Chinesen bedauern Rücktritt von U.S. Botschafter Gary Locke
Vor kurzem gab Gary Locke, amtierender Botschafter der USA in China, seinen Rücktritt zum Frühjahr 2014 bekannt. Das chinesische Internet nahm die Nachricht mit Bedauern auf: Sofort wurde gemunkelt, ob er das Regime verärgert hat. Denn eins ist sicher – der ehemalige amerikanische Handeslminister, der seit August 2011 Botschafter in Peking war, ist außergewöhnlich beliebt.
Ein Diplomat fliegt Economyklasse
Der Los Angeles Times sagte Locke, seine Abdankung geschehe aus familiären Gründen – damit seine Kinder die High School in Amerika besuchen könnten. Ein Blick auf Lockes Amtszeit lässt anderes vermuten: Schon vor Amtsantritt wurde der chinesisch-stämmige Amerikaner auf einen Schlag berühmt: In Chinas Internet zirkulierte ein Schnappschuss, der ihn mit seiner Familie am Flughafen von Seattle zeigte. Locke stand da vor seinem Abflug – Economyclass nach Peking – wie ein ganz normaler Mensch bei Starbucks an, um sich einen Kaffee zu kaufen. Mit Rucksack auf dem Rücken. Und das als Diplomat! Für die Chinesen eine Sensation.
Würden doch mehr chinesische Beamte auch mal Economyclass fliegen, seufzte das Internet. Chinas selbstgefällige Beamte würden doch nie ihr eigenes Gepäck tragen oder selbst Schlange stehen, hieß es außerdem.
Was hatten sie nur gegen ihn?
Lockes Stil der bürgerlichen Bescheidenheit sieht nun so gar nicht nach Querulantentum aus. In den Augen der KP-Funktionäre war er dies aber. Schon nach seinem ersten Monat in Peking nannte ihn das KP-Sprachrohr Global Times einen „Polit-Star“, der „aus seiner Anständigkeit eine Show“ machen würde.
Weitere Vorkommnisse verfestigten Lockes Image: Zum Beispiel, als er im April 2012 ablehnte, beruflich in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht zu werden. Die Kosten hätten den von der US-Regierung genehmigten Rahmen um ein Dreifaches überschritten.
Der mäklige Ton über den Braven durchzog verschiedene Artikel in Chinas Staatsmedien: Er grenze sich demonstrativ und absichtlich ab, „um in der Gesellschaft Unruhe zu stiften“ und „Chinas Angelegenheiten zu beinträchtigen“. Was aber seine chinesischen Kollegen am meisten zu nerven schien, war seine Beliebtheit beim Volk. Und für die gab es handfeste Gründe.
Die Luftqualität
Locke begann mit der regelmäßigen Veröffentlichung der Pekinger Luftwerte. Er ließ die Feinstaub-Belastung täglich messen, die von den offiziellen Zahlen differierte: „Alles noch viel schlimmer“, sagten seine Ergebnisse. Der Ärger blieb nicht aus: „Die Lufttests der amerikanischen Botschaft stören das städtische Management“, beschwerte sich die Beijing Daily wenig später. Die Blogger begrüßten seine Umwelt-Arbeit, die zuständige Behörden unter Zugzwang setzte.
Hilfe für Dissidenten
Im April des gleichen Jahres entkam der blinde Dissident Chen Guangcheng aus dem Hausarrest in seiner Heimatstadt Linyi, Provinz Shandong und floh nach Peking. Locke nahm ihn in der Botschaft auf, sorgte für Chens medizinische Versorgung und seine Ausreise in die USA. Beijing Daily nannte dies „rücksichtslos” und einen „Schaden für die gesellschaftliche Stabilität Chinas.“
Auf Augenhöhe
Die berühmteste Szene aus Lockes China-Aufenthalt spielte jedoch im Oktober 2011 auf einer Austellung des Animationsfilmproduzenten Pixar: Ein 9-jähriges Mädchen namens Yang Zhimei durfte damals eine exklusive Frage an den Botschafter richten und fragte: „Wie waren Sie in der Schule?“ Locke ging in die Knie um sich mit ihr auf Augenhöhe über 10 Minuten zu unterhalten. Damit hatte niemand gerechnet. Schon gar nicht die kleine Zhimei. In Bezug auf die Begegnung sagte sie später: „Die Erwachsenen in Amerika sind vielleicht alle so. Das ist Anstand.“
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