Sippenhaftung oder Wahlkampfgetöse? Faeser will Clan-Angehörige kollektiv abschieben
Ministerin Nancy Faeser will Ende des Jahres als Ministerpräsidentin nach Hessen wechseln. Die Chancen dafür stehen schlecht – jüngsten Umfragen zufolge droht die SPD auf Platz drei zurückzufallen, hinter der AfD. Möglicherweise spielt auch dieser Umstand eine Rolle für das Diskussionspapier, das die Bundesinnenministerin jüngst der Öffentlichkeit präsentierte.
In diesem fordert sie Schritte, um Angehörige von Familienverbänden, die mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden, leichter abschieben zu können. Dies solle auch für sogenannte Clanmitglieder gelten, die selbst nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten seien. Immerhin gebe es eine ähnliche Regelung auch für Angehörige von Terroristen. Angehörige von Großfamilien wären demnach sogenannten Gefährdern gleichgestellt.
Tunesien: Nach Migrationsdeal mit der EU auch ein bilateraler mit Deutschland?
Einen konkreten Gesetzesentwurf dazu gibt es noch nicht, wie Ministeriumssprecher Maximilian Kall am Montag, 7.8., in Berlin informierte. Zu dem Papier solle es vielmehr einen „laufenden Abstimmungsprozess mit den Ländern und Kommunen“ geben.
Aus Sachsen gibt es bereits eine Reaktion. Der dortige Innenminister Armin Schuster fordert Kontrollen an deutschen Grenzen. Für „Gefährder“ und „Intensivstraftäter“ sollen seiner Überzeugung nach Rückführungszentren entstehen. Zudem machte er im „Deutschlandfunk“ jedoch darauf aufmerksam, dass Migrationsherkommen mit Herkunftsländern die Voraussetzung für mehr Abschiebungen seien.
Dabei sei Tunesien eines der Länder, mit denen es diesbezüglich die meisten Probleme gebe. Die EU hat jüngst ein Abkommen mit dem Land geschlossen, um irreguläre Einreisen zu verhindern. Eine bilaterale Vereinbarung mit Deutschland ist derzeit aber noch nicht in Sicht.
Ende Juni waren dem Bundesinnenministerium zufolge etwa 279.000 Ausländer ausreisepflichtig. In fast 225.000 Fällen stand eine Duldung der Abschiebung entgegen.
Sprecherin: Faesers Vorstoß gibt Wunsch vieler Länder und Kommunen wieder
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums äußerte, der Vorschlag von Faeser gebe den Wunsch mehrerer Länder wieder. Auch kommunale Spitzenverbände hätten sich entsprechend geäußert. Allerdings kommen dem Ministerium offenbar selbst Zweifel an dem Vorstoß. Immerhin, so die Sprecherin gegenüber dem „Deutschlandfunk“, müsse die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme „noch einmal eingehend erörtert“ werden.
Auch von Grünen und Union kommen kritische Stimmen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, spricht von „außerhalb des Rechtsstaats stehenden Regelungen“. Diese, so erklärte sie gegenüber der „Welt“, stünden für ihre Partei „nicht zur Debatte“. Mihalic fügte hinzu:
Das gilt auch für Maßnahmen, die nicht strafrechtlich verurteilte Verwandte von Kriminellen genauso behandeln wie Kriminelle.“
Die Koalition habe vereinbart, die Abschiebepraxis zu reformieren und effektiver zu gestalten. Dazu bedürfe es vonseiten Faesers jedoch konkreter und „belastbarer“ Vorschläge.
Union wittert Wahlkampfabsicht bei Faeser – GdP begrüßt Vorstoß
CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor bringt den Vorstoß mit dem Hessen-Wahlkampf in Verbindung. Gegenüber dem „Welt“-Fernsehsender sagte er:
Ich glaube, in konkreter Substanz wird davon wenig übrig bleiben.“
Er wies ebenfalls auf die faktischen Schwierigkeiten hin, Abschiebungen durchzusetzen, wenn es keine Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern gebe. Noch wichtiger sei es außerdem, den „Hahn der ungesteuerten Zuwanderung“ zuzudrehen.
Vonseiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP) lobte deren Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, hingegen den Vorstoß von Faeser. Er forderte zugleich, die Verhandlungen über Rücknahmen zu forcieren, und sogar Drittstaaten zu involvieren.
Sollten diese sich bereit erklären, solle es möglich werden, Straftäter dorthin abzuschieben, wenn die eigentlichen Herkunftsländer sich sperren. Auch Roßkopf will vor nicht selbst straffällig gewordenen Angehörigen nicht haltmachen:
Familienmitglieder von Intensivtätern sollten dann gleich mit abgeschoben werden, wenn sie per Familiennachzug zum Täter nachgekommen waren und finanziell von ihm abhängig sind.“
Ministerium rudert zurück: „Klarer Bezug zu kriminellen Aktivitäten“ erforderlich
Unterdessen scheint das Bundesinnenministerium in diesem Zusammenhang in Nuancen zurückzurudern. Noch am Montag hieß es vonseiten eines Sprechers, dass eine bloße Familienzugehörigkeit zu einem Clan für eine Abschiebung nicht ausreichen könne. Eine solche solle weiterhin „einen klaren Bezug zu kriminellen Aktivitäten“ voraussetzen.
Eine Ausweisung solle möglich sein, wenn „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist“. Die Familienzugehörigkeit allein stelle jedoch noch keine kriminelle Aktivität dar.
Bereits im Zusammenhang mit sogenannten Gefährdern hatte die „Tagesschau“ im Vorjahr berichtet, dass die von der Ampel angekündigte „Rückkehroffensive“ stocke. Der Grund: Viele Betroffene sind Staatsangehörige von Ländern, mit denen es aktuell kaum oder gar keinen diplomatischen Austausch gebe.
(Mit Material der dpa)
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