Hongkong: Peking wechselt vier Minister aus – wird die Autonomie der Sonderverwaltungszone zerstört?
Chinas Zentralregierung will in Kürze in Hongkong vier Minister auswechseln. Einiges deutet darauf hin, dass Peking sich künftig stärker in die Politik der Sonderverwaltungszone einmischen wird. Hongkongs Regierung gab bereits Erklärungen dazu ab – und Hongkonger Abgeordnete reagieren darauf zunehmend besorgt.
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Die Skylines von Kowloon (hinten) und Hongkong Island (vorne) in Hongkong am 7. April 2020.
Lokale Medien in Hongkong berichten, dass Chinas Zentralregierung in Peking vier hochrangige Beamte in der Regierung Hongkongs ersetzen will. Dies würde inmitten der jüngsten politischen Ereignisse geschehen, die bereits die Verschärfung der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas über Hongkong andeuten.
Hongkong, eine ehemalige britische Kolonie, wurde 1997 an China zurückgegeben. Jedoch mit der ausdrücklichen Garantie, dass die Autonomie und die wesentlichen Freiheiten der Stadt gewahrt bleiben sollen.
Die aktuellen Medienberichte geben erneut Anlass zur Sorge, Peking könnte sich weiter in die Angelegenheiten Hongkongs einmischen.
Vor einer Woche wurden aus zwei Büros des chinesischen Regimes außergewöhnliche Angriffe auf Gesetzgeber im Legislativrat von Hongkong verübt. Die Aktivitäten des Verbindungsbüros und des Büros für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrates lösten damit eine Debatte über die Grenzen der Einmischung Pekings aus.
Vier neue Minister
Hongkonger Medien, darunter die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt „RTHK“, zitierten anonyme Quellen. Diese bestätigten, dass die Zentralregierung in Peking vier Spitzenminister in Hongkong auswechseln will.
Patrick Nip Tak-kuen, bisher Sekretär für Verfassungs- und Festlandangelegenheiten – sein Büro ist für Handel, Wirtschaft und andere Formen der Zusammenarbeit zwischen Hongkong und dem Festland zuständig – werde demnach das Büro für den öffentlichen Dienst übernehmen.
Der derzeitige Einwanderungsdirektor Erick Tsang Kwok-wai werde dann Nip ersetzen. Und Tsang werde durch den derzeitigen stellvertretenden Direktor Au Ka Wang ersetzt.
Der derzeitige Direktor des Büros für den öffentlichen Dienst, Joshua Law Chi-kon, werde die Regierung verlassen, nachdem Nip seinen Posten übernommen haben werde, so der „RTHK“-Bericht. In der Zwischenzeit werde demnach Lau Kong-wah, der derzeitige Innenminister, durch Caspar Tsui Ying-wai, den derzeitigen Unterstaatssekretär für Arbeit und Wohlfahrt, ersetzt.
Lau wurde 1985 als Bezirksrat in Sha Tin gewählt und begann damit seine politische Laufbahn.
Der Sekretär für Innovation und Technologie, Nicholas Young Wei-hsiung, und der Sekretär für Finanzdienstleistungen und Finanzen, James Henry Lau Jr., werden ebenfalls aus ihren Regierungsämtern ausscheiden. Sie werden durch den Direktor für elektrische und mechanische Dienstleistungen, Alfred Sit, und den Exekutivdirektor des Rates für die Entwicklung der Finanzdienstleistungen, Christopher Hui Ching-yu, ersetzt.
Dem Bericht zufolge werden diese Änderungen in Kürze offiziell bekannt gegeben.
Einige örtliche Abgeordnete sagten, dass diese Schritte den sich verschärfenden Einfluss Pekings auf Hongkong widerspiegeln. „Dies ist keine gewöhnliche Umbildung. Dies ist eine Machtdemonstration“, sagte der Abgeordnete der Bürgerpartei, Alvin Yeung, gegenüber Reuters.
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam bei ihrer wöchentlichen Pressekonferenz am 21. April 2020.
Foto: Anthony WALLACE/AFP via Getty Images
Drei Versionen der Erklärung aus Peking
Die Änderungen erfolgten, nachdem die Regierung von Hongkong drei verschiedene Fassungen einer Erklärung zu den Befugnissen der für Hongkong zuständigen Vertretung Pekings, des Verbindungsbüros, veröffentlicht hatte.
Am 18. April vor 19.00 Uhr veröffentlichte Peking eine Erklärung. Sie enthielt den Hinweis, dass das Verbindungsbüro „von der Zentralregierung in Übereinstimmung mit Artikel 22 Absatz 2 des Grundgesetzes“ eingerichtet wurde. Peking verwies dabei auf die Miniverfassung der Stadt, die Regeln und Vorschriften für die Zeit nach der Übergabe festlegt.
Diese Bestimmung verbietet es allen „Abteilungen der Zentralen Volksregierung“, sich in die inneren Angelegenheiten Hongkongs einzumischen. Sie besagt auch, dass alle von solchen Abteilungen eingerichteten Büros die örtlichen Gesetze einhalten müssen. Gegen 23.30 Uhr wurde die Erklärung überarbeitet, wobei der Verweis auf das „Grundgesetz“ gestrichen wurde.
Nach Mitternacht wurde die Erklärung aktualisiert und festgestellt, dass das Verbindungsbüro unter „der Zentralen Volksregierung [mit Bezug auf Peking]“ und nicht nach Artikel 22 Absatz 2 des Grundgesetzes eingerichtet wurde.
Am 20. April veröffentlichte die Regierung eine weitere Erklärung, in der sie sagte, dass die Änderungen vorgenommen wurden, weil sich die ursprüngliche Erklärung als „sachlich ungenau“ erwies, und bekräftigte, dass das Verbindungsbüro nicht gemäß den Bestimmungen des Grundgesetzes eingerichtet worden sei.
Am 21. April wiederholte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam die Erklärung. Sie betonte, dass die beiden Büros in Peking die Aufsichtsbefugnis in Hongkong haben.
Peking will offenbar Hongkong stärker kontrollieren
Beobachter werteten diese Erklärung als Zeichen dafür, dass Peking sich in Zukunft direkt in Hongkongs Angelegenheiten einmischen werde.
Der in den USA ansässige Kommentator für China-Angelegenheiten, Tang Jingyuan, sagte, diese Erklärung sei zusammen mit den jüngsten Verhaftungen von 18 pro-demokratischen Aktivisten und Gesetzgebern in Hongkong und den jüngsten Nachrichten über personelle Veränderungen ein Zeichen für Pekings Wunsch, „die Kontrolle über Hongkong zu verschärfen“.
„Ich glaube, dass wir bald die nächsten Schritte Pekings sehen werden. Das letztendliche Ziel ist, dass Peking diese Periode der Pandemie [in der die Aufmerksamkeit der Welt auf die Pandemie gerichtet ist, Anm. d. Red.] nutzen will, um die Kontrolle über Hongkong zu übernehmen“, kommentierte Tang.