Das Konzepttheater hat das Regietheater abgelöst: Überfrachtete 45 Minuten

Das Zusammenwirken verschiedener Kunstgattungen, damit setzte sich auch das diesjährige Theatertreffen auseinander. Hier sollten ästhetische Prozesse in der bildenden Kunst und im Theater zusammengefügt, als eine Art Intermedialität gesehen werden.
Titelbild
Foto: Berliner Festspiele
Von 21. Mai 2016

Ein großer Aspekt des Berliner Theatertreffens wurde von Isa Genzkens Ausstellung „Mach dich hübsch!“ im Martin-Gropius-Bau inspiriert. Die Dreifache Documenta-Teilnehmerin hat auch im Jahr 2007 und 2015 Deutschland auf der Biennale von Venedig vertreten. Sie ist mit internationalen Preisen ausgezeichnet worden.

Isa Genzken ist eine radikale Künstlerin, die gerne verschiedene Genres miteinander vermischt. Sie hat in über dreißig Jahren ein vielseitiges und komplexes Oeuvre geschaffen, welches Skulpturen, Installationen, Filme, Fotografien, Malereien, Arbeiten auf Papier und Künstlerbücher umfasst. Signifikant für ihre Arbeit ist die Auswahl und Kombination so unterschiedlicher Materialien wie Holz, Gips, Epoxidharze, Beton, aber auch Kunststoffe und alltägliche Gebrauchsgegenstände und Konsumgüter.

Das Zusammenwirken verschiedener Kunstgattungen, damit setzte sich auch das diesjährige Theatertreffen auseinander. Hier sollten ästhetische Prozesse in der bildenden Kunst und im Theater zusammengefügt, als eine Art Intermedialität gesehen werden. Das Ganze nannte sich „Skulptur/Performance/Schauspiel“.  

Nicht umsonst zierte eine Arbeit von Ina Genzken das Plakat. Sie nennt es „Schauspieler“.

Schauspieler?

Zu erkennen ist eine Totenkopfmaske, die wiederum eine Augenmaske trägt und knallrote Kopfhörer. In schreienden Farben Gelb, Orange, und abbröckelndem Weiß könnte man das Ganze auch als das sehen, was momentan die Schauspieler an deutschen Bühnen erwartet. Oftmals überfrachtete hypermoderne Bühnenbilder, schrille Kostüme und nicht selten hat das Konzepttheater das Regietheater abgelöst.

Natürlich überall Video- und Musikeinblendungen, der Schauspieler scheint nicht mehr zu genügen. Damit sind auch die Möglichkeiten genommen, dass der Schauspieler sich als Individuum in seiner Rolle präsentieren kann – eben wie das Bild auf dem Plakat – zugeklebt und überfrachtet und verhängt mit diversen Kostümen und Requisiten. So auch der Abend am 20. Mai mit „Skizzen für einen Spielfilm“.

Hier veröffentlicht die Künstlerin Isa Genzken in stakkatohaften Textpassagen Stationen ihres eigenen Lebens.

Nach all den großen, bunten und nicht selten skurrile Inszenierungen der letzten zwei Wochen hätte es nun endlich einen Abend geben können, bei dem nichts anderes im Vordergrund steht als das, was Theater ausmacht, nämlich: die Sprache.

Nein, auch hier musste wieder ein seltsames überfrachtetes Bühnenbild mit unnötigen Requisiten aufgebaut werden, natürlich mit Videoeinblendungen, einer ständig agierenden Kamera, zugedröhnt mit seltsamen Geräuschen und Sounds. Alles Äußerlichkeiten, die für diese einfühlsamen Erinnerungsbilder nicht nötig gewesen wären. Die Schauspieler Jule Böwe, Karin Pfammatter und Felix Römer mussten auch noch in futuristischen Silberanzügen alá „Raumschiff Enterprise“ ausstaffiert werden. Und das alles in einem kleinen Theaterfoyer, in dem man normalerweise höchstens rumsteht und ein Glas Sekt trinkt.

Nun bemühten sich die drei gänzlich, den Texten mehr aufzudrücken als sie eigentlich hergaben. In verteilten Rollen waren die Akteure noch nicht einmal in der Lage, die 40 Minuten frei zu sprechen, jeder Satz musste abgelesen werden. Dazwischen schob jemand dann immer mal wieder ein Bild, natürlich mit Arbeiten von Isa Genzken vor die Kamera. Nun hockte das etwas ratlose Publikum im zugigen Foyer, versuchte zwischen Bildern, Sound und abstrusen Marsmenschen dem bisschen Text zu folgen.

Nach 40 ratlosen Minuten war man allerdings nicht sicher, sollte man froh sein dass das ganze Spektakel ein Ende hatte? Oder irritiert darüber, dass man für sein Eintrittsgeld nur dies bisschen zu sehen bekam?

Ein völlig verschenkter Abend. Schade, denn eigentlich stand das Festival im Zeichen weiblicher Kunst und Kraft.

Wieviel Sprache zu erzählen vermag

Monika Grütters, die Staatsministerin der Bundeskanzlerin, nahm diese Idee auf, um darauf aufmerksam zu machen, dass es über viele Jahrzehnte auffallend wenige Frauen in leitenden Positionen an den deutschsprachigen Bühnen gegeben hätte. Das diesjährige Theatertreffen wollte nun darauf aufmerksam machen, dass sich diesbezüglich vieles geändert hat. Fünf der zehn eingeladenen Stücke wurden von Frauen inszeniert. Darunter Anne-Sophie Mahler, Daniela Löffner, Karin Beier, Yael Ronen und Barbara Bürk. Und vier der neun vertretenen Schauspielhäuser werden momentan von einer Intendantin geleitet.

Nach diesem Abend bekam man allerdings das Gefühl, dass hier die Kunst einer Frau nicht ausreichte, sie musste mit viel Unnötigem zugepackt und aufgebläht werden, um eine Wirkung zu erzielen.

Wieviel Sprache zu erzählen vermag, wenn sie denn ganz auf ihre Kraft reduziert wird, soll hier der Auszug aus „Skizzen für einen Spielfilm“ von Isa Genzken verdeutlichen. Ein Gespräch aus dem Jahr 1988 mit ihrem damaligen Ehemann Gerhard Richter.

Und vielleicht nutzt das Theatertreffen für das nächste Jahr die Chance, das in Vordergrund zu stellen was Theater eigentlich ausmacht. Das gesprochene Wort!

„Skizzen für einen Spielfilm“ von Isa Genzken

XVII

Köln, im März 1988

Isa und Gerhard sitzen zusammen in ihrer Küchen und trinken Wein.

I.:        „Gerhard, die Frage, die mich eigentlich am meisten beschäftigt, ist, warum Du mich liebst.“

Gerhard lächelt:

„Das ist zu komplex, das ist so ein weites Feld, da gibt es keine Antwort drauf.“

I.:        „Naja, es könnte ja sein, daß es doch irgendeine Antwort darauf gibt, auch wenn es so kompliziert ist.“

G.:       „Nun musst Du auch bedenken, daß ich heute grippekrank bin.“

I.:        „Es könnte ja sein, daß Dir irgendetwas dazu einfällt…“

Gerhard sieht sie eine Weile an.

I.:        Es geht doch immer nur um eine einzige Antwort in der ganzen Konfusion, die man immer so hat.“

Gerhard sagte mit einer sehr entschiedenen Stimme:

„Weil ich dich brauche!“

I.:        „Das ist schön, das freut mich.“

G.:       „So sieht‘s aus.“

I.:        „Das geht mir genauso. Aber manchmal habe ich das Gefühl, vielleicht täusche ich mich da ja auch, aber es ist so mein Gefühl, daß wir ein ganz besonderes Paar sind.“

G.:       „Naja, in der Geschichte hat es schon viele besondere Paare gegeben. Das kann sein, das können wir noch nicht absehen, und so besonders liegt es mir gar nicht, weil das für mich immer mit Tragik verbunden ist, und davor habe ich Angst, und da will ich lieber kein besonderes Paar sein.“

I.:        „Ach so, ich empfinde das genau anders, wenn ich daran denke, ist es genau das Gegenteil von Tragik, es hat etwas mit Zukunft zu tun und nicht mit Kleist oder so.“

G.:       „Ich würde eher sagen, wir sind ein sonderliches Paar.“

I.:        „Es entstehen Ideen, die heilig sind, einen Wert haben, das ist der Grund meiner Liebe zu Dir.“

Auszug aus: Edition 22 / Berliner Festspiele 2016 / Isa Genzken / Skizzen für einen Spielfilm (1993)

Das Theatertreffen geht noch bis zum 22. Mai.

Weitere Informationen: www.berlinerfestspiele.de



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