Prof. Dr. Rudolf G. Wagner: Grußwort zum 1. Juni 2005
Grußwort an Epoch Times zur Podiumsdiskussion am 1. Juni 2005:
Das Fruehjahr 1989 markiert einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des modernen China. Die chinesische KP Fuehrung entscheidet sich, vor dem Hintergrund der Aufloesungserscheinungen in allen anderen Teilen der sozialistischen Welt, ihre ‚Diktatur des Proletariats‘ vor den Augen der Kameras der Welt auch mit Panzereinsatz gegen Buerger des eigenen Landes zu verteidigen. Der wichtigere Einschnitt war jedoch der, dass hier zum ersten Male in der neueren Geschichte Chinas Buerger unter bewusstem Verzicht auf Gewalt und Gewaltandrohung oeffentlich und gemeinsam eine Regierung forderten, die nicht nur von der KP-Fuehrung, sondern von der chinesischen Gesellschaft zu ihrer Rolle legitimiert ist und dieser Gesellschaft auch Rechenschaft schuldet. Diese Absage an die Lehre von der „Unverzichtbarkeit der Gewalt“ zum Erreichen weitgehender gesellschaftliche Veraenderungen, mit der die aufeinanderfolgenden Generationen seit fast 100 Jahren in China aufgewachsen sind, enthaelt im Kern auch den Wunsch zu einem friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Orientierung und die Bereitschaft, solche Unterschiede zu akzeptieren.
Mit ihrem Dogma von der notwendigen und legitimen Gewaltanwendung zum Erreichen politischer Ziele, seien diese das ideologische und Organisationsmonopol in der VR China selbst, die Eingliederung Taiwans, oder der Erhalt der eigenen Macht isoliert sich die KP Fuehrung nicht nur gegenueber der internationalen Gemeinschaft, sondern auch gegenueber dem eigenen Volk.
Da in China selbst solche Meetings und Diskussionen, wie sie nun in Berlin stattfindet, nicht moeglich sind, kommt denjenigen im Ausland, denen die kulturelle und die materielle Zukunft des chinesischen Volkes am Herzen liegt, die besondere Verantwortung zu, das oeffentlich zu artikulieren, was in China selbst noch aus dem Internet gefiltert wird.
Meine besten Wuensche gelten dem Gelingen des Meetings in Berlin.
Rudolf G. Wagner
Heidelberg
Professor Wagner ist Leiter des Sinologischen Instituts der Universität Heidelberg.
Specially appointed Professor of the Shanghai Academy of Social Sciences Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften Leibniz-Preisträger 1992, des höchsten deutschen Wissenschaftspreises
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