China: Dritte große Flutwelle am Jangtse – Region Anhui geopfert – Fluten auch im Norden

Dass im Juli drei große Flutwellen zu verzeichnen sind, ist für China eine Seltenheit. Nicht nur der Südwesten und Osten Chinas ist überschwemmt, auch der Norden ist zunehmend betroffen.

Selbst für China ist es ein seltenes Ereignis, dass im Juli gleich drei große Flutwellen zu verzeichnen sind. Doch in diesem Jahr, dem Jahr der Pandemie, ist es genau das, was Land und Leuten zusätzlich zu schaffen macht.

Anfang der letzten Juli-Woche erreichte die dritte Flutwelle den „Drei-Schluchten-Damm„. Für die flussabwärts gelegenen Gebiete am Jangtse, dem drittlängsten Strom der Welt, sieht es nicht gut aus. Für August werden weitere heftige Regenfälle erwartet, mindestens das Doppelte der für diesen Monat üblichen Niederschläge, die in der aktuellen Regenzeit ohnehin schon die stärksten im Jahr sind.

Doch Chinas Deiche, Reservoirs und Dämme entlang des Jangtse-Flusses kämpfen schon seit Wochen mit hohen Wasserständen. Die Gefahr von Schäden und Deich-Brüchen ist nach wie vor hoch.

Die chinesischen Behörden sagen, dass ab Mittwoch, dem 29. Juli, die Regenfälle nach Norden wandern werden. Somit werden die Regionen des Gelben Flusses und die Regionen Sichuan, Tibet und Xinjiang betroffen und von starken Gebirgsbächen bedroht.

Auch in anderen Provinzen Nordchinas und der Region Innere Mongolei wird mit schweren Regenfällen, Gewitter oder Hagel und infolge auch weiteren Überschwemmungen gerechnet.

Menschengemachtes Hochwasser in Anhui

Mit am stärksten von den Überschwemmungen ist die Nachbarprovinz von Hubei mit Namen Anhui in Ostchina getroffen. Bereits im Juni fielen hier 54 Prozent mehr Niederschläge als üblich, der Rekord der vergangenen 60 Jahre. In einigen Städten überstieg das Wasser die Überlaufstufe des Hochwassers um zwei Meter.

Zusätzlich zu den außergewöhnlich starken Regenfällen hatten die Behörden noch das aufgestaute Hochwasser in diese Gebiete geleitet, um die reicheren Regionen und Städte wie Shanghai zu schützen.

Die größte Öffnung der Schleusentore am Wangjia-Damm fand offenbar vor über einer Woche statt. Etwa 200.000 Menschen sind betroffen. Die Felder standen unter Wasser und mit ihnen die erhofften Ernten. Fische und Garnelen wurden aus Teichen fortgeschwemmt. Allein ein Fischzuchtbetrieb verlor drei Millionen Fische. Zudem wurden zahlreiche Häuser weggespült.

Wie viele und wie oft Fluttore von Dämmen in dieser Provinz geöffnet wurden, darüber berichteten die chinesischen Medien äußerst zurückhaltend und unvollständig. Stattdessen wurde Heldenpropaganda in China gesendet, wie „aufopfernd“ sich die Bewohner von Anhui verhalten hätten, um die reicheren Regionen zu schützen. Einer dieser ungefragten Helden kam zu Wort:

Wir Bauern haben alles ausgegeben, was wir hatten, um 50 Hektar Reis zu pflanzen und anzubauen. Das hat eine Menge Geld gekostet: Vertragsgebühren, Saatgutgebühren, Pestizidgebühren, Arbeitskosten. Jetzt ist alles überflutet. Wir wissen wirklich nicht, wie wir uns der Zukunft stellen sollen.“

Dies war das 16. Mal, dass der Damm absichtlich geöffnet wurde. Die Einheimischen befinden sich in einer verzweifelten Lage. Ein älterer Mann sagte, die Menschen in Anhui hätten zu viel für Menschen aufgegeben, die an anderen Orten leben. Er bat darum, dass man den Menschen aus Anhui etwas zu essen geben möge, wenn sie bettelnd zu den Häusern anderer Menschen kommen.

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Restaurants in Deiche gebaut

In den letzten Tagen kam es zu einem weiteren Vorfall im Zusammenhang mit den Überschwemmungen. Am Jangtse bei Nanjing, einer knapp 6-Millionen-Stadt in der Provinz Jiangsu, Ostchina, wurden einige Luxusrestaurants entdeckt, die dort eigentlich nicht sein sollten, aber schon seit sechs Jahren dort stehen und geöffnet sind.

Zu dem Zeitpunkt galt für das Gebiet die höchste Hochwasserwarnstufe. Die nicht genehmigten Bauten wurden von einer Baufirma in den Deich hineingebaut und an Geschäftsinhaber vermietet. Die Restaurants wurden gleich nach der Entdeckung noch über Nacht abgerissen.

Schreckensszenen in Chongqing und Sichuan

Flussaufwärts des großen Damms sieht es wenig besser aus. In der Mega-City Chongqing stürzten zwei Fußgänger in einen Erdfall, weil dort der Gehweg zusammengebrochen war. So berichteten staatliche Medien am 29. Juli. Die beiden Passanten überlebten das Unglück und wurden von lokalen Feuerwehrleuten gerettet.

In Teilen der Provinz Sichuan lösen sintflutartige Regenfälle Erdrutsche aus. Beschädigte Straßen und Stromausfälle in einigen Gebieten waren zu verzeichnen.

Ein online kursierendes Video zeigt einen Mann, der versucht, sein Vieh aus den Fluten zu retten. Letztlich muss er zusehen, wie ein Tier nach dem anderen verloren geht.

Aus einer Stadt weiter flussaufwärts dokumentiert ein Video schwere Überschwemmungen, die Autos hinwegspülen. Eine Person war im ersten Geschoss eines Gebäudes von den Wassermassen eingeschlossen. Bald schon hatte das Wasser das Stockwerk überflutet. Laut der Stimme im Video konnte die Person vorher entkommen. Fast die gesamte Innenstadt steht unter Wasser.

Weiter flussabwärts stieg das Hochwasser mehrere Meter hoch. Von den Schulgebäuden waren nur noch die Dächer zu sehen.

China-Karte, Provinzen. Foto: istockphoto/Rainer Lesniewski

Zweifel an offiziellen Zahlen

Nach Angaben des chinesischen Amtes für Notfallmanagement waren am 21. Juli rund 55 Millionen Menschen in 27 Provinzen vom Hochwasser betroffen. 160 Menschen sollen gestorben sein oder werden vermisst.

Allerdings stellten nach mehreren Interviews mit Einheimischen unsere Reporter fest, dass viele Todes- oder Vermisstenfälle in den offiziellen Zahlen nicht aufgeführt waren.

Auch sagten die Behörden in China, dass die direkten Verluste durch die Überschwemmungen etwa zwei Milliarden Dollar erreicht hätten. Eine Möglichkeit, diese Zahl unabhängig zu bestätigen, ist derzeit nicht gegeben.

 



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