Warum „Man kann alles haben“ eine große Lüge ist

Heutzutage kann man scheinbar alles machen, alles werden und alles haben. Ohne Einschränkungen und Kompromisse, die Möglichkeiten scheinen schier endlos zu sein. Die Wahrheit ist aber, jede Entscheidung bringt auch verschiedene Konsequenzen und Verluste mit sich.
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Egal wie man es plant, man kann nicht alles habenFoto: istock
Von 16. August 2019

Schon Queen haben in ihrem Hit „I want it all” davon gesungen alles und auch sofort haben zu wollen. Allerdings ist der Druck der mit diesem Bedürfnis einhergeht, sowohl für Männer als auch Frauen sehr hoch.

Nancy Colier ist Psychotherapeutin und Buchautorin und ist in ihrem Arbeitsalltag oft mit eben dieser Problemstellung konfrontiert.

Fälle aus dem Alltag von Colier

Colier erzählt von einem Fall von Jane, einer Mutter und Ärztin. Sie fühle sich innerlich zerrissen, weil sie einerseits eine erfolgreiche Karriere als Ärztin anstrebte, aber gleichzeitig viel Zeit mit ihrem Kind verbringen will.

Eine andere Klientin war auf der Suche nach einer Möglichkeit immer erreichbar zu sein, aber dennoch ungestört Zeit mit ihrem Ehemann verbringen zu können.

Ein weiteres Beispiel ist Peter, der sich in der Sicherheit seiner neunjährigen Beziehung sehr wohl fühlt. Gleichzeit hat er das Gefühl eingeschränkt zu sein, weil er sich auf Parties nicht wie ein Single benehmen kann.

Als letztes Beispiel erzählt sie von MK, einem Studenten, der eifersüchtig auf die beruflichen Erfolge seiner Freunde ist. Er selbst legt mehr Wert auf soziale Kontakte und Parties.

Obwohl er dadurch bewusst seine akademischen Erfolge einschränkt, will er ebenfalls die Karriere und das damit einhergehende Selbstwertgefühl seiner Freunde, die harte Arbeit und Zeit in ihr Studium investieren.

Zufriedenheit verkleinert die Gewinnspanne

Allen Klienten ist gemeinsam, dass sie alles haben wollen – gleichzeitig und ohne Abstriche. Alles zu haben, wird in der heutigen Gesellschaft damit gleichgesetzt, auch nichts aufgeben zu müssen.

Diese Illusion wird einerseits von der heutigen Technologie gefördert, wo durch ein paar Klicks und ohne Aufwand viele Dinge gleichzeitig erledigt werden. Anderseits tragen auch die Medien und Werbung zu der Illusion bei.

Aber was steckt dahinter? Die Überzeugung, dass Menschen alles erreichen können, alles haben können und sollten, ist gut fürs Geschäft. Zufriedene Menschen, die nach nichts streben, sind hingegen schlecht für den Profit.

Einschränkungen verstehen lernen

Nancy Colier nimmt immer wieder wahr, dass ihre Klienten über die Realität überrascht und enttäuscht sind.

Als sie die Dienste der Ärztin Jane mit dem Tagesablauf ihrer kleinen Tochter verglich und kaum überschneidende Freizeit fand, war diese entsetzt, fast so als ob sie diese Information zum ersten Mal hören würde.

Die andere Klientin war enttäuscht zu hören, dass es wohl nicht möglich sei, 24 Stunden am Tag für die Kinder erreichbar zu sein, während man ungestört Zeit mit dem Partner verbringen will.

Auch Peter war überrascht, als ihm gesagt wurde, dass er die Einschränkungen von neuen weiblichen Bekanntschaften wohl akzeptieren müsse, um die Vorteile einer stabilen Beziehung zu genießen.

„Das Leben hat nun einmal Einschränkungen, was uns komischerweise niemand beibringt.“, stellt Nancy Colier fest. Wenn man sich mit der Wahrheit auseinandersetzt und sie akzeptiert, wird man von den Illusionen befreit, von denen man getrieben wird.

Verlust und Gewinn

Wenn wir denken, dass wir alles haben können und sollten, werden wir früher oder später wie gelähmt da stehen- gefangen zwischen den Möglichkeiten und unfähig uns für einen Weg zu entscheiden, gibt Colier zu bedenken.

Für sie gehen Verlust und Gewinn Hand in Hand. Es ist wichtig den Verlust zu akzeptieren, der mit jeder Entscheidung einhergeht. Für alles was man gewinnt, muss man etwas verlieren.

Mit jeder Entscheidung öffnet sich eine Tür und eine andere schließt sich. Diese Erfahrung, dass sich das Tor schließt, muss ebenfalls in die Erfahrung mit eingeschlossen werden und mit Empathie behandelt werden, erklärt Colier.

Ein Punkt der Colier am Herzen liegt, ist klarzustellen, dass es nicht die persönliche Schuld der Menschen ist, nicht alles haben zu können.

Colier sagt ihren Klienten oft: „Ja es ist wahr, wenn Sie das wählen, werden Sie das andere nicht bekommen. Aber die Tatsache nicht beides haben zu können, heißt nicht, dass mit einem persönlich etwas nicht stimmt. Es heißt nur, dass man mit der Realität des Menschseins lebt.“

Zeit, Energie und Aufmerksamkeit sind begrenzt. Manche Wünsche eliminieren die Möglichkeit von anderen Wünschen aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit.

Die Qual der Wahl

In der Realität kann man meistens nicht alles haben, sondern muss sich entscheiden  Foto:istock

Der Gedanke, dass der Mensch in der Lage ist alles zu bekommen und alles zu erreichen, was er sich vorstellt, ist falsch. Dieser Gedanke ist, was Menschen einschränkt und leiden lässt.

Im Leben müssen immer wieder harte Entscheidungen getroffen werden. Colier sagt dazu:

„Wenn man an Entscheidungen mit einer erwachsenden und realistischen Einstellung herangeht und auch den Verlust miteinbezieht den eine Entscheidung mit sich bringt, werden wir eine tiefere Bedeutung erleben. Außerdem sind wir dann dankbarer für das, was wir ausgewählt haben“

Jeder hat die Möglichkeit zu wählen, was wirklich wichtig ist. Colier ist überzeugt, dass man erst durch den Verlust, den Entscheidungen mit sich bringen, ermutigt wird, sich darüber klar zu werden, wie man sein Leben wirklich leben will.



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