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Gedicht des Tages

Die Lautenstimmer – Von Conrad Ferdinand Meyer

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber

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Barcelona, Catalonia, Spain - November 19, 2018: The sculptures on the facade of the Temple Expiatori de la Sagrada Familia (Expiatory Church of the Holy Family)

Foto: iStock

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Lesedauer: 1 Min.

Die Lautenstimmer

Schlummernd jüngst in Waldesraum,
Hatt ich einen hübschen Traum:
Etwas regt sich in der Hecke,
Etwas klimpert im Verstecke.
Das Gesträuch mit leiser Hand
Teilt ich, bis das Nest ich fand:
Kinder, rings im Grase sitzend,
Mit den hellen Augen blitzend!
Rutschend auf dem nackten Knie,
Stimmten eine Laute sie –
»Sagt, was lagert ihr im Runde?
Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?«
Auf das zarte Werk erpicht,
Hörten sie die Frage nicht.
»Seht, wie ist sie zugerichtet!
Wundgerissen! Fast vernichtet!«
Emsig ward geklopft, gespäht,
An den Saiten flink gedreht,
Ließen eine tiefer klingen,
Ließen eine hohe springen –
Endlich klang die Laute rein,
Und die Kinder spielten fein,
Bis ich aus dem Traum erwachte
Und mir seinen Sinn bedachte:
Dumpf entschlummert, jetzo hell,
Ganz ein anderer Gesell!
Was die Kinder ohne Fehle
Stimmten, es war meine Seele!
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)

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