Auf erzwungener Wanderschaft durch China
Kesseltreiben gegen Rechtsanwalt Gao Zhisheng.
Seit fast 150 Tagen werden der Pekinger Rechtsanwalt Gao Zhisheng und seine Familie von der chinesischen Geheimpolizei belagert. Er schrieb letztes Jahr drei Offene Briefe an Hu Jintao und Wen Jiaobao. In den Briefen stellte er ausführlich die Fakten der Verfolgung von Falun Gong – Praktizierenden dar und forderte eine Beendigung der grundlosen Unterdrückung.
Seitdem können er und seine Familie kein normales Leben mehr führen.
Nach einer Verschärfung der Situation am 24. März 2006 beschloss Gao Zhisheng, in sein Heimatdorf zu fahren. Der Demokrat und Kollege Ma Wendu begleitete ihn.
Merkwürdiger Unfall auf der Autobahn
Auf der Reise ereignete sich am 26. März 2006 auf der Autobahn etwa 190 km westlich von Peking kurz vor der Ausfahrt nach „Dingzhou“ ein Unfall.
Auf der Überholspur tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein städtischer Wasserwagen auf. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, musste Gao Zhisheng auf die rechte Spur wechseln. Da tauchte plötzlich auch hinter ihm ein LKW auf und drängte ihn nach links. Das Auto des Anwalts schrammte mit hoher Geschwindigkeit am Wasserwagen vorbei. Der Spiegel auf der linken Seite und die gesamte Tür wurden weggerissen. Verletzt wurde zum Glück niemand. Den Unfallschaden musste er selber tragen.
Nichts als Beschwerden über die KP
Auf der Reise in seine Heimat erhielt Gao Zhisheng viele Nachrichten über Handy und Besuche von chinesischen Landsleuten. Sie berichteten ihm über Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren waren und drückten ihm ihre Unterstützung für seinen Einsatz für die Bürgerrechte aus.
Vor den Medien äußerte Gao, dass er auf seiner Reise noch deutlicher bemerkt habe, wie sehr das Volk von der chinesischen Regierung, der KP, die Nase voll habe und liebend gern auf sie verzichten würde.
Auch in der Heimat keine Ruhe
Nach ihrer Ankunft am 31. März 2006 bemerkten Gao und Ma Wendu, dass sie auch dort von der Regierung nicht in Ruhe gelassen wurden.
Gaos Proteste wurden von den Agenten lediglich mit Gelächter quittiert. Um seiner Familie im Heimatdorf zur Ruhe zu verhelfen, entschied Gao, wieder nach Peking zurückzukehren.
Er seufzte: „Als ich Peking verlassen musste, weinten nur drei. Wie traurig hatte mich der Abschied von meiner weinenden Tochter gemacht. Jetzt muss ich mein Heimatdorf verlassen und meine große Familie weint.“
In einem Interview sagte Gao: „Der Kampf zwischen mir und der KPC ist ein Krieg der Moral. Die KP hat nicht so viele moralische Ressourcen. Je mehr Agenten um mich herum so ein Theater aufführen, desto mehr Ressourcen verbrauchen sie, desto mehr wird die KP geschwächt.“
Nirgendwo kann man bleiben
Am 9. April 2006 kamen sie nach Peking zurück. In der selben Nacht wurde Ma Wendu bis zum nächsten Morgen festgenommen.
Aufgrund der schwierigen Situation in Peking folgte Gao dem Hilferuf des bekannten Bürgerrechtlers Zhao Xin aus Yunnan in Südwestchina. Zhao Xin war vor einem Monat auf seiner Urlaubsreise in der Provinz Sichuan von Fremden brutal verprügelt worden. Jetzt fand er keinen Rechtsanwalt, der bereit war, ihn zu vertreten.
Die Geheimpolizei bekam Wind von diesem Vorhaben. Sie behinderten sie auf jede erdenkliche Art und Weise. Truppen von Agenten begleiteten sie, lärmten, legten Telefonverbindungen lahm. Handys waren der einzige Verbindungsweg zur Außenwelt. Die Agenten kidnappten Rechtsanwälte und Demokraten, die Mit Gao Kontakt aufnehmen wollten, prügelten junge Leute und sperrten den Bürgerrechtler Zhao Xin ein.
Wandern ohne Freiheit
Um eine weitere Verfolgung von Landsleuten zu vermeiden, planten Gao und Ma Wendu auf dem Wasserweg nach Qingdao zu fahren, der ehemaligen deutschen Kolonie.
Gao sieht dem Kampf mit der KP optimistisch entgegen. Er glaubt, dass „die Gottheiten mit uns gemeinsam kämpfen“.
Die in Frankfurt am Main ansässige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat den Menschenrechtsanwalt für Anfang Mai 2006 zur Jahresversammlung nach Deutschland eingeladen. Nun bleibt die Frage offen, ob ihm die Reise nach Deutschland gelingen wird. Zum Erstaunen der deutschen Öffentlichkeit vielleicht in Begleitung eines Trupps von Polizeibewachern?
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