schwangerschaftswoche

Unabhängig vom errechneten Geburtstermin soll die Aufklärung zur Empfehlung über die RSV-Prophylaxe bei Neugeborenen und Säuglingen laut STIKO im letzten Drittel der Schwangerschaft, also etwa ab der 28. Schwangerschaftswoche erfolgen.

Demnach können sich Schwangere an ihre gynäkologische Praxis oder Hebamme wenden und mit dieser gemeinsam beratschlagen, ob eine Impfung des Neugeborenen erfolgen soll oder nicht. Soweit Geschwisterkinder vorhanden sind, können Fragen zur RSV-Impfung auch während eines Besuchs beim Kinderarzt geklärt werden.

(Mit Material von AFP)

 



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