Bruch zwischen USA und Deutschland jetzt öffentlich: Erster Tag der Münchner Sicherheitskonferenz
![Titelbild](https://images-de.epochtimes.de/uploads/2025/02/GettyImages-2198839922-800x450.jpg)
Die Münchner Sicherheitskonferenz gilt seit 1963 – damals noch unter anderem Namen – als weltweit wichtigstes Treffen führender Politiker, Diplomaten und Experten, um sich über Krieg und Frieden auszutauschen. Rund 600 Teilnehmer werden dieses Jahr im Hotel Bayerischer Hof erwartet. Doch JD Vance verblüffte alle. Der US-Vizepräsident nannte in seiner Rede am Freitag China, Russland und die Ukraine nur beiläufig. Vielmehr drückte er in erster Linie die Sorge der neuen amerikanischen Regierung über die Demokratien in Europa aus: In den USA beobachte man nach seinen Worten einen Verlust von demokratischen Werten und Meinungsfreiheit in Europa.
In der EU herrsche „digitale Zensur“
Dabei hatte er im zweiten Satz „die gemeinsamen Werte“ betont. Dann aber weiter: Die Annullierung der Präsidentenwahl in Rumänien im Dezember wegen mutmaßlicher russischer Beeinflussung und der Kommentar von einem ehemaligen EU-Kommissar, dass dies auch in Deutschland passieren könne, sei für ihn ein Schock gewesen.
Ein Anliegen war Vance außerdem die seiner Meinung nach wahrgenommene „digitale Zensur“ in Europa, wobei er offenbar auf den sogenannten „Digital Services Act“ (DSA) der Europäischen Union anspielte. Der DSA verpflichtet Anbieter digitaler Dienste, gegen illegale Inhalte und Hasskommentare vorzugehen. Die Einhaltung wird von der EU und nationalen Koordinierungsstellen überwacht.
Diese EU-Vorgabe ist in den Augen des US-Vizepräsidenten ein Teil der Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa. Vance wörtlich: „Etablierte Interessengruppen verstecken sich hinter hässlichen Begriffen aus der Sowjet-Ära wie Fehlinformation und Desinformation“, um unliebsame Stimmen auszuschalten.
Vance: Meinungsfreiheit in Europa in Gefahr
Als weitere Beispiele der Einschränkung der Meinungsfreiheit führte Vance in seiner Rede konkret einen Fall aus Schweden an, wo ein christlicher Aktivist wegen einer Koranverbrennung von einem Gericht verurteilt worden sei. In Großbritannien sei ein Mann im Oktober zu mehreren Tausend Pfund Strafe verurteilt worden, weil er in der Nähe einer Klinik, die Abtreibungen vornimmt, gebetet hat, sowie ein ähnlicher Fall in Schottland, wo es ebenfalls um ein Gebet gegangen sei. „Wenn wir unseren Bürgern erlauben, ihre Meinung zu äußern, werden sie [die Demokratien] dadurch gestärkt“, so Vance.
„Und so wie die Regierung Biden verzweifelt versuchte, Menschen zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung sagen, wird die Regierung Trump genau das Gegenteil tun. […] Wir mögen mit Ihren Ansichten nicht übereinstimmen, aber wir werden dafür kämpfen, Ihr Recht zu verteidigen, sie in der Öffentlichkeit zu äußern“, machte Trumps Vize deutlich.
Wir müssen wissen, was wir verteidigen
Es sei gut, dass Europa bereit sei, mehr für seine Verteidigung auszugeben, lobte Vance. Aber wir müssten nicht nur wissen, wovor wir uns verteidigen, sondern auch, was wir verteidigen. Für ihn und „für viele Europäer“ sei dies jedoch unklar. Es könne keine Sicherheit geben, wenn man Angst vor den eigenen Wählern hat, wurde Vance deutlich. Und noch schärfer: „Dann gibt es nichts, was die USA für Sie unternehmen können.“ Man könne nicht behaupten, man habe ein demokratisches Mandat gewonnen, wenn man die Gegner ins Gefängnis sperre.
München und die „Massenimmigration“
Als weiteres „Sicherheitsproblem“ identifizierte der amerikanische Vizepräsident die „Massenimmigration“. Sie sei eine „bewusste Entscheidung“ der Europäer gewesen. Das gestrige Attentat eines afghanischen Migranten aufgreifend, sagte Vance: „Wir haben gestern den Schrecken erlebt, der aus dieser Entscheidung entstanden ist.“ Es sei „eine schreckliche Geschichte, die wir in Europa und leider auch in den Vereinigten Staaten schon viel zu oft gehört haben“ und er fragte die Anwesenden: „Wie oft müssen wir das noch erleben, bevor wir etwas ändern?“
Vance redete den Zuhörern ins Gewissen: „Die Menschen sorgen sich für ihre Heimat. Sie sorgen sich um ihre Träume. Sie sorgen sich um ihre Sicherheit und ihre Fähigkeit, für sich und ihre Kinder zu sorgen. […] Es verwundert nicht, dass sie nicht von ihren Staatschefs herumgeschubst oder gnadenlos ignoriert werden wollen.“ Wenn man sie zum Schweigen bringe, zerstöre man die Demokratie.
Vertrauen Sie mir: […] Wenn die amerikanische Demokratie zehn Jahre Greta Thunbergs Schelte überleben kann, dann können Sie auch ein paar Monate Elon Musk überleben.“
Damit ging er darauf ein, dass Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk zur Wahl der AfD aufgerufen hatte, was wiederum von deutschen Politikern wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als dreiste Einmischung in den deutschen Wahlkampf zurückgewiesen worden war.
Wenn man an eine Demokratie glaube, dann solle man auch seinem Volk zuhören, sagte Vance. Als Vorbild für Europa nannte er Papst Johannes Paul II. Dieser sei ein „außerordentlicher Verfechter der Demokratie“ gewesen.
Noch vor Konferenzbeginn hatte sich Vance mit Steinmeier und Baerbock zu einem Austausch zusammengesetzt, nicht aber mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – laut Vance‘ Team aufgrund von Terminkonflikten. Am Nachmittag führte Vance ein Gespräch mit Merz über den Ukraine-Konflikt.
Nachdem der Vizepräsident in seiner Rede kritisiert hatte, dass Politiker der AfD, Linke und des BSW von der Konferenz ausgeschlossen wurden, empfing er überraschenderweise AfD-Co-Chefin Alice Weidel in seinem Hotel.
Steinmeier: Heftige Kritik an USA
Steinmeier hat die Sicherheitskonferenz eröffnet. Er räumte in seiner Ansprache ein, dass das bisherige Ziel 2 Prozent Bruttoinlandsprodukt als NATO-Beitrag nicht mehr ausreiche. „Daran geht kein Weg vorbei und jede neue Bundesregierung wird dafür die notwendigen Spielräume schaffen müssen“, sagte er jetzt.
Zu seiner Zeit als Außenminister (2013 bis 2017) hatte er entsprechende Forderungen des US-Präsidenten Barack Obama stets ignoriert.
Vor allem aber ging es Steinmeier um deutliche Kritik an den USA. Die Demokratien seien im digitalen Raum schon lange durch russische Aktivitäten bedroht. Damit widersprach er vorab den späteren Äußerungen von Vance. Und weiter: „Die neue amerikanische Administration hat ein sehr anderes Weltbild als wir. Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf Partnerschaft und gewachsenes Vertrauen.“ Er sei aber überzeugt, dass es „nicht im Interesse der Staatengemeinschaft“ sei, dass dieses Weltbild dominieren werde.
Steinmeier prangerte außerdem die „historisch beispiellose Konzentration von technologischer, finanzieller und politischer Macht“ in den USA an. Als Demokrat mache es ihm „größte Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen“. Und „wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen“, beklagte der Bundespräsident.
Von der Leyen betont Ukraine-Beitritt zur EU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) nannte in ihrer Rede drei konkrete Ziele für die Zukunft und Sicherheit Europas: Die Ausgabenmöglichkeiten der nationalen Haushalte für Verteidigung müssten erhöht werden. Zudem möchte sie eine gemeinsame europäische Finanzierung für Projekte, die von gemeinsamem europäischem Interesse sind, etablieren. Und schließlich beabsichtige sie, den EU-Beitrittsprozess der Ukraine zu beschleunigen. Vorher brauche die Ukraine „einen gerechten und dauerhaften Frieden“.
Von der Leyen weiter: „Wenn es um Europas Sicherheit geht, muss Europa mehr tun. […] Wir brauchen ein Europa, das pragmatischer, fokussierter und entschlossener auftritt. Ein Europa, das sich Bedrohungen entgegenstellt, ein Europa, das seine enormen Stärken und seine Macht in die Waagschale wirft, ein Europa, das der Ukraine und seinen Partnern zur Seite steht. Es gibt viel, was dieses Europa tun kann – und es wird sich diesen Herausforderungen stellen.“
Die Münchner Sicherheitskonferenz wird bis Sonntag tagen. Hauptthema soll die Beendigung des Ukraine-Krieges sein. Weitere geplante Themen sind die Lage im Nahen Osten, die Widerstandsfähigkeit von Demokratien gegen innere und äußere Feinde, der Klimawandel, nukleare Sicherheit sowie, wie mit Künstlicher Intelligenz umgegangen werden soll.
Bruch zwischen den USA und Deutschland jetzt öffentlich
Bereits die Eröffnungsrede des Bundespräsidenten offenbarte einen deutlichen Bruch zwischen Deutschland und den USA. Seine ungewöhnlich offenen Worte könnten sogar als Angriff auf die neue Regierung Trump gewertet werden. Warum das deutsche Staatsoberhaupt die weltweit wahrgenommene Münchner Sicherheitskonferenz derart konfrontativ eingeleitet hat, bleibt unklar. Ein möglicher Grund könnte die angebliche Weigerung des US-Vizes gewesen sein, sich mit dem deutschen Bundeskanzler zu treffen, der immerhin ein SPD-Parteikollege von Steinmeier ist.
Gleichermaßen ungewöhnlich wirken aber auch die Einlassungen von Vance über die von ihm als bedroht bezeichnete Meinungsfreiheit in Europa. Viele seiner Äußerungen konnten zudem so gewertet werden, als wären sie nicht auf Europa allgemein, sondern ganz konkret auf die innenpolitische Lage Deutschlands kurz vor der Bundestagswahl gemünzt. Wer möchte, kann aus den Mahnungen von Vance deshalb auch eine Wahlkampfrede herauslesen.
Unbestritten deutlich wird besonders an den beiden Reden von Steinmeier und Vance, dass Deutschland und die USA an einem Scheideweg stehen. Wenn Vance sagt, er sehe die Bedrohungen durch Russland und China nicht als die größte Gefahr, dann klingt das nach einer neuen Auffassung von Weltordnung, die so in Deutschland bislang nicht wahrgenommen wurde.
Diese Verschiebung des Verständnisses von Bedrohung vor allem ist es, die jede neue Bundesregierung vor eine fundamentale Herausforderung stellt. Wie Vance sagte: Europa, Deutschland muss sich erst mal klar werden, was es schützen will.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion