SPD: Rückendeckung für den Kanzler und ein „Sondervermögen Bildung“
Die SPD hat ihren dreitägigen Parteitag in Berlin am Sonntagmittag nach abschließenden Antragsberatungen beendet. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte zum Abschluss, dass er eine „gewisse Zufriedenheit“ verspüre. Einige hätten damit gerechnet, dass es „an der einen oder anderen Stelle knallt, implodiert, dass irgendwo jemand abgestraft wird“ – all das sei nicht passiert.
„Professionell und solidarisch“ hätten die Delegierten den Parteitag „zu einem Erfolg gemacht“, sagte Kühnert. Erwartungen mancher, „dass es an der einen oder anderen Stelle knallt“, hätten sich nicht bestätigt. “
Am letzten Tag der Veranstaltung ging es unter anderem um die Bildungspolitik. Dazu wurde ein Leitantrag beschlossen, der einen „Deutschlandpakt Bildung“ vorsieht. Für die Finanzierung eines gemeinsamen „Bildungsaufbruchs“ wollen die Sozialdemokraten demnach „hohe Erbschaften und sehr hohe Einkommen“ heranziehen – sie fordern ein gesamtstaatliches Sondervermögen für Bildung, welches von Bund und Ländern gemeinsam aufgebaut, finanziert und bewirtschaftet werden soll. Forderungen, sich dafür auf ein Volumen von 100 Milliarden Euro festzulegen, erhielten auf dem Parteitag keine Mehrheit.
Saskia Esken: 4 Jahre frühkindliche Bildung
Esken kritisierte in ihrer Rede, dass immer, wenn schlechte Ergebnisse der internationalen PISA-Studie für Deutschland veröffentlicht werden, große Aufregung herrsche, danach aber nichts verändert werde. „Diesen Mechanismus von Alarm und dann Nichtstun will ich nicht mehr hinnehmen“, sagte die SPD-Chefin und verlangte einen „Aufbruch für eine gerechte Bildung“.
Die SPD-Chefin wies darauf hin, dass derzeit ein Viertel aller Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht gut genug lesen und schreiben könne. Jeder Vierte verlasse die Schule ohne Abschluss, bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte sogar jeder Siebte.
Gegengesteuert werden müsse schon vor dem Schulstart, verlangte Esken. „Der Grundstein für gelingende Bildung wird in den ersten Lebensjahren gelegt, nicht erst in der Grundschule.“ Sie sprach sich dafür aus, dass Kinder möglichst mindestens vier Jahre eine Einrichtung der frühkindlichen Bildung besuchen. Dafür würden dann allerdings auch deutlich mehr Kita-Plätze und wesentlich mehr Erzieher benötigt. „Das geht, auch wenn die Aufgabe groß ist“, sagte die SPD-Vorsitzende.
In dem SPD-Beschluss wird zudem eine Stärkung der beruflichen Bildung sowie der Weiterbildung im Betrieb gefordert. Als wichtige Aufgabe von Bildungseinrichtungen wird auch „die Demokratie- und Wertebildung“ genannt. Zur Stärkung der digitalen Kompetenz wird an Schulen ein eigenständiges Pflichtfach „Informatische Grundbildung“ gefordert. Auch schon im Vorschul-Bereich soll es Angebote geben. Betont wird, dass erfolgreiche Bildung auch Voraussetzung für eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sei.
Bereits an den beiden Vortagen war die Parteiführung neu gewählt worden. Debatten gab es zudem zur Schuldenbremse, wobei sich die Delegierten dafür ausgesprochen haben, dieses Instrument zu reformieren sowie 2024 erneut auszusetzen. Hier ein Überblick zu den Ergebnissen:
Kontinuität bei der Parteiführung
Die Wiederwahl der Parteispitze galt zum Auftakt am Freitag als erster Stimmungstest. Die Ergebnisse fielen besser aus als erwartet. Die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil wurden mit 82,6 beziehungsweise 85,6 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Generalsekretär Kevin Kühnert erhielt bei seiner Wiederwahl sogar 92,6 Prozent.
Rückendeckung für den Kanzler
Es gab deutliche Kritik am Kanzler, die kam vor allem von der Jugendorganisation Jusos. Ihr Vorsitzender Philipp Türmer verlangte von Scholz „Führung“, die Lösung der Haushaltskrise und die stärkere Durchsetzung sozialdemokratischer Inhalte gegenüber den Ampel-Partnern FDP und Grüne. Sonst stellte sich die Partei aber zumeist klar hinter ihren Kanzler – zum Abschluss spendeten die Delegierten ihm fünf Minuten lang stehend Applaus.
