Wohnungsbau: Baubranche fordert mehr Geld vom Staat
Teure Materialien, gestiegene Zinsen und viele stornierte Projekte: Die deutsche Bauwirtschaft warnt vor einem Einbruch im Wohnungsbau und fordert Unterstützung von der Politik. In früheren Krisen wie der Corona-Pandemie und der globalen Finanzkrise habe es große staatliche Investitionen der Bundesregierung gegeben. „Wann, wenn nicht jetzt, will die Politik in den Bau investieren?“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Baugewerbes.
Seit dem Jahr 2015 sei die Bevölkerung in Deutschland im Saldo um rund drei Millionen Menschen gewachsen, davon viele aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Sie alle bräuchten Wohnraum. In dieser Situation habe das Wirtschaftsministerium die KfW-Neubauförderung für das Jahr 2023 drastisch auf eine Milliarde Euro verringert, kritisierte Pakleppa. Zum Vergleich: Bis Ende November 2022 bewilligte die KfW 16,4 Milliarden Euro für neu gebaute Wohngebäude.
Zukünftige Subventionen: hauptsächlich bei Sanierung im Bestand
Weil im Januar so viele Wohnungsbauer Zuschussanträge beim Bundeswirtschaftsministerium beantragt hatten, beendete die Behörde die KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen und Sanieren vorzeitig. Im Frühjahr wurde das Programm fortgesetzt und kurz darauf erneut gestoppt, da das Geld rasch ausgeschöpft war.
Seitdem gibt es nur Mittel für Neubauten, die den strengen Effizienzhausstandard (EH) 40 erreichen und damit ein Qualitätssiegel für nachhaltiges Bauen nachweisen.
EH40 bedeutet, dass ein Gebäude nur 40 Prozent der Energie verbraucht, die ein Standardhaus benötigt. Ob eine Immobilie die EH 40-Qualität erreicht, hängt dabei in erster Linie davon ab, welche Anlagentechnik und Materialien verbaut werden. Die gewünschte Anforderung erzielt man unter anderem mit einer guten Wärmedämmung der Außenwände und des Daches, mit modernen Fenstern und Türen und energieeffizienten Anlagen zur Beheizung und Warmwasserbereitung.
Subventioniert werden soll künftig vor allem die Sanierung im Bestand, da der Klimaschutzeffekt laut Ministerium viel größer ist als im Neubau. In einem späteren Schritt soll die Neubauförderung für das Jahr 2023 grundlegend umgestaltet werden.
„Ein Quadratmeter im Wohnungsbau kostet rund 4.000 Euro“
Zentralverband-Präsident Reinhard Quast kritisiert die Kürzung der Neubauförderung und fordert, geplante Sonderabschreibungen beim Wohnungsbau nicht an den EH40-Standard zu koppeln.
Bauherren und Baufirmen ächzen zunehmend unter den politischen Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit.“
Es sei kaum möglich, günstig zu bauen. „Ein Quadratmeter im Wohnungsbau kostet rund 4.000 Euro. Darunter geht es nicht.“
Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes, der rund 35.000 mittelständische Baufirmen vertritt, schlug eine Ausweitung der Sonderabschreibungen für Mietwohnungsneubauten vor. „Wäre es möglich, jede Wohnung statt mit zwei Prozent wie derzeit, mit zehn Prozent über zehn Jahre abzuschreiben, würde das den Wohnungsbau kräftig ankurbeln“, sagte Quast. Für den Staat würde das allerdings milliardenschwere Steuerausfälle bedeuten.
Baumaterialien: Preissteigerungen haben den „Zenit überschritten“
Der Branche macht es insbesondere zu schaffen, dass im Wohnungsbau viele Projekte storniert werden, weil sie wegen hoher Baukosten und gestiegener Zinsen zu teuer sind. Im November waren laut ifo-Institut 16,7 Prozent der Firmen am Bau von Absagen betroffen. In früheren Jahren seien es nur ein bis zwei Prozent gewesen, sagte Pakleppa. Auch die Baugenehmigungen sind im Herbst eingebrochen.
Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes erwartet, dass im kommenden Jahr nur 245.000 Wohnungen fertig werden, rund 12 Prozent weniger als in diesem Jahr prognostiziert (rund 280.000). Das einstige Ziel der Bundesregierung von jährlich 400.000 neuen Wohnungen würde damit weit verfehlt. Ein knappes Wohnungsangebot erhöht den Druck auf die Immobilienpreise und Mieten.
Nach kräftigen Steigerungen der Baupreise sieht Quast zumindest etwas Entspannung für Bauherren. Sollten die Baupreise in diesem Jahr um gut 15 Prozent steigen, erwartet der ZDB im Jahr 2023 ein kleineres Plus von 5,5 Prozent. „Bei einigen Materialien haben wir den Zenit überschritten“, sagte Quast. Holz und Stahl seien etwas billiger geworden, wenngleich deutlich teurer als vor wenigen Jahren. Auch bei Glas und Keramik habe sich die Lage etwas entspannt. Mittelfristig erwartet Quast höhere Baupreise, auch wegen steigender Löhne für Bauarbeiter.
Ab 2024 legt Hochbau voraussichtlich wieder zu
Die Baubranche war lange Zeit eine Stütze der deutschen Konjunktur und hat dank des Immobilienbooms gut verdient. Nun sind die goldenen Zeiten vorerst vorbei: Der Zentralverband erwartet, dass der Branchenumsatz im kommenden Jahr preisbereinigt um 7 Prozent sinkt.
Die weltweit größte Strategieberatung EY-Parthenon schätzt die Aussichten im Hochbau allerdings gar nicht so schlecht ein. Das Unternehmen prognostiziert, dass die Anzahl der Bauleistungen unter Berücksichtigung der Preisentwicklung wieder leicht ansteigen werden. Baufirmen könnten höhere Preise weitestgehend an Kunden weitergeben. Nach einer Stagnation kommendes Jahr werde der Hochbau bereits im Jahr 2024 wieder zulegen, meint EY Parthenon.
Das ifo-Institut zählt das Baugewerbe zu den „Inflationsgewinnern“. Unter anderem am Bau hätten Firmen die Preise deutlich stärker erhöht, als wegen gestiegener Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen sei.
Verbandspräsident Quast sieht neben dem Wohnungsbau indes weitere Herausforderungen. Während der Bund Milliarden in die Infrastruktur investieren wolle, fehle vor allem in den Kommunen oft das Geld für öffentliche Bauaufträge. „Es gibt eine 150 Milliarden Euro schwere Investitionslücke im Bau von Schulen, Kitas und Krankenhäusern“. Zudem dauerten Genehmigungen lange, da in den Ämtern Personal fehle.
Hauptgeschäftsführer Pakleppa rechnet auch bei den Baugenehmigungen mit wachsenden Verzögerungen. Hintergrund ist die jüngste Wohngeldreform. „Wir haben Signale, dass Beamte in den Bauämtern abgezogen werden, um den erwarteten Anstieg der Anträge auf Wohngeld zu bearbeiten.“ (dpa/il)
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