Gebildet, selbstbewusst, kunstsinnig – Isabella d‘Este

Vor 550 Jahren wurde Isabella d‘Este geboren.
 Als tatkräftige Fürstin, leidenschaftliche Kunstliebhaberin und Mäzenin prägte sie das Zeitalter der Renaissance. Der Palazzo Ducale in Mantua und ihre Briefe geben bis heute faszinierende Einblicke.
Titelbild
Frauenbüste von Gian Cristoforo Romano. Vermutlich ein Portät Isabella d'Estes. Terracotta mit Spuren einer farbigen Fassung, um 1500.Foto: Tangopaso, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=85003900
Von 24. Juni 2024

Der zeitgenössische Dichter Nicolò da Correggio wird sie eines Tages „prima donna del mondo“, „vornehmste Frau der Welt“ nennen.

Am 18. Mai 1474 kommt Isabella d’Este als erstes von sechs Kindern des Herzogs von Ferrara, Ercole I., und seiner Frau Leonora zur Welt. 
Die außergewöhnlich vielseitige Erziehung, die das Mädchen erfährt, ist das tragfähige Fundament für die Herausforderungen, die ihr Lebensweg bereithält.

Bildung und Kultur als Fundament

Unter der Herrschaft der d’Estes, einem der ältesten Adelsgeschlechter Italiens, hat sich Isabellas Heimatstadt Ferrara schon vor ihrer Geburt zum wichtigen kulturellen Zentrum entwickelt. 
Prachtvolle Renaissancepaläste, eine einflussreiche Universität, Kunst, Musik und Theater prägen das Erscheinungsbild und das Leben der Stadt.
 In diesem der Bildung und Schönheit zugewandten Umfeld wachsen Isabella und ihre Geschwister auf.

Isabella D’Este (rechts) und ihre jüngere Schwester Beatrice, Fresco von Benvenuto Tisi da Garofalo (1481–1559) im Sala del Tesoro des Palazzo Costabili in Ferrara. Foto: Public Domain

Latein und Griechisch, Gesang, Flöten- und Lautenspiel, Studium und Lektüre klassischer Literatur und Geschichte gehören zum täglichen Bildungskanon. Auch das Lesen geografischer Karten, Astronomie und Schach machen den Kindern, insbesondere Isabella, allem Anschein nach viel Freude.

Politik und Liebe

Im Alter von sechs Jahren wird sie dem ältesten Sohn der Fürstenfamilie Gonzaga aus Mantua als zukünftige Frau versprochen. Eine in unseren Tagen kaum nachvollziehbare, im späten 15. Jahrhundert jedoch übliche Vorgehensweise, um Adelsdynastien zu vernetzen und deren Einfluss weiter auszubauen. Isabella und der acht Jahre ältere Francesco nehmen die Entscheidung ihrer Familien, wie es scheint, ohne Widerspruch hin.

Schon bald schreiben sich die früh Verlobten Briefe. Zehn Jahre später, im Jahr 1490, heiraten sie und Isabella wird mit 16 Jahren Markgräfin des 100 Kilometer von Ferrara entfernten Mantua.

Porträt von Francesco II Gonzaga, Werkstatt des Fermo Ghisoni, 16. Jahrhundert, Gemälde im Palazzo Ducale von Mantua. Foto: Public Domain

Ihr 24-jähriger Mann kennt ihre Begeisterung für Kunst und Kultur, aber auch ihr Talent für Diplomatie und Politik genau. Zwischen beiden ist während des Jahrzehnts ihrer Verlobung viel Vertrauen gewachsen.

Auch Francesco verfügt über eine hervorragende humanistische Bildung. Gemeinsam mit Söhnen wohlhabender und mittelloser Familien hat er sie in der sogenannten „Prinzenschule“ von Mantua erworben. Nun aber muss er als Kommandeur eines Militärbündnisses seine Heimatstadt Mantua immer öfter – auch für längere Zeit – verlassen.



Frieden und Krieg

Der Frieden, der Oberitalien eine große Blüte beschert hatte, gehört durch die Kämpfe und Intrigen der „grandi Guerre de Italia“, der „großen Italienkriege“, mit einem Schlag der Vergangenheit an.

Die politische Landkarte Italiens im Jahr 1499 während der „grandi guerre de Italia“. Mantua liegt als kleine Markgrafschaft zwischen dem Herzogtum Mailand und der Republik Venedig. Foto: 
 CC BY-SA 3.0

Alle Staatsgeschäfte legt Francesco für die Zeit seiner Abwesenheit vertrauensvoll und ohne Zögern in die Hände seiner jungen Frau.

Während er also jahrelang in wechselnden Allianzen Schlacht um Schlacht schlägt und schließlich sogar in Gefangenschaft gerät, verwaltet und gestaltet Isabella die Markgrafschaft Mantua mit großem Geschick.

Trotz zahlloser Wirren und politischer Intrigen kann sich der Kleinstaat unbeschadet zwischen den Fronten behaupten. Und: Obwohl Unsicherheit und Bedrohungen ständig präsent sind, werden Isabella und Francesco Eltern von sieben Kindern.