Besonders stark war der Beifall für Scholz, als er Forderungen auch des Koalitionspartners FDP nach Kürzungen im Sozialbereich wegen der Haushaltsprobleme eine klare Absage erteilte. Der Parteitag beschloss eine „einmalige Krisenabgabe“ auf die höchsten Vermögen. Und auch durch eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer sollen Reiche stärker zum Gemeinwohl beitragen.
Schuldenbremse aussetzen und dann reformieren
Für einen „aktiven Staat“ beim klimaneutralen und digitalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft will die SPD die Schuldenbremse im Grundgesetz reformieren. „Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern“ sollen fallen. Kurzfristig plädiert die Partei angesichts der Haushaltsprobleme dafür, die bisherige Schuldenbremse 2024 nochmals auszusetzen. Begründet werden soll die dazu nötige Notlage mit den Folgen des Ukraine-Kriegs.
Kampfansage gegen Friedrich Merz
Heftige Angriffe von der Parteispitze gab es auf CDU-Chef Friedrich Merz. „Für den billigen Erfolg einer Schlagzeile nimmt er in Kauf, das Land zu spalten“, sagte Esken. Die Merz-CDU sei „die populistischste Opposition aller Zeiten“ und hetze „im Chor mit der AfD“ gegen die Ampel-Regierung.
Klingbeil rief die SPD vor den Europa- und Landtagswahlen im kommenden Jahr seinerseits dazu auf, „Bollwerk gegen die AfD“ zu sein. Diese hetze gegen Menschen mit anderem Glauben, verachte Demokratie und Rechtsstaat und stehe für weniger Arbeitnehmerrechte.
Migration
Absage an eine Obergrenze für Flüchtlinge, Unterstützung der Seenotrettung im Mittelmeer und ein wieder ausgeweiteter Familiennachzug für Menschen mit Schutzstatus unterhalb von Asyl: Angesichts der aufgeheizten Migrationsdebatte betonte die SPD eine menschliche Asylpolitik.
Doch die Partei bekannte sich auch zu Abschiebungen, wenn kein Bleiberecht besteht. Deutliche Kritik gab es aber weiter an einer Interview-Äußerung von Scholz, der Abschiebungen „im großen Stil“ gefordert hatte.
Eingeständnis von Fehlern in der Russland-Politik
Die Annahme, mit immer stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu einer Demokratisierung Russlands beizutragen, sei „ein Fehler“ gewesen, stellte die SPD selbstkritisch zu ihrer Politik vor dem Ukraine-Krieg fest. Diese Annahme habe Deutschland „energiepolitisch in eine einseitige Abhängigkeit von Russland“ geführt.
Scholz sicherte der Ukraine weiter umfassende finanzielle und militärische Hilfe zu und warnte, dass diese womöglich noch jahrelang und in höherem Maße nötig sei.
„Führungsrolle“ in der Außenpolitik
Staaten in aller Welt erwarteten, „dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt“, heißt es im Beschluss zur Außenpolitik. Dort wird ein souveränes Europa als wichtigste politische Antwort auf die Zeitenwende bezeichnet. Militärische Stärke wird neben Diplomatie und Entwicklungspolitik ausdrücklich als Bestandteil einer wirksamen Friedenspolitik anerkannt.
Bildungspakt mit Ländern und Kommunen
Die SPD will einen Deutschlandpakt Bildung mit Ländern und Kommunen. Dieser soll dazu beitragen, Ungleichheiten bei Bildungschancen zu beseitigen und eine ausreichende Zahl von Fachkräften sicherstellen. Zur Finanzierung vorgeschlagen wird etwa ein Sondervermögen, das unter anderem aus Mehreinnahmen durch Reformen der Erbschaftssteuer und der Einkommensteuer finanziert werden soll.
Im Rahmen des Deutschlandpakts sollen Bund, Länder und Kommunen „ihre Maßnahmen zur Stärkung der Bildungsgerechtigkeit und zur Modernisierung des Bildungssystems gezielter als bisher koordinieren und aufeinander abstimmen“, wie der Parteitag einstimmig beschloss. Das heißt: mehr Ganztagsangebote, Ausbau der Kitas, mehr Lehrer. (afp/dts/ks)
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