Nach Otte-Affäre mit AfD: Austrittswelle in der WerteUnion
Nachdem bereits die Wahl des Ökonomen Max Otte zum Vorsitzenden der konservativen WerteUnion im Mai des vergangenen Jahres zu Austritten und Abspaltungen geführt hatte, droht die Ankündigung der AfD von Dienstag (25.1.), Otte werde auf ihren Vorschlag für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren, die unionsnahe Vereinigung endgültig zu sprengen.
Noch am Tag der Verlautbarung entschied die CDU-Spitze, Otte im Eilverfahren alle Mitgliedsrechte zu entziehen und ein ordentliches Parteiausschlussverfahren einzuleiten. Die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung wird am 13. Februar in Berlin stattfinden.
Maaßen und Patzelt verlassen WerteUnion
Otte selbst erklärte, sein Vorsitzendenamt und „alle parteipolitischen Aktivitäten“ bis zu diesem Zeitpunkt ruhen zu lassen. Er erklärte zudem, er sei bereit, seine Kandidatur zurückzuziehen, sollte die CDU „noch einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominieren, der sich aktiv dafür einsetzt, die Spaltung des Landes zu überwinden“.
Sollte, was mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein dürfte, die Union dieses Ultimatum verstreichen lassen und keinen Gegenkandidaten zu Frank-Walter Steinmeier nominieren, dessen Wiederwahl als sicher gilt, wird sich die Frage nach der Zukunft der WerteUnion stellen.
Dort sind bereits am Dienstag 20 Austrittsschreiben in Reaktion auf Ottes Kandidaturvorhaben eingegangen – darunter jene der neben dem Ökonomen prominentesten Mitglieder, Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen und Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt.
Lengsfeld: Otte hat „Erneuerung der CDU sabotiert“
„Die Werte-Union hat sämtlichen innerparteilichen Einfluss nun auf Dauer eingebüßt“, äußerte Patzelt gegenüber der „Welt“. Juliane Ried, die bereits nach der Wahl Ottes ausgetreten war und den „Konservativen Aufbruch“ gegründet hatte, hält es inzwischen für „völlig utopisch“, dass noch irgendein Mandatsträger innerhalb der Union mit der Werte-Union rede.
Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld wirft Otte in einem eigenen Blogbeitrag vor, „alle Erneuerungsversuche der CDU gründlich sabotiert“ zu haben – „nach meinem Eindruck mit voller Absicht“.
Bereits 2020 waren mehrere Mitglieder, darunter Landesvorsitzende der damals noch bis zu 4.500 Mitglieder starken WerteUnion aus dieser ausgetreten, weil sie eine „Radikalisierung“ und Annäherung an die AfD wahrzunehmen meinten. Die Wahl Ottes zum Nachfolger des Gründungsvorsitzenden Alexander Mitsch, der 2021 nicht mehr zur Wiederwahl antrat, wurde sowohl innerhalb als auch außerhalb der Vereinigung weithin als Bestätigung dieses Eindrucks aufgefasst.
Ohne FW-Kandidat wird Achtungserfolg Ottes wahrscheinlicher
Lengsfeld geht davon aus, dass es Otte nicht gelingen wird, auch nur alle AfD-Stimmen in der Bundesversammlung zu erhalten. Er sei „nicht der Kandidat der Gesamtpartei, sondern des Höcke-Flügels“. Andererseits dürfte die Wahrscheinlichkeit gering sein, dass sich AfD-Delegierte massenhaft der Stimme enthalten oder gar für Steinmeier oder den Linkskandidaten Gerhard Trabert votieren.
Die Freien Wähler, die 2017 Richter Alexander Hold nominiert hatten, haben bis dato noch keinen Zählkandidaten nominiert – und derzeit zeichnet sich aufgrund von Uneinigkeit unter den Landesverbänden auch keiner ab. Dies macht es wahrscheinlicher für Otte, zumindest alle AfD-Stimmen und möglicherweise auch einzelne aus anderen Parteien auf sich zu vereinen.
Sprungbrett für „Retter“-Karriere in der AfD?
Ein Ergebnis, das sich zumindest als Achtungserfolg darstellen lässt, könnte Otte jedoch als Sprungbrett für einen Wechsel in die AfD nutzen. Diese musste ihren für Dezember 2021 geplanten Bundesparteitag wegen der Corona-Pandemie verschieben, ein Ersatztermin im Frühjahr steht noch nicht fest.
Der Umstand, dass die AfD in Umfragen weiterhin nicht von der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit dem Start der Ampel-Regierung profitieren kann, und die immer dünnere Personaldecke der Partei könnten sogar Begehrlichkeiten in Richtung eines Vorstandspostens wecken.
Mit Jörg Meuthen wird einer der bisherigen Bundessprecher nicht mehr zur Wiederwahl kandidieren. Der als möglicher Nachfolger genannte Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen dürfte ebenfalls nicht zur Verfügung stehen, nachdem er erst vor wenigen Tagen erklärt hatte, in seinem Landesverband NRW nicht länger als Landessprecher zur Verfügung zu stehen.
In einer solchen Situation könnte Otte seinen Promibonus ausnutzen, um sich der entlang der Zehn-Prozent-Marke dahinvegetierenden und nicht über die eigene Echokammer hinauswirkenden Partei mit hinreichender Erfolgsaussicht als möglicher „Retter“ zu empfehlen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion