Wollen China und WHO wieder eine Kritikerin zum Schweigen bringen?
Als im Umfeld des Jahrestages des 11. Septembers einmal mehr alle erdenklichen Verschwörungstheorien über einen angeblichen „Inside Job“ die Runde machten, hatten offenbar die meisten der sogenannten „Faktenchecker“ Urlaub.
Auch Fake-News aus iranischen Quellen oder dem Medienimperium der KP Chinas haben meist geringere Chancen, „gelabelt“ zu werden, als manches erkennbare Satire-Meme. Hingegen werden Aussagen von US-Präsident Donald Trump regelmäßig schon kurz nach deren Erscheinen häufig von Empörungspathos begleiteter Beckmesserei unterzogen – und manche Persönlichkeiten, wie die chinesische Whistleblowerin Li-Meng Yan, verlieren gar ihren Twitter-Account.
Erbe unerwünschter Wahlergebnisse
Der „Faktenchecker“ als Institution ist ein Kind der Ereignisse von 2016. Im Felde unbesiegt hätten die Kräfte des Guten, so der Tenor, die Brexit-Abstimmung und die US-Präsidentenwahl verloren, weil der ungebildete Pöbel nicht auf die Qualitätsmedien und die „qualifizierteste Kandidatin, die sich je um das Amt beworben hatte“ (Ex-Präsident Barack Obama über Hillary Clinton), sondern auf russische Fake-News-Schleudern, mazedonische Spammer und rechte Verschwörungsideologen gehört hätte. Politiker forderten daraufhin je nach Geschmack Zensur, Verstaatlichung oder gar Zerschlagung von Facebook, Gesetze wie das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ drohten den Social-Media-Anbietern Millionenstrafen für nicht rechtzeitig gelöschte Inhalte an.
Die These der Whistleblowerin Li-Meng Yan, das neuartige Coronavirus sei in China in einem Labor hergestellt worden, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Der Eifer, mit der „Faktenchecker“ und Twitter gegen die Virologin vorgehen, wirft jedoch Fragen auf.
Diese Gesetze bezogen sich auf strafbare Inhalte – und Facebook bekam nach Monaten locker sitzender Löschbuttons die Aufgabe weitgehend mithilfe eigener Algorithmen in den Griff. Unerwünschte Inhalte, die diese Qualifikation nicht erfüllen, konnten damit jedoch nicht erfasst werden. Für Regierungen westlicher Länder wäre es mit einem hohen Risiko des Scheiterns vor Verfassungsgerichten verbunden gewesen, diese durch Gesetze unterbinden zu wollen. Strategien wie organisierte „Werbeboykotte“ durch Großunternehmen, wie jüngst gegen Facebook, stießen ebenfalls an die Grenzen ihrer Wirksamkeit.
„Faktenchecker“-Zunft unabhängig, aber nicht unparteiisch?
Um nicht erneut zum Sündenbock für ungünstige Entwicklungen in der politischen Sphäre gemacht zu werden, entschlossen sich die Betreiber sozialer Medien, sogenannte „Faktenchecker“ zu verpflichten, deren Aufgabe es sein sollte, nachweislich falsche Nachrichten zu kennzeichnen. Auf diese Weise sollen Nutzer davor bewahrt werden, diese zu lesen oder zumindest zu glauben. Verbreiter solcher Nachrichten wurden mit Einschränkungen der Reichweite oder – auf YouTube – Demonetarisierung bestraft, was für viele Seiten das Aus bedeutete.
Schon bald sollte sich herausstellen, dass „Unabhängigkeit“ der „Faktenchecker“ – die sich offenbar darauf bezog, von keinen staatlichen Stellen abhängig zu sein – nicht mit „Unparteilichkeit“ zu verwechseln ist. Sowohl die Prioritäten beim Aufspüren von angeblichen oder tatsächlichen Falschinformationen als auch die Tendenz, die sich darin offenbarten, weckten bisweilen Argwohn.
So ließen manche der „Faktenchecker“ es sich nicht nehmen, bloße Bilder mit Memes zu „prüfen“ – deren meinungsbildende Wirkung kaum über jene von Zeitungskarikaturen hinausgehen dürfte. Andere beschränkten sich nicht darauf, sachlich nachgewiesenermaßen unzutreffende Tatsachenbehauptungen zu inkriminieren, sondern auch über Interpretationen zu richten. Dies geschieht häufig bei redaktionellen „Faktencheckern“ von Medien, wenn es um Aussagen von Donald Trump geht.
„Narrativwächter“ als adäquaterer Ausdruck?
In sozialen Medien ist immer häufiger der Vorwurf zu hören, die sogenannten „Faktenchecker“ sollten sich treffender in „Narrativwächter“ umbenennen, weil es ihnen nicht immer nur um Tatsachen, sondern auch um die dazugehörigen Sichtweisen geht. Dass sich ihr Vorgehen bisweilen auch im Kontext mit Kampagnen traditioneller Medien bewegt, schwächt diesen Eindruck nicht unbedingt ab.
Einen sonderbaren Eindruck erweckt insbesondere eine aktuelle Kampagne, die nicht nur einen bemerkenswerten Gleichklang zwischen dem renommierten „National Geographic“ und der staatlichen chinesischen KP-Propaganda-Publikation „CGTN“ erkennen lässt, sondern auch die Frage aufwirft, welche Interessen hinter der Löschung eines Twitter-Accounts stecken können, dessen Follower-Zahl in keiner Relation steht zu der Machtfülle jener Akteure, die dort in unvorteilhafter Weise dargestellt wurden.
Die chinesische Whistleblowerin Li-Meng Yan verbreitet ihre Inhalte nach der Löschung auf Twitter nun via Facebook und Instagram. Die Zahl der Abonnenten liegt zwischen 500 und 1.500, Breitenwirkung erzielte die aus China geflohene Virologin jüngst unter anderem durch ein Interview mit Tucker Carlson auf „Fox News“ und in hiesigen Breiten durch einen – durchaus kritischen – Artikel in der „Bild“-Zeitung.
WHO-Kritik als Sakrileg
Dass die führenden sozialen Netzwerke den Aussagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Blick auf die Corona-Krise ein besonders hohes Maß an Autorität zubilligen, zeigt sich an der Tatsache, dass Bezug habende Inhalte auf Facebook oder YouTube häufig durch Einblendungen und Links ergänzt werden. Diese verweisen auf Informationsseiten zu COVID-19, welche von der zuletzt mehrfach in die Kritik geraten Organisation gestaltet werden oder deren Botschaften übermitteln.
In vielen Fällen wurden in sozialen Medien Beiträge von „Faktencheckern“ markiert, von Admins gelöscht oder gar Accounts und Gruppen entfernt, in denen Informationen zu der Seuche publiziert wurden, die möglicherweise Nutzer zu Handlungen verleiten könnten, die ihre Gesundheit gefährden.
Li-Meng Yan bestreitet jedoch weder die Gefährlichkeit oder das Ansteckungsrisiko von COVID-19, noch fordert sie dazu auf, Pandemiemaßnahmen zu missachten: Was die Virologin sich jedoch erlaubt, ist Kritik am Krisenmanagement der WHO – und Thesen zum Ursprung des Coronavirus zu äußern, die den von der Mehrheit der Forscher vertretenen Überzeugungen bezüglich des Ursprungs des Virus zuwiderlaufen. Yan vertritt die Überzeugung, das SARS-CoV-2-Virus sei in einem Labor hergestellt worden.
Synthetische Herstellung wahrscheinlicher?
Der „Yan-Report“, in dem die Virologin ihre Einschätzungen darlegt, wurde erstmals am 14. September auf der Open-Source-Forschungsseite Zenodo veröffentlicht. Darin legt die Forscherin dar, sie habe genetisches Beweismaterial auswerten können, das die Laborherstellung des Virus beweise und eine synthetische Herstellung wahrscheinlicher erscheinen lasse als ein natürliches Übergreifen aus der Tierwelt.
Letzteres ist jedoch die derzeit vorherrschende Arbeitshypothese der Mehrheit in der Forschercommunity. Unter anderem in einem im Juli veröffentlichten Papier des Viral-Genomforschers David Robertson aus Glasgow wird begründet, warum es wahrscheinlich sei, dass es eine direkte Entwicklungslinie zwischen dem bereits mehrere Jahrzehnte zuvor bei Fledermäusen aufgetretenen RaTG13-Virus und SARS-CoV-2 gibt, das zu 96 Prozent mit dem Erstgenannten identisch ist.
Yan handelt sich „Verschwörungstheoretiker“-Vorwurf ein
Anders als Zenodo-Veröffentlichungen kann sich Robertson darauf stützen, dass seine Untersuchung „peer-reviewed“ ist, also bereits eine Mehrzahl weiterer Forscher die Thesen unter die Lupe genommen habe. Yan hingegen hält in ihrem Papier ein „Genetic Engineering“ hinter dem Virus für wahrscheinlicher und wirft Verantwortlichen vor, Erkenntnisse dieser Art in Wissenschaftszeitschriften „zensiert“ zu haben.
Erwartungsgemäß hat Yan sich mit dieser Behauptung in der Forschergemeinde keine Freunde gemacht – und prompt meldeten sich bekannte Virologen wie Kristian Andersen und Carl Bergstrom zu Wort, die der chinesischen Kollegin vorwarfen, wissenschaftliche Literatur zur Zirkulation von Coronaviren in Fledermauspopulationen schlichtweg ignoriert zu haben.
Yan hielt dies eigenen Angaben zufolge nicht für erforderlich, weil sie bestreitet, dass SARS-CoV-2 in größerer Zahl Fledermäuse befallen habe und sich dort offenbar nicht in wesentlicher Weise weiterverbreitet hätte. Dies verkenne, dass sich Viren konstant weiterentwickeln und eine Übertragung von Tier zu Mensch bereits vor Jahrzehnten stattgefunden haben könnte.
Yan weist auf Entdeckung in Militärlabor hin
Ein weiterer Punkt, den Yan anführt, ist, dass das Spike-Protein, das es dem Virus ermögliche, Zellen zu infiltrieren, eine Spaltstelle für Furin-Protease aufweise. Da eine solche Eigenschaft, so Yan, an keinem anderen Coronavirus zu beobachten gewesen sei, müsse diese künstlich geschaffen worden sein. Es soll jedoch, wie andere Fachartikel nahelegen, Untersuchungen geben, die diese Einschätzung als unzutreffend darstellen.
Zu den gewichtigsten Argumenten für eine mögliche gezielte Herstellung des Coronavirus gehört im Yan-Report der Hinweis, dass es verdächtige Parallelen zwischen SARS-CoV-2 und zwei Strängen von Fledermaus-Coronaviren gäbe, ZC45 und ZXC21, die von Wissenschaftlern in chinesischen Militärlabors entdeckt worden waren. Dies lasse darauf schließen, dass die Stränge als Muster zur Entwicklung des neuartigen Coronavirus herangezogen worden sein könnten.
Diesen Schluss halten Virologen wie Rasmussen nicht für zwingend. Die Stränge unterschieden sich immerhin in 3.500 Nukleotidbasenpaaren. Diese Anzahl an Unterschieden wäre zu groß, um eine Grundlage für eine Modifizierung mit auch annähernd angemessenem Aufwand abzugeben. Auch wenn genetische Sequenzen durch Enzyme zerteilt oder manipuliert werden könnten, und SARS-CoV-2 solche „Restriktionsenzym-Spaltstellen“ aufweise, wie sie manchmal beim Klonen verwendet würden, sei das Vorhandensein dieser Sequenzen auch in der Natur in allen Genomtypen vorhanden.
Ergebenheitsadresse gegenüber China?
Klonen auf der Grundlage von Restriktionsenzymen sei eine sehr überholte Technik, und für die Herstellung einer viralen Biowaffe sei ihre Verwendung, so Rasmussen, unwahrscheinlich. Im Grunde sei die Herstellung eines künstlichen Virus eine extrem komplexe Sache, zumal auch die Wissenschaft selbst erst am Anfang stehe, wenn es darum gehe, das Infektionsverhalten anhand von molekularen und genetischen Prädispositionen zu erklären.
Unterm Strich sind dies alles jedoch Argumente, die auf der Grundlage eines freien Austauschs erörtert und bewertet werden können. Wissenschaftler mit entsprechender Erfahrung und Peer-Review-Optionen scheinen dafür möglicherweise kompetenter zu sein als Journalisten, die sich als „Faktenchecker“ ein Zubrot verdienen und durch ihre Bewertungen den Verantwortlichen in sozialen Medien Grundlagen zu verschaffen, um missliebige Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Die Verbannung von Li-Meng Yan von Twitter und die massive und zum Teil untergriffig geführte Kampagne gegen die Virologin lassen auch bei genauerer Analyse des Sachverhalts keinerlei Verhältnismäßigkeit erkennen. Es sei denn, es geht um mehr als nur darum, ein Publikum über hinterfragbare wissenschaftliche Thesen und Schlussfolgerungen in Kenntnis zu setzen.
Möglicherweise ist die Kritik von Kollegen an den Inhalten des Yan-Reports nur ein Vorwand gewesen, um die Whistleblowerin zum Schweigen zu bringen.
Mit ihr verliert Twitter vor allem eine kritische Stimme bezüglich der Vertuschungspolitik des KP-Regimes in der Ausbreitungsphase des Coronavirus – und bezüglich der fragwürdigen Rolle der WHO in diesem Kontext.
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