Theatertreffen Berlin mit 3-sat Kulturpreis an den Regisseur Herbert Fritsch

Sechsmal wurde Herbert Fritsch bereits zu den Berliner Theatertreffen eingeladen, und der mit 10.000 € dotierte Preis wurde nun zu Recht an den innovativen Schauspieler und Regisseur verliehen.
Titelbild
Foto: Berliner Festspiele
Von 17. Mai 2016

Am Samstagabend, dem 14. Mai, wurde nach seiner Inszenierung der die mann an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz im Rahmen des Berliner Theatertreffens der 3-sat Kulturpreis an den Regisseur Herbert Fritsch verliehen.

Sechsmal wurde Herbert Fritsch bereits zu den Berliner Theatertreffen eingeladen, und der mit 10.000 € dotierte Preis wurde zu Recht an den innovativen Schauspieler und Regisseur verliehen, der mit seiner Art und Weise zu inszenieren einen Richtungswechsel an den deutschen Theatern vorgegeben hat.

Egal wo Herbert Fritsch inszenierte, ob es in Halle war, Theater Oberhausen, Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Schauspiel Leipzig, Bremer Theater, Thalia Theater, Schauspiel Köln, Residenztheater München, Schauspiel Zürich, Opernhaus Zürich, immer gelang es Herbert Fritsch, einen grandiosen Ensembleabend hinzulegen.

Mit einer scheinbaren Leichtigkeit löst er die Schwere eines typischen Stadttheaterbetriebes auf. Mit großer Souveränität und akrobatischem Geschick tanzen, singen und sprechen die Schauspieler und Schauspielerinnen mit einer Lust und Freude, die sich sofort auf die Zuschauer überträgt. Hinter dieser scheinbaren Leichtigkeit steckt aber ein absolutes Beherrschen von Körper, Geste, Sprache und Mimik. Die Schauspieler müssen in seinen Inszenierungen zu ihrer Höchstleistung auflaufen.

Eine Art und Weise, die er sich als Schauspieler selbst immer auferlegt hat. Schon immer galt Herbert Fritsch als derjenige im Ensemble, der seinen Körper, seine Sprache und Mimik wie ein gut eingestimmtes Instrument mehr als perfekt beherrschte und dadurch immer aus dem Ensemble hervorstach.

Herbert FritschHerbert FritschFoto: Thomas Aurin über Berliner Theatertreffen

Nach seiner Schauspielausbildung an der Otto- Falckenberg-Schule in München spielte er an verschiedenen großen Bühnen und zählte jahrelang zu den Castorf Schauspielern. 2000 gelang ihm ein persönlicher Durchbruch, als er sich mit seinem intermedialen Kunstprojekt „Hamlet_X“ als Schauspieler, Film- und Theaterregisseur, Autor, Performer, Fotograf und Zeichner in Szene setzte.

Seitdem zog er als Regisseur durch Deutschland, Schweiz und Österreich und kaum eine Inszenierung wurde nicht zu einem Kunstprojekt, das über grelle Farben, Pantomime und Akrobatik das Regietheater komplett hin zum Konzepttheater ablöste.

Eine anklagende Rede

Nachdem der Preisübergabe nutzte Herbert Fritsch allerdings die Bühne, um die Stadt Berlin anzuklagen, dass ein Haus wie die Volksbühne, das Frank Castorf jahrelang geleitet hat, mit Sommer 2017 ein jähes Ende finden wird. Über den Nachfolger, den Belgier Chris Dercon, wurde bereits viel spekuliert und geschrieben. Der Londoner Museumsmacher ist und bleibt umstritten, da er natürlich mit seiner eigenen Vorstellung die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in einem neuen Licht erstrahlen lassen will.

Viele Künstler befürchten, dass er als Museumsmacher nicht in der Lage sein wird einen Theaterbetrieb mit so vielen verschiedenen Individuen kreativ zu leiten. Andere wiederum feiern ihn als die neue Entdeckung, dass er mit seinem innovativen Vorhaben, die Bühne als Ort der Begegnung vieler verschiedener Kunstarten, einen neuen Trend setzen wird.

Herbert Fritsch klagte allerdings an, dass viele Menschen mit diesem Intendantenwechsel ihre Arbeit verlieren müssen, ein Procedere, das viele Regisseure, Dramaturgen und Schauspieler schon seit Jahrzehnten hinnehmen müssen. Jeder neue Intendant bringt seine eigenen vertrauten Leute mit, und somit wird nicht selten ein komplettes Ensemble ausgetauscht.

So wurde die Preisübergabe auch ein Angriff auf die hiesige Politik, aber auch noch einmal die große Bitte, all die Produktionen, die jetzt noch an der Volksbühne laufen, zu besuchen. Das gilt natürlich auch für seine Inszenierung der die mann.

Denn diese Produktion der die mann, nach Texten von Konrad Bayer, wird weiterhin auf dem Spielplan der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stehen.

der die mann

Auch an diesem spektakulären Abend zeigt Herbert Fritsch eindrucksvoll, wie Intermedialität auf der Bühne geschickt, skurril und unterhaltend in Szene gesetzt werden kann. In den Komplementärfarben Blau, Rot und Gelb lässt Fritsch einen großen magischen Raum entstehen, nur ausgestattet mit einer Revuetreppe und einem überdimensionalen Trichter. In dem glänzenden Lackbühnenbild können nicht nur die Figuren sondern auch das Publikum sich widerspiegeln.

In ebenso glänzenden Lackkostümen kommen in diesem Irgendwo und Überall schrille Individuen zusammen, die sich meisterhaft bewegen und sich um Kopf und Kragen reden. Einer Revue gleich, mit pantomimischem Geschick und in neodadaistischen Sprechweise, werden den scheinbar völlig absurden aneinandergereihten Wörter im jeweiligen Duktus ein Sinn eingestanzt.

Die musikalische Leitung von Ingo Günther unterstützt mit einem Klang- und Soundteppich das multimediale Geschehen. Gemeinsam mit seinem DasDerDieMannOrchester, bestehend aus Michael Rowalska, Taiko Saito und Fabrizio Tentoni, gelingt ihm auf musikalischer Ebene, was Herbert Fritsch und Konrad Bayer mit Text, Sprache und Bewegung auf die Bühne zaubern.

Die Schauspieler schreiten, stolpern tanzen und performen auf einer glänzenden Revuetreppe ihre zirkusähnlichen Nummern. Eine steile Treppe, die sowohl den Aufstieg wie auch den Abstieg suggeriert, prangt immer demonstrativ als Metapher von Erfolg und Niederlage auf. Einmal glücklich oben angekommen, droht auch schon der Absturz in die Tiefe. Je nach Drehung und Blickperspektive der Treppe, scheinen die Figuren entweder oben am Olymp anzukommen, oder sie müssen wieder zur Realität hinabschreiten, wenn nicht sogar herunterstürzen.

Allen Schauspielerinnen und Schauspielern gelingt eine wunderbare Verwandlung, und auch wenn im größten Teil des Abends alle das gleiche Kostüm tragen, so sticht Annika Meier doch mit ihrer körperlichen, mimischen und eindrucksvollen Art aus dem Ensemble hervor.

Jede Bewegung sitzt, jede ihrer Reaktionen auf das Geschehen um sie herum zeugt von einem Staunen, Interesse und Aufmerksamkeit für ihre Kolleginnen und Kollegen. Wie sie Körpersprache und Mimik beherrscht, ist mehr als auffällig. Höhepunkt des Abends ist ihre grandiose Clowns- Slapstick- Mikrofonständernummer, bei der alles zusammenschmilzt und mit ihrem besonderen Gespür für Timing beherrscht sie den Abend. Mal lacht Annika Meier wie ein Kind, mal gurrt und stöhnt sie ihren Text, dann wiederum schreit und wirft sie ein Wort in Richtung Publikum. Dann wiederum singt und trällert und lacht sie, ihre Bandbreite ist groß, und trotz des akrobatischen und pantomimischen Spiels bewegt sie sich federleicht durch den gesamten Abend.

Das starke Ensemble von Axel Wandtke, Florian Anderer, Annika Meier, Hubert Wild, Jan Bluthardt, Werner Eng und Ruth Rosenfeld hat viel dazu beigetragen, dass Herbert Fritsch verdient den 3sat Kulturpreis gewonnen hat.

Die Produktion der die mann von Herbert Fritsch ist weiterhin im Repertoire der Volksbühne. Es lohnt sich, hier noch anzusehen, was Frank Castorf mit seiner legendären Volksbühne dem Publikum bietet.

der die mann nach Texten von Konrad Bayer / Regie und Bühne: Herbert Fritsch / Kostüme Victoria Behr /   Licht: Torsten König / Musikalische Leitung: Ingo Günther / Dramaturgie: Sabrina Zwach

Das Theatertreffen geht noch bis zum 22. Mai.

Weitere Informationen: www.berlinerfestspiele.de

Telefon: 030/ 254 89 100

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin



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