Die schwierige Arbeit eines Strafverteidigers in China

Vortrag eines chinesischen Anwalts vor Studenten der Yale Universität
Titelbild
Der chinesische Rechtsanwalt und Strafverteidiger Mo Shaoping bei einem Vortrag in den USA.Foto: ZHU JIANG/THE EPOCH TIMES
Von 27. Oktober 2005
Der chinesische Rechtsanwalt und Strafverteidiger Mo Shaoping bei einem Vortrag in den USA.Der chinesische Rechtsanwalt und Strafverteidiger Mo Shaoping bei einem Vortrag in den USA.Foto: ZHU JIANG/THE EPOCH TIMES

Die juristische Fakultät der altehrwürdigen amerikanischen Yale Universität hatte Mitte Oktober einen besonderen Dozenten zu Gast. Mo Shaoping gehört zu den wenigen Rechtsanwälten in China, die auf dem dort gefährlichen Feld des Strafverteidigers tätig sind. Er hat schon viele politische Dissidenten vertreten, eingeengt durch die Besonderheiten der KP-abhängigen  Gerichte. Titel seines Vortrags war „Missbrauch bei der Anwendung der Gesetze in China“. Die etwa 50 Zuhörer waren überwiegend chinesische Studenten, die dem Referenten viele Fragen stellten und trotz des ernsthaften Themas Mos häufig humorvolle Antworten herausforderten.

Am Anfang des Vortrags standen statistische Daten. Zwischen 1997 und 2002 wurden in China rund 500 Anwälte verhaftet, weil sie in Strafverfahren tätig waren. Weniger als 30 Prozent aller Strafverfahren werden von Verteidigern begleitet. Zwei Faktoren haben zu dieser Situation geführt, die für die amerikanischen Zuhörer kaum vorstellbar waren: erstens, China verfügt über  kein unabhängiges Rechtssystem, zweitens, Chinas Verteidiger-System ist nicht gut entwickelt. Für einen Strafverteidiger bestehen sieben grundlegende Schwierigkeiten. (siehe unten)

Das KP-Regime ist die Ursache des Amtsmissbrauchs

Mo Shaoping wurde nach seinem Vortrag zu der aktuellen Novellierung des Strafrechtsverfahrens durch den chinesischen Volkskongress befragt, die sowohl das „Recht des Schweigens“ als auch die „Immunität des Anwalts“ betrifft. In seiner Antwort sagte er,  „Der Chef-Richter an Chinas Oberstem Gerichtshof, Xiao Qiang, betont die Verstärkung der KP-Führerschaft über Chinas Rechtssystem und ihre auf immer fest zementierte Rolle.“ Solange Chinas Gerichtswesen nicht unabhängig ist, werden Novellierungen der einzelnen Gesetzesparagraphen die grundsätzlichen Probleme nicht lösen.

Mo Shaoping sagte: „Laut Artikel 126 des Strafgesetzbuches (letzte Fassung von 1997) fällt das Gericht seine Entscheidungen unabhängig und ohne Bericht an verwaltungs-, gesellschafts- oder personenbezogene Organisationen. Dennoch ist es nicht unabhängig von KP, Militär oder anderen Organen. Dies erlaubt es der KP, das gesamte Gerichtswesen zu kontrollieren —  ‚Wer den Prozess führt, kann nicht das Urteil fällen, und wer das Urteil fällt, führt nicht den Prozess.’ Die Richter, die dem Prozess beiwohnen, haben nicht die Befugnis, das Urteil zu fällen; sie müssen einem Rechtskomitee Bericht erstatten, dessen Mitglieder wiederum beim Prozess nicht anwesend waren. Es heißt, auf lokaler Ebene kontrolliert die KP die Positionen, die [örtliche] Regierung kontrolliert das Budget, und die politischen und die Rechtskomitees sind mit den einzelnen Fällen befasst.

Recht und Unrecht – eine Frage der Werteskala

Nach dem Vortrag wurden viele Fragen zu dem Unterschied zwischen chinesischer und westlicher Rechtsauffassung gestellt und wie sie miteinander zu vereinbaren seien. Mo Shaoping betonte immer wieder seine Ansicht, dass dies von der Werteskala des jeweiligen Systems abhänge.

Der Referent berichtete auch über die Bedrohungen, denen er während der Verteidigung politischer Dissidenten von Seiten der Ankläger ausgesetzt ist. Auch wurden seine Telefongespräche abgehört und er wurde überwacht. Trotz dieser Risiken übernahm er Menschenrechtsfälle, die in der Öffentlichkeit sehr bekannt geworden waren. Mo Shaoping hielt am Schluss mit seiner Überzeugung nicht zurück: „Ich denke, die Geschichte wird eines Tages darüber entscheiden, was bei dem heutigen Geschehen Recht und Unrecht ist.“

Die sieben größten Schwierigkeiten eines Strafverteidigers in China

1) Die Schwierigkeit, seinen Mandanten zu treffen

Termine und Ort  werden von den Organen der Öffentlichen Sicherheit festgelegt. Diese sind bei den Treffen ebenfalls anwesend und können das Gespräch jederzeit unterbrechen.

2) Die Schwierigkeit, in den Besitz der Unterlagen zu gelangen

Die Anklage legt fest, welche Unterlagen dem Gericht als Beweise übergeben werden. Dem Anwalt sind nur die Dokumente zugänglich, die von der Anklage zugelassen werden.

3) Die Schwierigkeit, nachzuforschen und in den Besitz von Beweisen zu gelangen

Anwälte in China haben nur eine geringe Möglichkeit, Nachforschungen anzustellen. Die Suche nach prozessrelevanten Daten muss vom Staatsanwalt, vom Gericht und von den Zeugen genehmigt werden.

4) Die Schwierigkeit, Zeugen vor Gericht zu laden

In China gibt es bei Gericht in etwa 95 Prozent der Strafverfahren keine Zeugen. Der Staatsanwalt unterbreitet lediglich die Erklärung des Zeugen, aber der Anwalt kann diesen Zeugen nicht persönlich befragen.

5) Die Schwierigkeit der Aussageverweigerung

Das chinesische Strafgesetz schützt nicht das Recht auf Aussageverweigerung.  Es schreibt vor, dass der Angeklagte alle Fragen der Anklage beantworten muss. Unter der chinesischen Polizei ist es sehr verbreitet, Geständnisse durch Folter zu erpressen.

6) Die Schwierigkeit, Fälle in der vorgegebenen Zeit abzuschließen

Das Gerichtssystem in China ist bei weitem nicht vollkommen. Viele Fälle werden aufgeschoben, weil sie nicht in der vorgegebenen Zeit behandelt werden können.

7) Die Schwierigkeit, die Macht einiger Organisationen in Balance zu halten

Das chinesische Strafrecht billigt bestimmten Organisationen ohne entsprechende Untersuchung und ohne das Gleichgewicht zu wahren, Einflussnahme zu. Daher könnte es sein, dass bei Menschenrechts-Fällen auch so genannte „Staatsgeheimnisse“ eingeschlossen sind. Das ist abhängig von der Laune des Staatssicherheitsbüros, dem die jeweilige Definition zusteht. Dadurch entstehen zusätzliche Schwierigkeiten für die Arbeit des verteidigenden Anwalts.



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