Strompreis-Sondervereinbarung: Zusätzliche Subventionen für Intel-Chipfabrik?

Die Bundesregierung subventioniert den US-Konzern Intel mit 9,9 Milliarden Euro für den Bau einer Chipherstellungsfabrik in Magdeburg. Nun kommt heraus, dass die Bundesregierung offensichtlich noch darüber hinaus subventionieren möchte.
Intel-CEO Pat Gelsinger und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommen zu der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Intel im Bundeskanzleramt.
Intel-CEO Pat Gelsinger und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommen zu der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Intel im Bundeskanzleramt.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 22. Juni 2023

Monatelang ging es zwischen dem US-Konzern Intel und der Bundesregierung hin und her. Seit Montag ist es nun offiziell: Die Bundesregierung subventioniert die Ansiedlung des Chipherstellers in Magdeburg nun doch mit 9,9 Milliarden Euro. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Intel-Chef Pat Gelsinger unterzeichneten in Berlin eine Vereinbarung zum Bau der Fabrik in Sachsen-Anhalt. Bis zuletzt war die Höhe der Subventionen für das Projekt umstritten gewesen. Intel hatte auf gestiegene Kosten verwiesen. Ursprünglich hatte der Bund 6,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Wichtiger Schritt zu widerstandsfähigen Lieferketten

Laut Planung des Konzerns möchte Intel seine Produktion in Magdeburg in vier bis fünf Jahren beginnen. Der Bau der Fabriken sei ein wichtiger Schritt hin zu ausgewogenen und widerstandsfähigen Lieferketten in Europa, sagte Unternehmenschef Gelsinger laut einer vom US-Konzern herausgegebenen Pressemitteilung. „Wir danken der Bundesregierung, Bundeskanzler Olaf Scholz und der Regierung von Sachsen-Anhalt für ihre Partnerschaft und ihr gemeinsames Engagement bei der Verwirklichung der Vision einer lebendigen, nachhaltigen und führenden Halbleiterindustrie in Deutschland und der EU“, wird der Konzernchef weiter zitiert.

Größte ausländische Direktinvestition in der deutschen Geschichte

Scholz sprach laut der Pressemitteilung von einem wichtigen Schritt für den Hightech-Produktionsstandort Deutschland. Intels Halbleiter-Produktion in Magdeburg sei die größte ausländische Direktinvestition in der deutschen Geschichte. „Mit dieser Investition schließen wir technologisch zur Weltspitze auf und erweitern unsere eigenen Kapazitäten für die Ökosystementwicklung und Produktion von Mikrochips.“

Strompreissubventionen für Chipfabrik in Magdeburg?

Nun kommt heraus, dass es über die 9,9 Milliarden Euro hinaus noch weitere Zusagen gab, die sich Gelsinger offenbar am Montag im Kanzleramt abholte. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), nannte laut „tageschau“ am Dienstag unter anderem Absprachen über möglichst niedrige Stromkosten für die Chipfabrik in Magdeburg. So möchte man ein Konzept für wettbewerbsfähigen Industriestrom entwickeln. Das habe man mit dem Unternehmen und einer Arbeitsgruppe im Kanzleramt besprochen.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa stehe der Chip-Konzern im Moment in Verhandlungen mit einem örtlichen Energieversorger. Mit diesem möchte man einen Strompreis von 10 Cent je Kilowattstunde über 20 Jahre hinweg aushandeln. Sollten die Marktpreise im Laufe dieser Zeit über Gebühr steigen, wollen Bundesregierung und Intel verhandeln, wie Mehrbelastungen für Intel aufgefangen werden können.

Zurzeit liegt der Industriestrompreis nach Angaben des Portals „Statista“ inklusive der Stromsteuer in Deutschland bei 40,11 Cent pro Kilowattstunde. Ob man zu dem von Intel gewünschten Preis noch eine Stromsteuer draufschlagen muss, das kann man den gemachten Angaben nicht entnehmen.

10 Milliarden sind eine hohe Versicherungsprämie

Tatsache ist aber, dass die offensichtliche Strompreissubvention nicht in den geplanten 9,9 Milliarden Euro des Bundes vorkommen und daher noch dazugerechnet werden müssen. Darauf weist auch der Chef des renommierten ifo Instituts in München, Clemens Fuest, gegenüber der „Welt“ hin. „Wenn der geplante Industriestrompreis kommt, fließen zusätzliche Gelder. Chipfabriken verbrauchen extrem viel Energie.“

Zudem ist die Fertigung von High-End-Chips mit Strukturgrößen von fünf Nanometern und kleiner auch bislang in Europa gesichert: Intel hatte erst im Dezember 2022 im irischen Leixlip „first light“ – also die erste Belichtung von Chips – in der neuen „Fab 34“ verkündet.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte in der Vergangenheit immer wieder argumentiert, dass das Werk in Magdeburg der Versorgungssicherheit Europas mit Chips diene.

Clemens Fuest hinterfragt grundsätzlich, ob die Versorgungssicherheit vom Staat gewährleistet werden muss. „Die Absicherung gegen Versorgungsrisiken und Engpässe ist primär eine privatwirtschaftliche Aufgabe. Derartige Risiken sind normaler Teil des Wirtschaftsgeschehens“, so der ifo-Präsident.

„Für staatliche Eingriffe muss man begründen, warum die Unternehmen selbst nicht hinreichend vorsorgen. Zehn Milliarden Euro für die Intel-Fabrik in Magdeburg sind eine extrem hohe Versicherungsprämie. Das können wir uns unmöglich bei allen Gütern leisten, bei denen Lieferrisiken bestehen.“

„Im Grunde ist das Wahnsinn“

Die Subventionspolitik gegenüber „Intel“ sieht aber nicht nur Clemens Fuest kritisch. Der Ökonom und Wettbewerbsexperte Justus Haucamp von der Universität Düsseldorf sieht die vom US-Konzern angekündigten 10.000 Arbeitsplätze in Magdeburg mit einer Million Euro pro Arbeitsplatz als „sehr hoch bezahlt“ an.

„Im Grunde genommen ist das Wahnsinn, diese Wertschöpfung werden die kaum je wieder generieren können. Ich habe da die größten Bauchschmerzen.“ Denn durch die Subventionen könnten ungewollte Verdrängungseffekte und Wettbewerbsverzerrungen entstehen, warnt Haucap. „Die Fachkräfte für Chipfertigung zum Beispiel sind absolut knapp.“

Der US-Konzern könnte nun – befeuert durch Subventionen – Fachkräfte bei bereits etablierten Chipfertigern wie etwa GlobalFoundries in Sachsen abwerben. Auch im europäischen Kontext warnt Haucap vor Verstimmungen: „Die kleineren EU-Partnerstaaten können sich Subventionen in diesem Maßstab kaum leisten.“



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