Mutter, Fürstin, Mäzenin

Wie Isabella d’Este sieben Schwangerschaften und ihre Rolle als Mutter, die täglichen Entscheidungen und Aufgaben einer Fürstin und die Bewältigung permanenter diplomatischer Krisen bewerkstelligt, ist bewundernswert.

Denn obwohl Isabella am Hof von Mantua von Ratgebern und Helfern sicherlich unterstützt wird, steht sie doch ständig im Zentrum des turbulenten Geschehens.

Was also macht sie zu dieser Frau, deren Energie uns auch heute noch in Erstaunen versetzt?

Der Kunsthistoriker Jan Lauts gibt in seiner berühmten Biografie der Renaissancefürstin eine Antwort:
 „Ein von unerschöpflicher Vitalität genährtes, lebhaftes und willenskräftiges Temperament von weltzugewandter, weltfroher Offenheit, eine durch sorgfältige Erziehung entwickelte, reiche geistige Veranlagung und künstlerische Sensibilität befähigen sie dazu“, schreibt er 1952.

Ein Leben in Briefen

Und auch Isabellas Briefe geben für diese Einschätzung beredtes Zeugnis.

 Bis zum heutigen Tag sind 12.000 Briefe der Markgräfin an Zeitgenossen überliefert. Denn: Im Bewusstsein ihrer eigenen historischen Bedeutung lässt sie jeden ihrer Briefe – bevor er den Palast verlässt – von Schreibern in Folianten kopieren.

Brief Cesare Borgias an Isabella d’Este. Mantua, Staatsarchiv. Foto: Public Domain

Gleichzeitig werden abertausende Briefe, die sie erhält, als Originale im Archiv des Palazzo fein säuberlich archiviert. So überdauert fast ihre gesamte Korrespondenz die Jahrhunderte und schenkt uns bis heute tiefe Einblicke in den Alltag, die Politik, das Denken, Hoffen und Handeln im Zeitalter der Renaissance.

So führt Isabella umfangreiche Briefwechsel mit ihrem Mann, mit Verwandten, Freunden, Musikern, Komponisten, Wissenschaftlern, Literaten und Künstlern.

Leidenschaftliche Sammlerin

Letzteren beschreibt sie in großer Ausführlichkeit ihre Vorstellungen von Werken, die sie in Auftrag zu geben gedenkt.
 So präzise, dass man in gewisser Weise von einer schöpferischen Mitautorenschaft sprechen kann.

Bis ins kleinste Detail legt sie, so zum Beispiel dem berühmten Maler Perugino, eine figurenreiche Szenerie dar und bittet ihn, ihre „poetische Erfindung“, deren malerische Umsetzung sie sich „innig wünsche“, doch möglichst bald Wirklichkeit werden zu lassen.

Leonardo da Vinci, dem viel beschäftigten Baumeister, Erfinder, Forscher, Zeichner und Maler, widmet sie gleich mehrere Schreiben, um ihn für ein Ölgemälde zu gewinnen.

„Meister Leonardo“ schreibt sie, 30 Jahre alt, 1504: „Ich höre, dass Ihr gerade in Florenz weilt und habe dadurch die Hoffnung, dass ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen könnte: Etwas von Eurer Hand mein Eigen nennen zu dürfen.“

Isabella d’Estes berühmtestes Portät. Zeichnung von Leonardo da Vinci,
mit schwarzer, roter und gelber Kreide auf Papier, um 1500. Foto: Public Domain

Leonardo jedoch ist zu beschäftigt. Eine zarte Kohlezeichnung, das wohl berühmteste Porträt Isabellas, entsteht bei einem Aufenthalt am Hof von Mantua. Eines der sehr seltenen Ölgemälde Leonardos wird die kunstbegeisterte Markgräfin jedoch nie besitzen.

Reiches Erbe

1542, drei Jahre nachdem Isabella d‘Este, von der Bevölkerung Mantuas hochverehrt, im Alter von 65 Jahren stirbt, legt ein Notar eine Inventarliste ihrer Sammlung an. 1620 Gegenstände finden in ihr Aufnahme.

Diese befinden sich in Isabellas Studierzimmer, dem „Studiolo“ und der „Grotta“, einem großen Ausstellungsraum, im Palast von Mantua.

 Viele werden in den folgenden Jahrzehnten verkauft und wandern – verstreut in alle Welt – in Privatsammlungen und Museen.

Unvollendete Zeichnung des Kunstkabinetts der Isabella d’Este im Fürstenpalast von Mantua, Wasserfarben und Gouache mit schwarzer Kreide auf Papier, 19. Jahrhundert. Künstler: Vermutlich Joseph Nash. Foto: CC BY-SA 4.0

Was bis heute von Isabellas Erbe in Mantua überdauert, sind die mit reichen Vertäfelungen, Intarsien, Einbaumöbeln und Wandmalereien prachtvoll ausgestatteten Räume der Markgräfin im Palazzo Ducale.

Und: Das große Gemälde einer bewegten und fruchtbaren Epoche, das Isabellas d’Estes Korrespondenz in Tausenden von Facetten und Nuancen für die Nachwelt malt.

Renaissancefassade des Palazzo Ducale in Mantua, in dem Isabella d’Estes Kunstsammlung verwahrt wurde. Foto: Zairon, CC BY-SA 4.0



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